Hamburger IT-Strategietage 2012

Commerzbank-CIO: 5 Lektionen aus der Fusion

07.03.2012 von Kolja Kröger
Commerzbank-CIO und CIO des Jahres Peter Leukert erzählte auf den IT-Strategietagen, wie seine Mannschaft die grüne Dresdner Bank in die gelbe Commerzbank migriert hat. Und dabei überraschende Erkenntnisse gewann.

Die nächste Finanzkrise rollte auf die Commerzbank zu, nachdem sie schon nach der Lehmann-Pleite in Schieflage geraten war. Und so wirkt CIO Peter Leukert der Kraftakt, den er und eine IT-Mannschaft von rund 4500 Leuten bis Ostern 2011 gestemmt haben, fast schon historisch: Die Integration der Dresdner Bank in die Commerzbank, nachdem die gelbe Bank die grüne übernommen hatte. „Wir erzählen uns schon Heldengeschichten“, erzählte Leukert auf den Hamburger IT-Strategietagen, für deren Abschluss der CIO des Jahres 2011 als Keynote-Speaker eingeladen war.

Commerzbank-CIO und CIO des Jahres Peter Leukert auf den Hamburger IT-Strategietagen 2012.
Foto: Joachim Wendler

Und es sind beeindruckende Geschichten, die er erzählt. Wie am letzten Wochenende, Ostern 2011, gemeinsam in einer riesigen Halle eine 300-köpfige Mannschaft den größten Datenberg aus der grünen in die gelbe IT geschossen hat. Ein Kommandostand mit Führungskräften aus allen Bereichen hielt alles zusammen. „Sie können sich gar nicht vorstellen“, sagte Leukert, „was für eine Energie und Intensität in diesem Raum war, wie gut die Kommunikationskanäle waren, wenn man weiß, welcher Kollege wofür zuständig ist.“

2,5 Milliarden Euro an Kostensynergien habe der Commerzbank die Integration gebracht, für die sie einmalig 2,4 Milliarden ausgegeben hatte. 4500 Mitarbeitern aus 60 Ländern, extern und intern, bewegten Milliarden von Daten. Erst bereitete man die Systeme der Commerzbank auf die neuen Daten vor, zum Beispiel auf die Beibehaltung der grünen Kontonummern – damit die Kunden nicht zu anderen Geldinstituten rennen. Sie programmierten eine Migrationsmaschine mit acht Regalmetern Spezifikationen, und bauten die Maschine in Cobol. Nicht Java. „Es gibt für so große Datenmengen nicht, was so schnell ist wie GCCs auf einem großen Cobol“, sagte Leukert.

Fünf Lektionen lernte Leukert in diesem Projekt, manche erfreulich, manche schmerzhaft. Outsourcing-Verträge zurückdrehen stellte sich als schmerzhaft heraus. Und Leukert lernte: Die menschliche Architektur ist unendlich wichtiger als die Systemarchitektur. Das Vertrauen der „grünen“ IT-Mitarbeitern zu gewinnen, die von der Dresdner Bank kommen, und ihnen zu sagen, dass ihre Systeme größtenteils abgeschafft werden, war ebenfalls eine Herausforderung.

"Mischen impossible": 5 Lektionen aus der Fusion von Commerzbank und Dresdner Bank

  1. Geschwindigkeit ist entscheidend: „Lassen Sie sich nicht auf basisdemokratische Prozesse ein“, so Leukert. Frühzeitige Top-Down-Entscheidungen müssen sein, wie vom Vorstandschef der Commerzbank, Martin Blessing. Er ordnete die Auflösung der grünen IT an. Das hieß: Mischen impossible. Auch wenn überlegene Systeme abgeschaltet werden müssen, ein Nebeneinander von grüner und gelber IT hätte nur Chaos bedeutet. „Jeder kennt die alten Horrorfilme, mit so einem Homunkulus à la Frankenstein.“

  2. Komplexität beherrschbar machen: Das bedeutet auch Tests mit verschiedenen Szenarien. Wo lassen sich Schnitte machen, um Komplexität zu reduzieren? Und wo wären sie verheerend?

  3. Zentrale Steuerung nur von Engpassfaktoren, aber dezentrale Umsetzung: „Es gibt Manager, die noch an die Planwirtschaft glauben. Aber es funktioniert nicht“, so Peter Leukert. „ können nicht alle 4500 Leute controllen. Aber Sie können Leitplanken geben, empowern und enablen – und dadurch haben sie auch einen Bombenjob gemacht.“ Zentrale Steuerung gab es nur bei schwierigen Fällen. Er schickte seine besten Projektmanager immer dorthin, wo das Feuer gerade am hellsten brannte.

  4. Re-Insourcing ist schmerzhaft und aufwändig. Es erfordert überproportional hohen Managementaufwand, intensive Government-Anstrengungen notwendig. Denn die Outsourcing-Partner sind nicht begeistert, wenn man die Verträge mit ihnen beenden will. Das heißt für Leukert: Sourcing-Entscheidungen gut überdenken, aber nicht von vornherein ausschließen.

  5. Soziale Architektur ist unendlich wichtiger als Systemarchitektur: „Auf die Menschen kommt es an“, sagte Leukert. Die grünen IT-Mitarbeiter machten sich Sorgen um ihren Job, wenn ihre Systeme bald nicht mehr gebraucht werden. Auch wenn es nicht einfach war: Dies umschiffte die Commerzbank mit ihrem Fähigkeiten-basierten Karrieremodell. Der Trick: Schon vor der Integration fand die gelbe Bank Aufgaben für die neuen Kollegen, denen sie sich nach der IT-Integration widmen konnte. Dass Peter Leukert die Integration der Menschen gelungen ist, wertete er fast als seinen größten Erfolg. „Sonst stünde ich jetzt nicht hier.“

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO. (mhr)