Consultants kämpfen um Kunden

23.04.2003 von Bettina Wirth
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Besser informiert und preisbewusst - da die Kunden von IT-Beratungsfirmen dazugelernt haben und der Preisdruck steigt, müssen die Consultants ihre Strategie an die gehobenen Anwenderwünsche anpassen. Auch das Profil der Berater verändert sich.

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Einer Umfrage der US-Investment-Bank Merrill Lynch zufolge werden die Investitionen für IT-Beratung 2003 gegenüber dem Vorjahr um 4,6 Prozent sinken. Auch in Deutschland wird gespart, der steigende Wettbewerbsdruck - insbesondere durch Offshore-Anbieter - macht den klassischen Consulting-Häusern zu schaffen. Pascal Matzke, Analyst bei Forrester Research, berichtet vom Preiskampf um die Beratungsgebühren: Musste man vor drei Jahren für einen Partner einer renommierten Beratung noch 5000 Euro pro Tag hinblättern, gäben sich Top-Consultants auf Projektleitungsebene heute mit 2200 Euro zufrieden.

Begegnen die Anbieter dem massiven Preisdruck nur durch Discount-Preise? Wie konsolidiert sich der Dienstleistungsmarkt? Stephan Scholtissek, Deutschland-Chef der IT-Beratung Accenture, sieht seine Chance als Full-Service-Dienstleister. Der Markt werde sich aufteilen in spezialisierte Anbieter, die versuchen, mit dem bisherigen Beratungskonzept zu niedrigeren Preisen zurechtzukommen; Gesamtanbieter dagegen liefern nicht mehr nur Design und Build, sondern schnüren Komplettpakete, die neben Entwurf und Implementierung auch den Betrieb vorsehen. „Unser Portfolio wird sich dadurch verändern, wie bei allen, die eine Generalanbieterschaft übernehmen. Wir müssen auch die Betreuung des Run anbieten, um auf lange Sicht wirtschaftlich agieren zu können“, so Scholtissek.

Trotz aller Outsourcing-Bestrebungen halten die IT-Berater weiterhin an den klassischen Systemintegrationsprojekten fest, auch wenn die Preise purzeln. Winfried Holz, Leiter der Global Business Unit für das Lösungsgeschäft bei Siemens Business Services (SBS), mahnt, ein ERP- oder CRM-Projekt treffe den Nerv eines Unternehmens. Daher sei der niedrige Preis zwar wichtig, entscheidend sei aber die Erfolgswahrscheinlichkeit. Hier hofft Holz auf die Zugkraft des Traditionsnamens Siemens.

Ausschreibungen als Leistungstest

Doch der große Name allein garantiert den Erfolg heute nicht mehr. Die Anbieter erhalten mittlerweile nur den Zuschlag für ein Projekt, wenn sie dem Kunden vorrechnen, was eine IT-Lösung an Kosten spart, welche Effizienzsteigerungen sie ermöglicht und welchen zusätzlichen Umsatz sie erwirtschaftet. Daraus leitet der Anwender ab, was er in das Projekt investieren kann. „Die normale Integrationsarbeit wird an eine Risikoverteilung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer gekoppelt“, erklärt Scholtissek.

Hinzu kommt, dass die Kunden Ausschreibungen intensiver als Leistungstests für Bewerber nutzen. Auch das Unternehmen Basell Polyolefine, Mainz, weltweit größter Produzent von Polypropylenen, hat damit gute Erfahrungen gemacht. Der Anwender gibt die Randbedingungen vor, erstellt ein Anforderungsprofil und erklärt, wie das Angebot strukturiert sein soll. Unter den Bewerbungen pickt sich das Unternehmen zwei Kandidaten heraus, die ihr Angebot vor Ort präsentieren dürfen.

