Platz 2 beim Database-Award - Berenberg Bank

Cobol war gestern

17.06.2010 von Holger Eriksdotter
Die Hamburger Privatbank Berenberg wurde für ihr Projekt zur Migration der selbstentwickelten Legacy-Applikationen auf eine moderne Datenbank-basierte Lösung mit dem zweiten Platz des Database-Awards von CIO und Computerwoche ausgezeichnet. Dreh- und Angelpunkt des Projekts war die Umstellung des Cobol-Codes auf PL/SQL und die Verlagerung aller Sicherheitsmechanismen und der gesamten Prozesslogik auf die Datenbankebene.
Die Berenberg Bank in Hamburg ist über 420 Jahre alt. Selbst die Kantine huldigt dem Gründerjahr 1590 mit seinem Namen.

Die Berenberg Bank in Hamburg wurde 1590 gegründet und ist damit nicht nur Deutschlands älteste Privatbank, sondern auch eine der ältesten Banken der Welt. Mit über 900 Mitarbeitern an neun deutschen und sieben ausländischen Standorten ist das Geldinstitut heute in den Bereichen Private Banking, Investment Banking, Asset Management und Commercial Banking tätig.

Datenbank-basiertes System im Einsatz

Durch das stetige Wachstum der Bank und die extrem angewachsene Zahl an Transaktionen stieß die vorhandene IT-Infrastruktur allmählich an ihre Grenzen. Vor allem die nächtliche Batch-Verarbeitung machte der IT-Abteilung zu schaffen. Deshalb ist die Berenberg-Bank dabei, im Zuge eines groß angelegten Migrationsprozesses die Legacy-Applikationen auf ein Datenbank-basiertes System umzustellen. Der Cobol-Code der Altsysteme wird auf PL/SQL umgestellt und die Prozesslogik auf die Datenbankebene verlagert.

Die Projektleiter Andriy Terletskyy und Michael Mayer im Video:

Dabei ging es keineswegs nur darum, die Applikationen eins zu eins auf eine neue Plattform zu übertragen. Berenberg hat die Gelegenheit genutzt, um die komplette Prozesslandschaft umzustellen: "Wir haben nicht einfach die Funktionalitäten des Altsystems portiert, sondern gleichzeitig die Prozesse einer Revision unterzogen und optimiert", sagt Andriy Terletskyy, Prokurist und leitender Datenbankarchitekt bei Berenberg. "Das neue System haben wir von Grund auf neu geplant und konnten so von Anfang an alle relevanten Anforderungen wie Hochverfügbarkeit, Sicherheit, Berechtigungsverwaltung oder Transaktionsgeschwindigkeit berücksichtigen."

"Wir haben nicht einfach die Funktionalitäten des Altsystems portiert, sondern gleichzeitig die Prozesse einer Revision unterzogen und optimiert." Andriy Terletskyy, Prokurist und leitender Datenbankarchitekt bei Berenberg.

Das System für den Wertpapierhandel ist bereits komplett umgestellt und hat das in vielen Teilen noch Papier-basierte Altsystem abgelöst: "Bei der alten Lösung wurde die Order noch ausgedruckt, der Händler gab sie per Hand ins Handelssystem ein und dokumentierte manuell den Abschluss. Abends wurden alle abgewickelten Aufträge wiederum per Hand in das Buchungssystem eingegeben und nachts per Batch-Verarbeitung verbucht", blickt Terletskyy zurück. Heute sorgt das neue System dafür, dass die Order digital an den Händler übertragen wird, der den Abschluss am System ausführt; die abgewickelten Aufträge fließen automatisch in das Buchungssystem. "Das neue System arbeitet in Echtzeit. Damit können wir jetzt erheblich höhere Ordervolumen abwickeln und real-time unseren Partnern zur Verfügung stellen", sagt Terletskyy.

