Business-Software für den Mittelstand

Comarch greift mit SoftM-Kauf im ERP-Markt an

14.11.2008 von Frank Niemann
Das polnische Software- und Systemhaus Comarch aus Krakau erwirbt die Mehrheit am Münchner Business-Software-Anbieter SoftM. Comarch-Chef Janusz Filipaik will damit ins internationale Geschäft mit ERP-Lösungen für mittelständische Unternehmen einsteigen.

Bisher agiert Comarch vor allem in Polen und Osteuropa. Mit dem Kauf von SoftM will sich das Unternehmen einerseits Deutschland und andere Märkte erschließen, andererseits das Produktangebot verbreitern. Comarch entwickelt im Kundenauftrag Software für unterschiedliche Branchen, agiert als Systemhaus und vermarktet Standardsoftware für die Bereiche ERP, Business-Intelligence und Dokumenten-Management. Die Business-Applikationen richten sich vor allem an kleine Firmen mit bis zu 50 Mitarbeitern. Des Weiteren betreibt die polnische Firma Rechenzentren für Outsourcing-Kunden.

Comarch beschäftigt 3000 Mitarbeiter an 23 Standorten und ist in elf Ländern vertreten. Das letzte Geschäftsjahr schloss die Firma mit einem Umsatz von rund 154 Millionen Euro ab. Bei SoftM sind es 400 Mitarbeiter bei einem Jahresumsatz von 59,4 Millionen Euro (Geschäftsjahr 2007), davon entfielen gut 19 Millionen Euro auf Software. Ein Jahr zuvor waren es noch 83 Millionen Euro wegen eines Rückgangs im Systemintegrationsgeschäft. In den ersten beiden Quartalen dieses Jahres konnte SoftM zwar den Softwareumsatz steigern, der Konzernumsatz sackte jedoch ab.

SoftM war schon länger auf der Suche nach einem Partner, um die Softwareprodukte schneller weiterzuentwickeln und auch außerhalb Deutschlands an den Mann zu bringen. Erst kurzfristig kam es zu Gesprächen mit Comarch. Die Zusammenarbeit wird sowohl betriebswirtschaftliche Standardsoftware als auch das Systemgeschäft mit IT-Infrastruktur umfassen.

Wettbewerb für SAP, Microsoft und Sage?

SoftM bedient schwerpunktmäßig mittelständische Firmen. Neben Produkten für die System-i-Plattform (AS/400) von IBM wie der SoftM Suite spielen dabei die Java-basierenden Produkte "Semiramis" (ERP) und "Sharknex" (Rechnungswesen) die Hauptrolle. Bisher ist SoftM auf dem osteuropäischen Markt kaum vertreten. Über die bestehenden Vertriebskanäle und die des neuen Eigentümers sollen Semiramis und Sharknex nun auch überregional vermarktet werden.

Comarch-CEO Janusz Filipiak will SoftM als eigenständige Konzerntochter unter dem bisherigen Management weiterführen.

Aus beiden Unternehmen und deren Produkten soll ein Anbieter von Geschäftssoftware entstehen. Man hat sich viel vorgenommen: Der Hersteller will es mit Branchengrößen wie Sage, SAP und Microsoft aufnehmen. Der gemeinsame Jahresumsatz beider Aktiengesellschaften dürfte bei 200 Millionen Euro liegen. Auf dem deutschen Markt steht das Unternehmen darüber hinaus mit zahlreichen ERP-Spezialisten wie beispielsweise Abas und Proalpha in Wettbewerb.

Bis 2010, so der Plan, wollen beide Firmen im ERP-Markt für mittelständische Betriebe einen Umsatzanteil von 1,5 Prozent in Europa erzielen. Bis 2010 soll laut IDC der Gesamtmarkt auf 4,75 Milliarden Dollar angewachsen sein. Der Anteil von Comarch plus SoftM betrüge, wenn deren Strategie aufgeht, etwa 70 Millionen Dollar. Dies setzt aber voraus, dass sich die Partner- und Vertriebsstrukturen entsprechend etablieren und es gelingt, die Lösungen erfolgreich bei den Kunden einzuführen. Bisher können beide Firmen natürlich nur Absichtserklärungen vorweisen.

Semiramis-Entwicklungsstandorte bleiben erhalten

Nach SoftM-Angaben bleiben die Entwicklungsstandorte erhalten. Comarch-Experten sollen die Entwicklungsabteilungen bei SoftM unterstützen. Beispielsweise ist geplant, das Semiramis-Team um 15 Softwarespezialisten von Comarch zu verstärken. Eine Verlagerung von Entwicklungszentren ist nach Aussage von SoftM-CEO Franz Wiesholler nicht vorgesehen. Die SoftM Suite soll bestehen bleiben. Pläne, Produktlinien zusammenzuführen beziehungsweise neue zu entwickeln, gaben beide Firmen nicht bekannt.

Um Kunden in Osteuropa und künftig auch in den USA zu erreichen, wollen beide Firmen das Rechnungswesensystem Sharknex entsprechend ausprägen. Comarch selbst verfügt über kein vergleichbares Produkt für internationale Rechnungslegung.

ERP als Software-as-a-Service

Mit der Kapitalspritze von Comarch hofft SoftM-Chef Franz Wiesholler, ins europaweite ERP-Geschäft einsteigen zu können.

Auf dem deutschen Markt ist Comarch mit Niederlassungen in Dresden und Frankfurt/M vertreten. Zu den hier angebotenen Lösungen zählt das im On-Demand-Modell bereitgestellte ERP-Produkt "Altum".

SoftM hatte unlängst mit IBM eine Kooperation geschlossen, um Semiramis im On-Demand-Modus anzubieten. Diese Software richtet sich laut Hersteller jedoch an Mittelständler, während das Comarch-Produkt für kleine Firmen gedacht ist.

ERP-Deal umfasst elf Millionen Euro

Die Übernahme wird über eine Kapitalerhöhung der SoftM AG um 5 Millionen Euro sowie ein Angebot für Aktien der Teilhaber vollzogen. Insgesamt umfasst der Deal elf Millionen Euro. Comarch wird über 50 Prozent der Anteilscheine erwerben. Die Hauptaktionäre, darunter Firmengründer Hannes Merten, bleiben an SoftM beteiligt. Laut Comarch-Gründer und CEO Janusz Filipaik soll der SoftM-Vorstand bestehen bleiben, das Münchner Unternehmen als Konzerntochter führen und die bisherige Produktstrategie fortsetzen. Möglicherweise wird SoftM seinerseits Übernahmen anstreben. Nach Darstellung von Wiesholler gestatte die Kapitalerhöhung ein "anorganisches Wachstum".

Mit Comarch kauft sich bereits das zweite polnische IT-Unternehmen in den deutschen ERP-Markt ein. Im Jahr 2007 hatte das Software- und Systemhaus Asseco die Mehrheit am Softwareanbieter AP AG erworben.