Coaching: Korrektiv für Manager

17.01.2008 von Susanne  Rausch
Manager sind extremem Druck ausgesetzt. Je höher sie in der Unternehmenshierarchie steigen, umso weniger Menschen sagen ihnen die Meinung. Darum suchen sie sich einen externen Coach als Sparringspartner.

Der IT-Spezialist Hermann R. verantwortete in einer Großbank ein weichenstellendes Projekt. Danach wurde er befördert, erhielt viele Anrufe von Headhuntern und zahlreiche lukrative Jobangebote. Mittlerweile ist er auf der ersten Führungsebene bei einer internationalen Sachversicherung gelandet, drei Fusionen hat er schadlos überstanden. Eigentlich könnte er zufrieden sein – wenn da nicht dieses merkwürdige Gefühl wäre.

Einsam an der Spitze?

So wie Hermann R. geht es vielen, die die Karriereleiter bis an die Spitze eines Unternehmens erklommen haben: Sie spüren, dass die Luft dünn geworden ist. An die Stelle von kollegialem Austausch und konstruktiver Auseinandersetzung ist Einsamkeit getreten. Die Kollegen von früher, auf die man sich verlassen, denen man vertrauen konnte und die einem auch mal ihre Meinung gesagt haben, hat man hinter sich gelassen. Heute heißt es: Vorsichtig sein, auf keinen Fall eigene Probleme ansprechen, Bedenken anmelden oder Zweifel äußern - dies alles könnte als Schwäche ausgelegt werden.

Wie sollen Spitzen-Manager Höchstleistungen erzielen, wenn ihnen das nötige Korrektiv fehlt? Wie sollen sie aus der sozialen Isolation, in einem "rückmeldearmen" und feindlichen Umfeld komplexe Sachverhalte richtig beurteilen und entsprechende Entscheidungen treffen können? Schließlich sind Rückmeldungen – in welcher Form auch immer: Anerkennung, Anregung oder Kritik – hierfür unerlässlich. Darum suchen sich Manager einen geeigneten Sparringspartner, den Executive Coach, der sie unterstützt und auch durch Krisen begleitet.

Kommunizieren in der Krise

Dass sich der Austausch mit einem Coach in Krisensituationen bewährt, hat der promovierte Diplominformatiker Laurenz A. zu einem Zeitpunkt erfahren, als er glaubte, durchatmen zu können. A. war ehrgeizig und strebte eine Position an der Spitze eines Unternehmens an. Nach einigen harten Jahren hatte er sein Ziel erreicht und war CIO eines großen Telekommunikationsanbieters. Noch ehe er seine Antrittsrede fertig ausgearbeitet hatte, holte ihn die Realität ein: Gerüchte waren am Markt aufgekommen, die Medien sprangen sofort an, und die Börse reagierte sogleich mit einem erdrutschartigen Tief. Laurenz A., der wie viele andere IT-Profis weder ein gewandter Redner noch in Diskussionen besonders schlagfertig ist, muss sich zeigen, in Interviews und auf Pressekonferenzen Stellung beziehen. Er weiß, dass jedes Wort von ihm auf die Waagschale gelegt und genau interpretiert werden wird. Darum holt er sich bei einem ihm bekannten Executive Coach Unterstützung, um die Situation gemeinsam zu analysieren, eine Kommunikationsstrategie zu entwickeln und sich auf die Situationen gezielt vorzubereiten.

Wenn Mitarbeiter bunkern

Lothar W. hatte seine neue Aufgabe als Geschäftsführer eines mittelständischen IT–Dienstleisters voller Tatendrang aufgenommen. Er wusste, dass er sich schnellstmöglich in die neue Aufgabe und Umgebung einfinden musste. Aber bereits die ersten Gespräche mit seinen Mitarbeitern zeigten ihm, dass es nicht einfach werden würde: Da wurde problematisiert, bagatellisiert und gebunkert. Am schwierigsten gestaltete sich die Zusammenarbeit mit dem kaufmännischen Geschäftsführer. Schon nach kurzer Zeit fühlte sich W. ausgebrannt und hilflos. Die bisherigen Herausforderungen in seinem Berufsleben hatte er immer aufgrund seiner hohen Fach- und Problemlösungskompetenz bravourös meistern können – hier halfen sie ihm nicht weiter. Da er nicht wusste, wem er sich anvertrauen sollte, suchte er Rat bei einem befreundeten Anwalt, der ihm einen Coach empfahl.

Beim ersten "unverbindlichen" Treffen stellte W. überrascht fest, wie er sich allmählich besser fühlte. Den Fragen und Ausführungen der Beraterin konnte er entnehmen, dass sie seine Situation sehr gut erfasste. Seine kritischen Fragen beantwortete die Beraterin geduldig, klar und präzise. Deutlich wies sie darauf hin, dass die gemeinsame Arbeit im Coaching von beiden Seiten ein Höchstmaß an Engagement und Verbindlichkeit erfordere.