Berenberg Bank mit "sehr individuellem Service" (CIO Gerd Simon)

Mehr als 80 Prozent der Applikationen des Geldinstituts sind Eigenentwicklungen, die zum großen Teil aus Cobol-Code bestanden. Standard-Applikationen genügen den hohen Ansprüchen der Privatbank in den meisten Fällen nicht. "Wir verbinden die über Jahrhunderte gewachsene Unternehmenskultur mit innovativen Ideen, besonderem Engagement und einem sehr individuellen Service", sagt Berenberg-Direktor und CIO Gerd Simon, "gerade dafür ist modernste Technik im Hintergrund nötig - auch um uns vom Wettbewerb zu unterscheiden." Allein bei der Applikation für den Wertpapierhandel sind monatliche Release-Updates üblich. "Die Anbieter von Standard-Software können in der Regel weder eine solche Innovationsgeschwindigkeit noch das Maß an individueller Ausprägung anbieten, das für unser spezielles Geschäft nötig ist."

"Wenn sich dann ein Änderungsbedarf ergibt muss nur ein einziges Modul angepasst werden und die Änderung steht zentral für alle Sachgebiete zur Verfügung". Michael Meyer, Prokurist und leitender Datenbankarchitekt bei Berenberg.

Durch die Migration auf das Datenbank-basierte System ist es jetzt noch einfacher geworden, Programme an die sich ständig ändernde Anforderungen anzupassen. So wird die Business-Logik jetzt zentral in Komponenten abgebildet, die jeweils nur einmal programmiert werden müssen. "Es gibt etwa Komponenten zum Zinsabschluss, ein Modul, das das Gebührenmodell der Bank abbildet, eine Komponente zur Bonusberechnung und ein Modul, das zentral alle Geldbuchungen der Bank verwaltet", erläutert Michael Meyer, Prokurist und leitender Datenbankarchitekt bei Berenberg. "Wenn sich dann ein Änderungsbedarf ergibt - Stichwort Abgeltungssteuer - muss nur ein einziges Modul angepasst werden und die Änderung steht zentral für alle Sachgebiete zur Verfügung." Insgesamt ist bisher rund die Hälfte der Applikationen auf das Datenbank-System migriert. Die komplette Ablösung der Cobol-Altsysteme soll bis Ende 2012 abgeschlossen sein.

"Viele Unternehmen - besonders der Finanzwirtschaft - stehen vor der Herausforderung, ihre Legacy-Systeme auf moderne Architekturen zu migrieren", sagt Matthias Weiss, Direktor Mittelstand Technologie bei Oracle und Mitglied der Database-Award-Jury. "Wir haben das Projekt der Berenberg Bank deswegen ausgezeichnet, weil es beispielhaft zeigt, wie mit einem Datenbank-basierten System gleichzeitig eine durchgehende Prozessoptimierung und eine zukunftsfähige IT-Architektur realisiert werden können."

Wachstum trotz Krise

Für die Bank jedenfalls scheint sich das Konzept der Individual-Applikationen und permanenten technischen Innovation auszuzahlen: "Weil wir uns als Dienstleister und Problemlöser für den Kunden verstehen, konnten wir selbst in einem schwierigen Umfeld wie 2009 ein deutliches Wachstum verzeichnen" sagt Direktor Simon. Im letzten Jahr ist das verwaltete Vermögen um acht Prozent auf 22 Mrd. Euro gestiegen, und der Jahresüberschuss von 65 Millionen Euro (Eigenkapitalrendite: 53 Prozent) war das beste Ergebnis der 420-jährigen Firmengeschichte.

Platz 2: Berenberg Bank löst seine Cobol-Anwendungen ab

Platz 2 zwei errang die Berenberg Bank, die älteste Privatbank in Deutschland. Sie löste ihre Cobol-basierten Anwendungen ab und nutzt nun eine relationale Datenbank. Sowohl das Kernbanksystem als auch das Wertpapiersystem profitieren von der dazu gewonnenen Flexibilität. So kann die Hamburger Bank noch besser als zuvor IT-Sonderwünsche erfüllen - eine insbesondere für die solventen Kunden der Bank wichtige Eigenschaft.