Content-Management-Produkte im Test

08.05.2002 von Ludger Schmitz
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Web-Seiten von größeren Unternehmen mit Daten zu speisen und zu pflegen ist manuell nicht möglich. Abhilfe schaffen Content-Management-Systeme. Forrester Research hat in Tech-Rankings neun Angebote unter die Lupe genommen.

Hinter den Web-Seiten von Unternehmen und Verwaltungen stehen riesige Mengen Daten unterschiedlichster Typen, die sich ständig ändern, dabei aber mit anderen Anwendungen harmonieren müssen. Der dadurch verursachte Aufwand und seine Kosten setzen dem öffentlichen Auftritt im Internet Grenzen. Content-Management-Systeme erscheinen geboten.

Eine zusammenfassende Bewertung von Content-Management-Systemen (I)

Forrester hat solche Systeme von Broadvision, Divine, Documentum, Filenet, Gauss, Interwoven, Microsoft, Stellent und Vignette unter technischen und wirtschaftlichen Aspekten untersucht und nach den Ansprüchen großer Unternehmen bewertet. In der Regel handelt es sich dabei nicht um ein umfassendes Produkt, sondern um eine Suite oder ein Set von Tools, die zusammengenommen ein Content-Management-System ergeben.

Erstes Bewertungskriterium sind funktionale Eigenschaften der Angebote. Kein Produkt scheidet aus dem Rennen, weil es an unabdingbaren Features mangelt. Die Produkte von Broadvision, Filenet und Interwoven müssen aber Abwertungen hinnehmen, weil sie eine Personalisierung der Website kaum erlauben. Der Besucher einer Seite hat also keine Möglichkeit, sich die Seite so einzurichten, dass er sofort die für ihn interessanten Inhalte präsentiert bekommt.

Zum Erscheinungsbild eines Unternehmens im Internet tragen in erster Linie Content-Verantwortliche und IT-Administratoren bei. Doch die Verwaltungsfunktionen der Content-Management-Systeme von Broadvision und Microsoft sind im Vergleich zu anderen Anbietern komplex und inkonsistent. Bei Microsoft ist die Versionskontrolle mangelhaft, auch die Administration der internen Workflows lässt zu wünschen übrig. Broadvision sollte die Workflows, insbesondere die Freigabeverfahren für die Inhalte und das Event-Handling, verbessern. Das Design von Templates ist bei Documentum, Filenet und vor allem Vignette beschwerlich.

Einfache Anwendbarkeit ist ein Muss

Neben den Spezialisten bereiten einfache Angestellte ohne spezifische IT-Kenntnisse Informationen auf, die sich auf Websites finden. Aus diesem Grund, so die Forderung der Kunden, sollten die Systeme einfach zu beschicken sein. In diesem Punkt bekommen alle Systeme gute bis sehr gute Noten.

Für die Web-Seiten-Betreiber lohnt sich der Aufwand jenseits des Prestigeeffekts vor allem dann, wenn sich der Kontakt via Internet in Geschäften niederschlägt. Das aber verlangt eine Verbindung zu Datenbanken, Anwendungen in Vertrieb und Rechnungswesen, Workflow-Systemen, Groupware und E-Mail-Programmen. Gauss und Filenet offenbaren laut Forrester eine mangelhafte Anbindung solcher Systeme. Interwoven erhält besonders schlechte Noten.

Eine zusammenfassende Bewertung von Content-Management-Systemen (II)

In der Frage der Integration mit anderen Systemen resultiert Microsofts Ignoranz gegenüber Industriestandards und die ausschließliche Verwendung hauseigener Schnittstellen in einer auffallend schlechten Bewertung. Es ist inakzeptabel, Corba und Java nicht zu unterstützen und nur die Verwendung der eigenen Datenbank „SQL Server“ zu gestatten. Die maximal erhältliche Punktzahl gibt es im Forrester-Tech-Ranking nur zweimal - und zwar für die Performance der Produkte von Divine und Microsoft. Die deutlich niedrigere Einstufung der Angebote von Filenet und Interwoven resultiert aus mangelhaftem oder fehlendem Caching, Connection-Pooling und Load-Balancing. Letzteres ist auch eine Schwäche des Stellent-Produkts. Um diese Defizite zu beheben, wären Add-ons anderer Anbieter erforderlich.