Das habe mehrere Vorteile, freut sich Peter Kailing, IT-Leiter Europa des Kunststoffkonzerns. Erstens lernten die Auftraggeber Teile des Beraterteams kennen, zweitens könnten Preise verglichen werden, und drittens hätten Verlierer auch gute Ideen. So könne man beispielsweise eine Form der Projektkalkulation, die einer der Anbieter vorstellt, in die Vereinbarungen mit dem endgültigen Partner einfließen lassen. Das Image-Argument lässt Kailing nur insofern gelten, als man für große Vorhaben auch große Anbieter brauche. „Wenn Sie kurzfristig 20 Leute in einem laufenden Projekt nachschieben müssen, kommt nur eine große IT-Beratung mit ein paar hundert Beschäftigten in Frage, die über die entsprechenden Kapazitäten verfügt.“

Die Zusammenarbeit zwischen den immer anspruchsvolleren Kunden und den Consultants gestalte sich trotz allen Drucks fair, wie SBS-Mann Holz betont, aber die Gespräche gingen tief in die Details. Anwender bestätigen, dass sie in die Ausbildung der eigenen Leute investiert und dadurch internes Know-how aufgebaut haben. Eine Leistung, die von außen kommen soll, muss also hohen Ansprüchen genügen. Selbst bei Festpreisprojekten sei es deshalb gang und gäbe, dass die Kunden das Team im Vorfeld kennen lernen wollen, wie die Chefs der großen Consultant-Häuser unisono zugeben. Von einem Projektleiter erwarteten die Kunden beispielsweise zehn Jahre Berufserfahrung und einschlägige Projekt-Management-Kenntnisse. Auch IT-Leiter Kailing lässt sich die Profile der potenziellen Teammitglieder zeigen. Er hat Anbieter gefunden, die ihm einräumen, vorgeschlagene Berater abzulehnen, wenn er ihre Kompetenz nicht für ausreichend hält. „Die Berater sind

davon zwar nicht begeistert, aber die Katze im Sack kaufen wir einfach nicht mehr.“

Die Consulting-Firmen stehen vor dem Problem, nicht mehr alle Berater in Kundenprojekten unterbringen zu können. Auslastungen aus früheren Jahren von 80 bis 90 Prozent erreichen die Unternehmen schon lange nicht mehr. Derzeit bewegen sie sich laut Analystenschätzung bei 60 bis 65 Prozent. Die allmähliche Umstellung auf Betriebsdienstleistungen kann die mangelnde Auslastung allerdings nicht auffangen, denn für Outsourcing-Services sind andere Mitarbeiter gefragt.

Der klassische Berater ist nicht mehr gefragt

SBS-Manager Holz erteilt dem Generalisten eine Absage: „Heute reicht es nicht mehr, zu wissen, wie das Geschäft funktioniert und wie ein CRM-Prozess aussieht. Bei einem solchen Projekt bestehen 50 bis 60 Prozent der Arbeit aus der Integration der Lösung in die bestehende IT-Landschaft. Dafür brauchen Sie Leute, die sich die Finger schmutzig machen können.“ Die so genannte alte IT-Branche wisse noch, wie eine Datenbank funktioniert, was Middleware ist. „Dieses Wissen ist heute wieder gefragt.“

Frank Mang, Chef des Münchner Accenture-Büros, beschreibt die neuen Anforderungen so: „Im laufenden Betrieb braucht man Berufsbilder, die mit dem klassischen Consultant mit hohen Arbeitszeiten und viel Mobilität nicht mehr viel gemein haben. Im Lösungsgeschäft erwarten wir eine lokal begrenzte, kontinuierliche Arbeit.“ In der Outsourcing-Sparte wiederum entständen nun Jobs, in denen zehn Jahre lang die gleiche Arbeit anfällt: den laufenden Betrieb sicherzustellen.

Die Unternehmen reagieren: Während Siemens dem Personalüberschuss dadurch begegnet, dass der Einsatz externer Berater um 50 Prozent gesenkt wird, veränderte Accenture bereits die Mitarbeiterstruktur in den eigenen Reihen. Die IT-Beratung wächst, wenn auch langsam. 200 neue Leute will Accenture dieses Jahr ins Team holen. Gesucht werden beispielsweise Hardwareexperten für Betriebsleistungen. An klassischen, weniger technisch orientierten Consultern herrscht dagegen wenig Bedarf: 60 Beraterpositionen wurden abgebaut.