CIO meets CEO

"Cloud ist bisher nur ein CeBIT-fähiges Schlagwort"

22.09.2009 von Christoph Witte
Chittur Ramakrishnan, CIO des Energieversorgers RWE, und Jürgen Kunz, General Manager von Oracle Deutschland, diskutieren im CW-Gipfelgespräch über ihre Prioritäten, Cloud Computing und die Rolle der IT-Hersteller.

CW: Welche Prioritäten haben Sie sich in den nächsten 18 bis 24 Monaten gesetzt?

RAMAKRISHNAN: Kosteneffizienz. Weniger Komplexität. Mehr Wertbeitrag. Wir werden uns in den nächsten ein bis zwei Jahre weiterhin kontinuierlich mit dem Thema IT-Effizienz auseinandersetzen oder besser mit der Frage: Welchen Beitrag liefert die IT zur Effizienz des Unternehmens? Außerdem stehen wir vor der Aufgabe, die gesamte Anwendungslandschaft zu konsolidieren und ihre Komplexität kräftig zu reduzieren. Wir müssen auch für eine leicht verständliche Anwendungslandschaft sorgen und auf eine optimale Unterstützung unserer Prozesse hinarbeiten. Das können wir natürlich nicht allein, die Fachbereiche müssen auch an Ihrer Prozesseffizienz arbeiten. Die Darstellung des IT-Wertbeitrages stellt unsere dritte Priorität dar. Wir wollen deutlicher herausarbeiten, wie gut die IT das Geschäft unterstützt. Da geht es auch um die Frage, ob wir dem Unternehmen nur helfen können, indem wir die IT-Kosten senken oder wir das Business nicht sogar besser unterstützen, wenn wir Werkzeuge anbieten, die das Geschäft selbst wettbewerbstauglicher machen.

RWE-CIO trifft Oracle-Manager
Chittur Ramakrishnan (rechts) und Jürgen Kunz
Chittur Ramakrishnan, CIO des Energieversorgers RWE und Jürgen Kunz, General Manager von Oracle Deutschland trafen sich zum CW-Gipfelgespräch. Sie diskutierten ihre unterschiedlichen Prioritäten, die Rolle der IT-Hersteller und die Zukunft von Software-as-a-Service sowie von Cloud Computing. (Foto: Joachim Wendler)
Chittur Ramakrishnan, CIO des Energieversorgers RWE
Wir werden uns in den nächsten ein bis zwei Jahren weiterhin kontinuierlich mit dem Thema IT-Effizienz auseinandersetzen oder besser mit der Frage: Welchen Beitrag liefert die IT zur Effizienz des Unternehmens? (Foto: Joachim Wendler)
Jürgen Kunz, General Manager von Oracle Deutschland
Natürlich richten wir uns nach dem, was unsere Kunden planen. Aus unserer Sicht ist neben der Operational Excellence die Verringerung der Komplexität einer der wichtigen Treiber. (Foto: Joachim Wendler)
Chittur Ramakrishnan, CIO des Energieversorgers RWE
Die IT muss das Kerngeschäft auch mit Innovationen unterstützen. (Foto: Joachim Wendler)
Jürgen Kunz, General Manager von Oracle Deutschland
Für uns liegt die Herausforderung darin, Kunden standardisierte, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Lösungen anzubieten, die aber gleichzeitig flexibel sind. (Foto: Joachim Wendler)
Chittur Ramakrishnan, CIO des Energieversorgers RWE
Beim Thema Effizienz, vor allem in der Infrastruktur, haben uns die Vendoren durchaus geholfen. Auf der Komplexitäts- und Anwendungsseite können wir das ein bisschen vertiefen. (Foto: Joachim Wendler)
Jürgen Kunz, General Manager von Oracle Deutschland
Ich glaube, die Fähigkeiten von SaaS und Cloud sind relativ klar kommuniziert, aber es ist bisher nicht einfach genug anzuwenden. (Foto: Joachim Wendler)
Chittur Ramakrishnan, CIO des Energieversorgers RWE
Bis jetzt ist Cloud Computing nicht mehr als ein Schlagwort, eine Fassade; das Gebäude dahinter ist noch nicht errichtet. Cloud ist bisher nur ein CeBIT-fähiges Schlagwort, aber noch nicht anwendertauglich. (Foto: Joachim Wendler)

Oracle: Komplexität verringern

CW: Herr Kunz, was hat Oracle vor? Gibt es da Überschneidungen mit den Plänen von Herr Ramakrishnan?

KUNZ: Natürlich richten wir uns nach dem, was unsere Kunden planen. Aus unserer Sicht ist neben der Operational Excellence die Verringerung der Komplexität einer der wichtigen Treiber. Wir wollen in dieser Hinsicht ein komplettes Portfolio anbieten, das Ihren Anforderungen nicht nur in puncto Features and Functions gerecht wird, sondern auch aus der Prozesssicht, damit wollen wir einen Wertbeitrag leisten. Allerdings reicht ein komplettes Angebot nicht aus. Unsere Produkte müssen sich auch in bestehende IT-Landschaften integrieren und deshalb offenen Standards genügen. Schließlich kann niemand mehr davon ausgehen, beim Anwender der einzige Lieferant zu sein. Wenn Sie die verschiedenen Themenfelder betrachten, Infrastrukturthemen, Middleware-Integration oder Standard-Applikationen, dann müssen wir am Ende des Tages wirklich dem Wertesystem des Anwenders gerecht werden. Für uns könnte die Überschrift daher lauten Konsolidierung und Konzentration.

