Anpassungsaufwand ist nicht zu unterschätzen

Content-Management bringt heterogene Daten ins Web

19.11.1998
Wo gestern noch einfache HTML-Seiten im Intranet genügten, fordern die Anwender heute die Integration beliebiger Dokumente, Datenbanken sowie Applikationen in das Browser-basierte Informations-Management. Dies ruft nach Ansicht von Gernot Starke* Web-Content-Management-Lösungen auf den Plan.

Um Informationen aus verschiedenen Anwendungen, Datenbanken sowie Dokumentdateien im hauseigenen Web zu publizieren, bedarf es mehr als nur eines Web-Servers, denn konventionelle HTML-basierte Intranets werden diesen Forderungen nicht gerecht. Allein der Aufwand, alle Dokumente in die Hypertext Markup Language zu konvertieren, ist enorm. Mit Verwaltungswerkzeugen lassen sich zwar umfangreiche Web-Sites managen, sie sind jedoch nicht für heterogene Datenformate konzipiert und scheitern spätestens bei der Integration von Datenbanken und Applikationen.

Abhilfe schaffen hier Web-Content-Management-Systeme (WCMS). Sie verknüpfen wichtige Eigenschaften von Web-Servern mit denen von Dokumenten-Management-Systemen. Darüber hinaus verfügen sie über Suchmaschinen und ausgefeilte Zugriffsschutzmechanismen.

WCMS ermöglichen die unternehmensweit verteilte Informationserstellung. Von jeder Stelle des Intranet aus lassen sich neue Inhalte in das System einspielen. Für die Siemens AG in München war die dezentrale Informationsbereitstellung ein wichtiges Argument für den Einsatz von WCMS. So versorgt das System "Catena" bereits heute einen großen Teil der fast 30000 Mitarbeiter des Bereiches "Öffentliche Netze". "Mit konventionellen Intranet-Lösungen erreichen wir nicht das gewünschte Maß an Durchgängigkeit bei der Informationsbereitstellung und -beschaffung", erläutert Beate Bittl, Projektleiterin von Catena, den Schritt in Richtung Content-Management. Den Ausschlag gab dabei die Konformität mit erprobten Intranet-Standards sowie die Integrationsfähigkeit mit bestehenden Systemen, so Bittl.

Dem Endbenutzer präsentiert sich ein WCMS wie ein Web-Server. Wichtiger Unterschied: Die einzelnen HTML-Seiten baut das System für jeden Anwender zur Laufzeit aus Einzelinformationen auf. Dabei sind Layout und Inhalt voneinander entkoppelt. Sogenannte Layout-Schablonen bestimmen das Aussehen der Web-Seiten. Das WCMS beschafft sich den Inhalt der Pages erst zur Laufzeit aus dem integrierten Repository oder anderen Informationsquellen wie zum Beispiel Applikationen oder Datenbanken. Hierdurch gewinnen WCMS ein sehr hohes Maß an Flexibilität hinsichtlich der präsentierten Inhalte. Aussehen und Gestaltung können unabhängig vom Inhalt angepaßt oder geändert werden. Die herangezogenen Informationen bleiben dabei in ihren Originalformaten bestehen.

Zur Speicherung von Dokumenten bedienen sich die WCMS eines zentralen Repositories inklusive Versionsverwaltung. Zusätzlich zu den Nettodaten kann sowohl der Verwalter als auch der Anwender frei definierbare Meta-Attribute festlegen. Beispielsweise läßt sich so der Autor, das Erstellungsdatum oder der Gültigkeitszeitraum eines Dokuments angeben.

Innerhalb des zentralen Repositories indiziert eine Suchmaschine sämtliche eingebrachten Informationen im Volltext, unabhängig von ihren jeweiligen Datenformaten. Dieses Verfahren umfaßt nicht nur die bekannten Text- und Office-Formate, sondern auch viele Grafikformate. Analog zu den bekannten Suchdiensten im Internet ermöglichen die Search-Engines der WCMS ebenfalls komplexe Anfragen. Dabei wird die Suche auf die Informationen beschränkt, für die der jeweilige Anwender die entsprechenden Zugriffsrechte besitzt.

Um die Leistungsfähigkeit zu verbessern, lassen sich Server-Komponenten auf andere Rechner auslagern. Beispielsweise läuft bei einigen Systemen die Suchmaschine auf einer separaten Plattform. Dirk Schröter, Fachleiter IV-Strategie bei der Telekom-Tochter T-Mobil, bemerkt zu diesem Punkt: "Durch die hohe Flexibilität des Marktes in der Telekommunikation zählt die Skalierbarkeit zu den wichtigsten Auswahlkriterien bei der Produktbewertung für WCMS."

