Cloud statt Kommunikationsinfrastruktur

Communication und Collaboration aus der Cloud

15.10.2012 von Nicole Dufft
Warum in eine eigene Kommunikationsinfrastruktur investieren, wenn entsprechende Anwendungen bedarfsgerecht, flexibel und kostentransparent als Web-basierende Services verfügbar sind?
Foto: Belekekin, Fotolia.com

Das Cloud-Modell hält Einzug in die Telekommunikation. Wie die aktuelle Studie "Communication und Collaboration aus der Cloud" von Pierre Audoin Consultants (PAC) zeigt, stehen knapp 40 Prozent der deutschen Unternehmen einer Nutzung von Cloud-Diensten für Kommunikation und Zusammenarbeit positiv gegenüber. Viele typische Mittelständler begegnen dem Cloud-Modell noch mit Skepsis, kleine Betriebe und auch Großunternehmen sind dagegen eher aufgeschlossen.

Allerdings zeigen sich viele Unternehmen unabhängig von ihrer Größe wenig geneigt, reine Basisanwendungen wie E-Mail und Telefonie als Cloud-Service zu beziehen. In diesen Segmenten dominiert weiterhin der Eigenbetrieb.

Cloud-Angebote werden bislang nur von zwei bis fünf Prozent der Anwender aktiv genutzt. Weniger als ein Zehntel hält einen Umstieg auf das Cloud-Modell innerhalb der nächsten zwei Jahre für wahrscheinlich. Dabei werden die Vorteile der Cloud durchaus gesehen. So versprechen sich viele Anwender von einer Cloud-basierenden Telefonielösung erweiterte Möglichkeiten bei der Anbindung neuer Standorte - ein Kernproblem herkömmlicher Anlagen.

Sechs Cloud-Collaborations-Dienste im Vergleich
Ziel der Analyse war es, Selbstständigen und Mittelständlern eine Entscheidungshilfe in der Auswahl der geeigneten Cloud-basierende Collaboration-Lösung an die Hand zu geben. Wesentlich sei eine möglichst integrierte Lösung mit Funktionen für Groupware, Collaboration und Unified Communication sowie mit Office-Anwendungen, betont Techconsult. Besonders gewichtet wurden Sicherheitsaspekte, Mitarbeiterakzeptanz, derzeitige Einsatzgrade bestehender (produktiver) Lösungen.
Was der Mittelstand will
Basis dieser Bewertungskriterien ist eine Studie vom Sommer 2011 unter 207 mittelständischen Firmen. Die Befragung zeigt, dass Anwender den Dokumenten- und Applikationsaustausch über Medien- und Plattformgrenzen hinweg als problematisch erachten. Fast ein Drittel der Befragten haben Schwierigkeiten, ihr Home Office in den Unternehmensalltag einzubinden. Hier könnten integrierte Cloud-Angebote helfen.
O2 ist nicht empfehlenswert
O2 ist Schlusslicht des Lösungsvergleichs, der Anbieter steigt laut Techconsult nach mehreren Versuchen im Bereich der Hosted-Groupware und Collaboration-Lösungen stillschweigend aus dem Markt aus. Empfehlenswert ist dieses Angebot aufgrund der Vertragsmodalitäten, Anwendungsfunktionalitäten und mangelnder Zukunftssicherheit daher nicht. Konkurrent Vodafone hat diesen Schritt bereits hinter sich gebracht und reicht inzwischen ausschließlich Google Apps und Microsoft Office 365 an Kunden durch.
Dem Telekom-Dienst fehlt Integration
Die Telekom vertraut im Mittelstands-Segment ausschließlich Hosting-Lösungen auf Microsoft-Basis. Sie sind zum einen finanziell unattraktiv und wirken zum anderen in sich zersplittert. Dem Angebot fehlt der integrative Ansatz. Zudem sind Support-Leistungen der Telekom erschreckend teuer und können zu einer Kostenexplosion führen.
1&1 muss nachbessern
1&1 platziert sein zweigleisiges Angebot KMU-freundlich. Es scheint, als ob das Unternehmen künftig stärker auf Angebote auf Basis der Open-Xchange-Lösung setzen wird. Hier stellt Zoho im Rahmen einer Kooperation die Productivity-Anwendungen bereit. Aktuell ist dieser englischsprachige Dienst für KMUs wenig empfehlenswert. Ein Vorteil der 1&1-Lösung ist Kundennähe und ein deutsches Rechenzentrum.
IBM vertraut auf LotusLive
IBM entwickelt ihre Lösung weiter, scheint aber noch im Experimentierstadium zu stecken. Im Vergleich zu Microsoft Office 365 oder Google Apps for Business sind etwa Productivity-Funktionen nur als Beta-Ausführung vorhanden. Zudem hat IBM mit einem geringen Lotus-Notes-Kundenstamm im KMU-Bereich zu kämpfen. Für viele KMUs bedeutet eine Umstellung auf LotusLive mehr Schulungsaufwand.
Google Apps fehlt die Offline-Option
Google Apps for Business verfügen über ein breit gefächertes Portfolio. Das Angebot ist für den deutschen Mittelstand riskant, weil es keine On-Premise-Absicherung vorsieht. Problematisch ist auch die Informationspolitik des Anbieters zur Datenhaltung. Techconsult-Untersuchungen belegen, dass Anwender Google nicht als vertrauenswürdigen Provider für den Business-Einsatz erachten.
Techconsult empfiehlt Office 365
Microsoft punktet mit geringen Kosten und vielen Features, die andere Provider nur gegen Aufpreis bereit stellen. Das Unternehmen bietet Zukunftssicherheit und vielen KMUs Investitionsschutz, da sie vorhandene Systeme von Microsoft nicht unmittelbar ablösen müssen. Anwender sind mit den Tools vertraut, so dass kostspielige User-Testlaufreihen und Change-Management-Projekte entfallen. Microsoft Office 365 rechnet sich daher schneller. Hilfreich ist zudem, dass sich die Online-Suite um lokale Ressourcen ergänzen lässt und Clients mit dem vollwertigen Office Professional ausstatten lassen.
Die Einzelbewertungen im Überblick
Das hier dargestellte Bewertungsraster fast die Einzelbewertungen der Lösungsbestandteile zusammen. Dabei wurde jeder Anbieter in jedem Kriterium vor dem Hintergrund einer allumfassenden All-in-One-Lösung zur Zusammenarbeit aus der Cloud bewertet.