Wie gehe ich mit Macht um?

Die Probleme, die Lothar W. mit seinem Geschäftsführungskollegen hatte, scheinen symptomatisch für IT-Profis, die sich unter anderem aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur und ihres Kommunikationsverhaltens, ihrer Art, sich mit Sachverhalten auseinanderzusetzen und ihrer Denkweise in vielerlei Hinsicht von anderen unterscheiden. Der Umgang mit Emotionen und nicht zuletzt mit Macht, der auf höchster Ebene mitunter entscheidend sein kann, gehört nicht zu ihren Stärken. Wenn es um technisches Wissen geht, sind sie unschlagbar, aber mit den Soft Skills tun sie sich eher schwer. Treffen nun zwei unterschiedliche Charaktere auf höchster Führungsebene aufeinander, ist der Konflikt oft programmiert. Dieser Zwist pflanzt sich oft bis in die untersten Ebenen der Organisation fort, und das Unternehmen ist in seiner Leistungsfähigkeit geschwächt. Die Mitglieder des Topmanagements müssen keine Freunde sein, aber sie sollten in wichtigen Belangen des Unternehmens an einem Strang ziehen. Wenn unterschiedliche Erwartungen und Einstellungen zwischen den Beteiligten unausgesprochen bleiben, sind sie einer Steuerung entzogen und führen zu unterschwelligen Konflikten bis hin zur offenen Eskalation.

Was Coaching leisten kann

Auch in solchen Fällen hat sich Executive Coaching vielfach bewährt. Es hilft den Kontrahenten, die Differenzen konstruktiv anzugehen und einen Nenner zu finden sowie unterschiedliche Positionen zu integrieren. Das Ziel des Coachings wird darin bestehen, die Arbeitsfähigkeit des Vorstands oder der Geschäftsführung sicher- beziehungsweise wiederherzustellen. Dies bedeutet, die Probleme aus der jeweils eigenen Sicht möglichst konkret zu benennen. Im nächsten Schritt suchen die Beteiligten nach für beide Seiten akzeptablen und tragfähigen Lösungen. Möglicherweise wird man sich auch mit dem Thema Macht auseinandersetzen müssen. Unverzichtbar ist es, dass die beiden Protagonisten sich als ein System erkennen. Ein weiteres Ziel ist es, die Voraussetzungen für eine neue Form des Zusammenspiels zu erarbeiten: Beide sollen eine belastbare innere Einheit bilden, die positiv nach innen und außen wirkt und die in einem unsicheren Marktumfeld sich selbst und das Unternehmen kompetent steuert.

Zur weiteren Lektüre empfehlen wir "Erfolgreich durch Coaching: Vier Tipps für die Beratersuche". (am)

Inhalte und Ablauf eines Coachings

Nach der anfänglichen Situationsanalyse - Welches Anliegen hat der Ratsuchende, welche persönlichen und beruflichen Ziele verfolgt er- kann es in regelmäßigen Sitzungen um Themen gehen wie:

  • Reflexion des Führungsverständnisses und -verhaltens

  • Überprüfung und Weiterentwicklung der eigenen Führungskompetenz;

  • individuelle Positionierung als Führungskraft;

  • besseres Kommunikations- und Konfliktverhalten;

  • Selbstpräsentation und –Management.

Coaching will mentale Blockaden lösen, Potenziale identifizieren, Handlungsalternativen entwickeln, neue Verhaltensweisen trainieren, Aktivitätenpläne erstellen und die Umsetzung der gesetzten Ziele begleiten. Weitere Inhalte können sein:

  • Erarbeiten einer Krisenkommunikation;

  • Entscheidungsunterstützung;

  • Vorbereitung auf schwierige Führungssituationen

  • Einstellen auf Veränderungen, neue Aufgaben und Situationen;

  • Burnout-Gefahr;

  • Work-Life-Balance

Ein guter Executive Coach verfügt über einschlägige eigene Erfahrung und die nötige Distanz. Er ist weder betroffen (wie ein Familienmitglied) noch beteiligt (wie Kollegen) und hat nur einen einzigen Auftraggeber, dem er verpflichtet ist: seinen Klienten. Wie ein Trainer im Sport führt der Coach den Manager an Schmerzgrenzen heran und hilft ihm, das eigene Potenzial voll auszuschöpfen. Anders als im Sport jedoch wirkt der Coach im Verborgenen – Diskretion ist oberstes Gebot und Basis für die Zusammenarbeit.