Computerspiele – ein Thema für Kulturverwalter

24.08.2007
Willkommen im Mainstream: Computerspiele werden von der Kulturindustrie entdeckt. Im Mittelpunkt steht die deutsche Entwicklerszene, der sogar eine staatliche Förderung in Aussicht gestellt wird.

"Computerspiele - nein, danke", sagen viele Kritiker. Manche von ihnen würden Computerspiele lieber heute als morgen verbieten. Sie denken an Horror und Gewalt. Der Deutsche Kulturrat sieht das inzwischen ganz anders. "Computerspiele sind ein Kulturphänomen", sagt Geschäftsführer Olaf Zimmermann. Computerspiele seien oft mit einem hohen künstlerischen und musikalischen Anspruch entwickelt, meinte er diese Woche am Rande der Computerspiele-Messe Games Convention (GC) in Leipzig und löste damit eine neue Diskussion aus.

Seit Jahren schon versucht die größte Messe ihrer Art in Europa die ganze Bandbreite der Branche zu zeigen. Feste Tradition ist zum Beispiel ein klassisches Konzert im Gewandhaus am Vorabend des ersten Publikumstages. Ein Orchester aus Prag präsentiert dann vor stets ausverkauftem Haus allein für Computerspiele komponierte Musik. In den Messehallen selbst gibt es den Teilbereich "GC Art" mit gleich vier verschiedenen Ausstellungen zum digitalen Spielen. Zu sehen sind Spielkonsolen aus mehr als 30 Jahren. Die Besucher erfahren, welchen Einfluss Computerspiele auf Filmproduktionen haben und wie kreative Köpfe mit Computer und Spezialsoftware etwas schaffen, was von der Realität nur schwer zu unterscheiden ist.

"Es ist sogar zu fragen, ob die virtuelle Spielewelt auch als Kunst eingestuft werden muss", sagt Olaf Zimmermann. Das würde bedeuten, dass die Spieleindustrie grundrechtliche Freiheiten genießen würde, die lediglich im Bereich des Jugendschutzes eingeschränkt sind. Zimmermann jedenfalls ist dafür. Dazu gehöre auch eine staatliche Förderung der deutschen Entwicklungsbranche. Der Kölner Professor für Spiel- und Interaktionspädagogik, Jürgen Fritz, schließt sich der Forderung an. "Es wäre gut, etwas zu etablieren, das Alternativen setzt und die Entwicklerlandschaft in Deutschland beflügelt", sagte er am Donnerstag im Deutschlandradio Kultur.

"Ich wünsche mir, dass die Bundesregierung demnächst eine Auszeichnung für die besten virtuellen Spiele verleiht", betonte Kulturrats-Geschäftsführer Zimmermann. Hier sei Kulturstaatsminister Bernd Neumann gefordert. "Es wäre schön, wenn in den Feuilletons einmal über die Qualität von Spielen, und nicht mehr allein über Verbote debattiert würde", erklärt Zimmermann.

Zimmermann zeigte sich optimistisch, dass der Anteil der Politiker, die Computerspiele allein auf die Gewaltdebatte reduzierten, geringer wird. "Wir müssen uns über einzelne gewaltverherrlichende Spiele unterhalten, aber nicht mehr über das Verbot eines ganzen Genres."

Am Rande der Messe wird das Thema in einer zweitägigen Fortbildung in vielen Facetten diskutiert. "Wir wollen die Kritiker mitnehmen", sagt Zimmermann. Zu den Teilnehmern zählen Bundestagsabgeordnete fast aller Fraktionen. Auch ein Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz ist dabei. "Wir wollen, dass über Computerspiele sachlich diskutiert wird", erklärt der Leipziger Medienpädagoge Hartmut Warkus. Auf dem Programm der Veranstaltung steht für alle Teilnehmer auch das Spielen an Computern. "Nur wer Computerspiele selbst einmal ausprobiert hat, kann wirklich sinnvoll darüber diskutieren", sagt Warkus.

"Ich glaube, dass wir schon bald einen Konsens über die Rolle von Computerspielen erreichen werden", sagt Zimmermann. Allerdings bedeute eine Aufwertung der virtuellen Unterhaltung auch mehr Verantwortung für die Branche. "Die Industrie muss sich ihrer Verantwortung für die Gesellschaft bewusst sein und nicht allein auf gute Verkaufszahlen schielen", sagt Zimmermann. Seit einiger Zeit sei auch auf Seiten der Industrie eine Änderung des Selbstverständnisses zu erkennen. (dpa/ajf)