Den unbestrittenen Vorzügen stehen jedoch häufig noch Vorbehalte und diffuse Ängste im Zusammenhang mit dem Cloud-Konzept entgegen. So verweist ein Großteil der ITK-Verantwortlichen auf die erhöhte Abhängigkeit von der Verfügbarkeit des Internets sowie auf rechtliche Unsicherheiten und Sicherheitsbedenken als Hemmnisse für die Nutzung von Cloud-Diensten.

Die Sorgen der ITK-Verantwortlichen müssen natürlich ernst genommen werden. Gerade bei Basisanwendungen wie E-Mail und Telefonie sind die Anforderungen an Sicherheit und Verfügbarkeit besonders groß. Allerdings sollten sich die Anwender auch fragen, ob die TK-Anlage im eigenen Keller tatsächlich sicherer und zuverlässiger ist als eine Telefonielösung im Hochsicherheitsrechenzentrum eines Providers.

Mehrwertdienste sind gefragt

Anders als im Bereich der reinen Telefonie hat sich das Cloud-Modell bei Collaboration-Anwendungen wie Web- und Videoconferencing bereits etabliert. Fast jede vierte Anwendung in diesem Bereich wird heute aus der Cloud bereitgestellt. Und ein Fünftel der Unternehmen hält es für wahrscheinlich, in den nächsten zwei Jahren Collaboration-Anwendungen aus der Cloud zu nutzen.

Insbesondere Kleinstunternehmen setzen bei Web- und Videoconferencing auf das Cloud-Modell, denn die Vorteile kommen bei Collaboration-Lösungen voll zum Tragen: Die Technologieentwicklung in diesem Umfeld verläuft rasant, und die Anforderungen schwanken enorm. Hinzu kommt, dass viele Firmen noch wenig Erfahrung mit kollaborativen Anwendungen haben und erst einmal Pilotprojekte aufsetzen. Hier kann das Cloud-Modell durch seine hohe Flexibilität und Skalierbarkeit punkten.

Aus Sicht der Anwenderunternehmen machen es Cloud-Lösungen einfach, technisch immer auf dem neuesten Stand zu bleiben - angesichts der dynamischen Entwicklung bei Conferencing-Technologien ist das durchaus ein wichtiges Argument. Darüber hinaus ist Cloud Computing für die Unterstützung mobiler Nutzungsszenarien geradezu prädestiniert. Angesichts des Smartphone- und Tablet-Booms ist das von großer Bedeutung.