Bevor ein Unternehmen Nutzen aus einem WCMS zieht, muß es an die bestehende IT-Landschaft angepaßt werden - ein nicht zu unterschätzender Schritt bei der Einführung eines solchen Produkts. Im wesentlichen gestaltet sich die Integration bestehender Datenbanken und Applikationen schwierig. Ferner ist laut T-Mobil-Manager Schröter der Aufwand für die Implementierung der Zugriffskontrolle, beispielsweise über das Lightweigt Directory Access Protocol, erheblich.

Hier schützt nur eine detaillierte technische Analyse aller beteiligten Komponenten vor unliebsamen Überraschungen. Insbesondere die gegenseitigen Schnittstellen der Systeme sollten auf ihre Verträglichkeit hin untersucht werden.

Bis hierhin weist das geschilderte Szenario viele Ähnlichkeiten mit klassischen Dokumenten-Management-Systemen (DMS) auf. Lediglich das Intranet als Trägermedium differenziert beide Ansätze. Es verwundert daher nicht, wenn viele der kommerziell verfügbaren WCMS ihren Ursprung im Dokumenten-Management haben. Teilweise erhalten die in die Jahre gekommenen DMS von ihren Herstellern mit sogenannten Web Enablern nur ein einfaches Facelifting. Andere Softwarehersteller gehen gründlicher vor: Sie passen die gesamte Systemarchitektur den Belangen moderner Intranets an. Dazu gehört die Ausrichtung auf die Web-typischen Standards, namentlich Hypertext Transfer Protocol (HTTP) als Trägerprotokoll sowie HTML, Java und Javaskript als Sprachen für die Clients.

Die WCMS bieten auch eine Funktion des Electronic Commerce: Informationen innerhalb mancher WCMS-Repositories lassen sich mit einer Art virtuellem Preisschild versehen. Der Abruf dieser Informationen per Browser ist dann nur nach elektronischer Bezahlung möglich.

WCMS schaffen Lösungen für komplexe Anwendungsfälle, in denen herkömmliche HTML-Darstellungen an ihre Grenzen stoßen. Sie vereinen klassisches Dokumenten-Management mit moderner Web-Technik. Zusätzlich erlauben sie über Programmier-Schnittstellen die Integration bestehender Datenbanken und Applikationen. Formatneutrale Suchmaschinen finden Informationen auch innerhalb heterogener Datenquellen. Viele große Unternehmen und Organisationen setzen auch für ihre Internet-Anwendungen auf diese Technik. Als Beispiele seien neben der Siemens AG auch das internationale Standardisierungsgremium ISO (International Organization for Standardization), das Finanzinstitut UBS (Union Bank of Switzerland), Ford und Motorola genannt.

Für den praktischen kommerziellen Einsatz dieser WCMS sind in vielen Fällen beträchtliche Anpassungsaufwände notwendig. Dennoch äußern sich Betreiber von WCMS positiv, da der Administrationsaufwand deutlich geringer ist als bei konventionellen Web-Systemen. Für die Endanwender entstehen mit den WCMS ergonomische Anwendungen nach Intranet-Manier.

Defizite

Den heute am Markt verfügbaren Web-Content-Management-Systemen (WCMS) fehlen noch einige wünschenswerte Eigenschaften. Beispielsweise sollte es innerhalb eines beliebigen Dokumentes möglich sein, Hyperlinks auf verwandte oder zugehörige Informationen einzubinden. Mit Ausnahme reiner HTML-Dateien können heutige Systeme zwar einen Verweis auf ein beliebiges Dokument enthalten, nicht jedoch auf eine bestimmte Stelle innerhalb des Textes oder der Grafik.

Weiterhin speichern und durchsuchen die WCMS zwar beliebige Dokumentformate, aber nur für wenige verbreitete Formate bieten sie auch eine echte HTML-basierte Preview-Funk- tion an. Die Anwender finden mit einer WCMS-Suchmaschine gewöhnlich sehr schnell die gesuchten Informationen, benötigen dann aber die jeweiligen Anwendungsprogramme lokal auf ihren Clients.

*Gernot Starke ist Berater für DV-Strategie, Methoden und Tools bei der Schumann Unternehmensberatung AG in Köln.