Auch in Sachen Betriebszuverlässigkeit macht das Trio Filenet, Interwoven und Stellent keine gute Figur. Die Fehlertoleranz dieser Systeme ist beschränkt. Das Monitoring des Systemsstatus so schwach, dass es sehr aufmerksamer Administratoren bedarf. Die dürfen im Zweifelsfall mangels automatischer Routinen auch noch selber eingreifen, um ein Desaster zu verhindern. Vorbildlich ist in diesem Punkt das Angebot von Broadvision.

Obwohl Content-Management-Systeme quasi die Schaltzentrale zu allen wichtigen Systemen eines Unternehmens sind, haben manche Anbieter Sicherheitsaspekte sträflich vernachlässigt. Unautorisierten Durchgriffen auf Datenbanken, ERP- und Workflow-Systeme setzen nur Documentum, Gauss, Microsoft und Vignette Möglichkeiten zur Einrichtung wirksamer Sperren entgegen. Die geringsten Schutzmechanismen bringt Filenet mit.

Tech-Rankings: Forrester Research hat mit den „Tech-Rankings“ ein Instrumentarium entwickelt, das Produkten mehrere hundert laufend aktualisierte Einzelbewertungen technischer Details und wirtschaftlicher Informationen zuordnet. Forrester-Kunden können online jedem einzelnen Kriterium eine den eigenen Anforderungen entsprechende Gewichtung geben. Auf dieser Grundlage erhält man eine individuelle Bewertung aller von Forrester analysierten Produkte einschließlich der Einzelresultate. Dieses umfangreiche Ergebnis lässt sich über mehrere Stufen bis zu einem „Executive Summary“ zusammenfassen. Ein beträchtlicher Vorteil der Forrester-Tech-Rankings dürfte darin bestehen, dass sie an bestimmten Techniken Interessierte zwingt, sich detailliert mit ihren Finessen auseinander zu setzen.

Ob ein Content-Management-System in verschiedenen Sprachen verfügbar ist, wird vor allem international agierende Unternehmen interessieren. Documentum bietet diesbezüglich die besten Voraussetzungen. Nicht berücksichtigt hat Forrester diesen Aspekt bei den Produkten von Broadvision, Filenet und Interwoven. Alle anderen Angebote bieten Standards wie Unicode oder UTF-8 zur Anpassung an lokale Sprachen. Um die Content-Management-Systeme zumindest an die Sprache der Nicht-IT-Spezialisten unter den Anwendern anzupassen, ist bei den meisten Produkten einiger Aufwand notwendig. Alternativ können lokale Partner der Anbieter Abhilfe schaffen.

In puncto Marktposition der Anbieter spielt nicht nur ihre geschäftliche Entwicklung in der letzten Zeit eine Rolle. Alle haben in der aktuellen IT-Krise Federn lassen müssen. Wichtig ist auch die Zahl der Installationen (zwischen 300 und 1300), die Größe der Entwicklungsmannschaft, die Präsenz von Serviceniederlassungen und ihr Supportangebot sowie die Zahl der Software- und Integrationspartner. Im Allgemeinen hat Forrester bei diesen für die Zukunftssicherheit eines Produkts wichtigen Faktoren akzeptable Noten vergeben.

Schlecht bewerten die Marktforscher hingegen die Kostenseite von Content-Management-Systemen. Die Preise sind beachtlich. Zwar kann eine Minimalkonfiguration schon für rund 30000 Dollar erhältlich sein. Das durchschnittliche Volumen eines Auftrags liegt aber bei 200000 bis einer halben Million Dollar. Nur Gauss und Microsoft berichten von im Schnitt kleineren Kontrakten. 15 bis 18 Prozent Maintenance-Kosten kommen dabei jährlich noch hinzu.