Webconferencing-Tools im Test
Für Online-Meeting, Webinar, Chat, Messenger und Desktop Sharing gibt es viele Tools. Wir stellen Grundlagen sowie elf Collaboration-Systeme vor.
Citrix GoToMeeting
Citrix GoToMeeting ist eine schlanke und intuitiv nutzbare Web-Konferenzlösung, die sich in Outlook und andere Microsoft-Office-Produkte integriert.
Adobe Connect Professional 8
"Adobe Connect 8" ist ein umfangreiches, übersichtlich gestaltetes Webconferencing-Tool. Die Lösung eignet sich für verschiedene Einsatzszenarien von virtueller Teamarbeit über Online-Demonstrationen bis zu Online Trainings.
Cisco WebEx Meeting Center 8.5
"Cisco WebEx Meeting Center" ist ein Web-Konferenz-Tool vom Marktführer für Ad-hoc-Meetings sowie geplante Online-Treffen.
Fastviewer confered
"Fastviewer" eignet sich als Web-Konferenzlösung für geplante und Ad-hoc-Web-Meetings. Das Tool bietet alle erforderlichen Basisfunktionen vom Screen-Sharing über die Whiteboard-Funktion bis zum Chat und der Übertragung von Dateien und ermöglicht so die Online-Zusammenarbeit virtueller Teams. Fastviewer ist ein deutscher Anbieter und wurde 2011 von Siemens Enterprise Communications übernommen.
BeamYourScreen 4.0
"BeamYourScreen" bietet mit Version 4.0 seines Web-Konferenzsystems ein übersichtliches und intuitiv nutzbares Tool. Alle verfügbaren Funktionen lassen sich in Meetings durch Profile anpassen. Das Werkzeug wird auch unter dem Namen "Mikogo" vertrieben, wobei der Unterschied zwischen beiden Varianten im Preismodell besteht.
TeamViewer 7
Der deutsche Anbieter Teamviewer ist vor allem mit seinen Tools für Remote Support und Fernwartungssoftware bekannt. Das gleichnamige Web-Konferenzwerkzeug wurde in den letzten Jahren funktional erweitert und verfügt seit der neuen Version 7 über alle wesentlichen Funktionen für Online-Meetings.
Saba Meeting
Charakteristisch für "Saba Meeting" ist das schnelle Aufsetzen von Meetings, die Verfügbarkeit grundlegender und wichtiger Funktionen sowie deren übersichtliche Anordnung.
PGi GlobalMeet
"PGi GlobalMeet" bietet als Online-Konferenzlösung alle Funktionen, die für die virtuelle Zusammenarbeit notwendig sind. Hersteller PGi liefert neben GlobalMeet weitere Webconferencing-Lösungen wie iMeet und vertreibt Produkte anderer Softwarehersteller wie Adobe Connect, Cisco WebEx und Microsoft Lync Online.
Skype
Skype zählt zu den Pionieren unter den Peer-to-Peer-Conferencing-Anwendungen. 2005 wurde das Unternehmen von Ebay übernommen, seit 2011 gehört es zu Microsoft. Nach wie vor agiert es allerdings unabhängig, über die Integration in andere Microsoft-Anwendungen gibt es bisher lediglich Spekulationen.
Spreed Meeting
"Spreed Meeting" ist ein kostenlos erhältliches Online-Meeting-Tool, das plattformübergreifend unter Windows, Linux und Mac OS X läuft.
Microsoft Lync Online
Microsoft bietet mit "Lync" (früher Office Communications Server) eine Messaging- und Conferencing-Lösung an, die sich insbesondere an mittlere und große Unternehmen richtet. Lync integriert sich eng in die Office-Anwendungen und wird vom Hersteller auch als Alternative für klassische Telefonanlagen positioniert.

Sensible Daten müssen im Unternehmen bleiben

Die Anforderungen an Cloud-basierende Telekommunikations-Services sind klar: Für 70 Prozent der Anwender ist der Verbleib von Verzeichnissen mit sensiblen Daten im Unternehmen ein absolutes Must-have. Rund 60 Prozent der Anwender bestehen darauf, dass sich das Rechenzentrum des Cloud-Providers in Deutschland befindet. Und die Mehrheit der Anwender akzeptiert keine Insellösungen, setzt also die Möglichkeit zur nahtlosen Integration der Cloud-Angebote in die ITK-Infrastruktur voraus.

Die Studienergebnisse machen aber auch deutlich, dass die Anbieter die Kostenvorteile ihrer Cloud-Lösungen deutlicher herausarbeiten müssen. Obwohl das Cloud-Modell in der Theorie signifikante Kostenvorteile verspricht, rechnet die Mehrheit der Anwender heute nicht mit Einsparungen gegen-über herkömmlichen Lösungen.

Zudem sollten die Anbieter in Sachen Integration nachbessern und umfassende Arbeitsplatzlösungen bereitstellen. Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass Unternehmen zwar skeptisch gegenüber reiner Cloud-Telefonie sind, gleichzeitig aber etwa jedes zweite Unternehmen Interesse an umfassenden UCC-Lösungen aus der Cloud hat. Bei diesen Diensten sind alle zentralen Anwendungen für Kommunikation und Zusammenarbeit wie Telefonie, E-Mail und Conferencing integriert. Die damit verbundene Komplexität geben viele IT-Entscheider offensichtlich gern ab, um sich noch stärker auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren. (mhr)