IT muss Innovationen unterstützen

RAMAKRISHNAN: Ich möchte noch einen Punkt zu meiner Prioritätenliste hinzufügen. IT muss das Kerngeschäft auch mit Innovationen unterstützen. Beispielsweise laufen zurzeit zwei wichtige Pilotprojekte im Unternehmen: Smart Metering und Smart Home. Dabei geht es zum einen um intelligente Stromableser, die den Energiebedarf der unterschiedlichen Geräte exakt messen und zum anderen um die Energiesteuerung im Haus. Mit Hilfe der Steuerung können die Bewohner beispielsweise entscheiden, in welchen Zeiträumen, welche elektrischen Geräte vom Standby-Modus ganz vom Netz genommen werden sollen. Gesteuert und abgelesen werden die Zähler über spezielle Websites. Zurzeit führen wir ein Pilotprojekt im Raum Mülheim durch mit etwa 100 000 Haushalten.

Da sind wir natürlich auch von der IT gefordert, weil wir diese Anwendungen zur Verfügung stellen müssen, inklusive der Web-Oberfläche. Es geht also nicht nur um den Wertbeitrag. Die IT ist auch aufgefordert zu helfen, wenn das Geschäft innovative Projekte aufsetzt. Dabei sind wir übrigens auf Hilfe aus der IT-Szene angewiesen. Solche Anwendungen entwickeln wir nicht auf Vorrat.

KUNZ: Das meinen wir unter anderem, wenn wir von Flexibilität sprechen. Sie betreiben ja bei weitem nicht nur Standard-Anwendungen. Sie innovieren, wie Sie erzählt haben und werden andererseits auch vom Gesetzgeber durch neue Compliance-Regeln (De-Regulierung) getrieben, bestimmte Prozesse zu verändern. Für uns liegt die Herausforderung deshalb darin, Ihnen standardisierte, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Lösungen anzubieten, die aber gleichzeitig flexibel sind.

RAMAKRISHNAN: Beim Thema Effizienz, vor allem in der Infrastruktur haben uns die Vendoren durchaus geholfen. Auf der Komplexitäts- und Anwendungsseite können wir das ein bisschen vertiefen. Sie hatten gesagt, dass sich Komplexität auch reduzieren lässt, wenn man sich auf weniger Anbieter konzentriert. Als Anwender wollen wir natürlich nicht nur auf einen Hersteller setzen, sondern wir überlegen im Gegenteil, ob wir nicht ein Stück Komplexität aus der ganzen Geschichte herausnehmen, wenn wir uns auf Lösungen mehrerer Lieferanten verlassen. Schließlich bringt das mehr Flexibilität und vielleicht ist es sogar einfacher, weil die ganze Systemlandschaft durch die Nutzung verschiedener Applikationen besser definiert ist. Beziehen wir alles von einem Hersteller, setzen wir uns zu sehr dem Risiko der Abhängigkeit aus. Die Fachbereiche fragen auch immer: `Warum macht ihr immer alles mit einem Hersteller, vielleicht lassen sich Dinge schneller erledigen, wenn ihr Lösungen verschiedener Vendoren einsetzt`. Daher wünschte ich mir eine bessere Antwort auf die Frage, wie man Komplexität herausnehmen und dabei gleichzeitig die Anzahl der Applikationen reduzieren kann. Allein dadurch sinkt die Komplexität bereits beträchtlich.

Knackpunkt IT-Integration

KUNZ: Selbstverständlich wird kein Anbieter Nein sagen, wenn ein Anwender alles von ihm beziehen will. Aber das ist in der Realität nicht der Fall. Viele Unternehmen unterhalten eine viel weniger standardisierte IT-Landschaft als allgemein angenommen. Also ist es eine wichtige Eingangsvoraussetzung, dass sich unsere Lösungen in bestehende, heterogene Landschaften einpassen. Wenn wir mit Kunden über neue Projekte sprechen, fragen wir immer nach ihren Kernprozessen und wie sie sich vom Wettbewerb differenzieren wollen. Nach diesen Anforderungen richten wir uns und klären natürlich, ob wir sie im vorgegebenen Zeit- und Geldbudget realisieren können. Und natürlich müssen wir die Frage beantworten, wie sie optimal in die Gesamtarchitektur passt. Dabei verstehen wir den vielzitierten Ausdruck Best of Breed nicht so, dass wir noch eine weitere Applikation einführen, sondern die Lösungen die Kernprozesse unterstützen. Das heißt aber auch, bestehende Systeme mitnehmen zu können und, wenn nötig, schrittweise in eine neue Architektur zu übernehmen. Heute ist es ein absolutes Unding für die Implementierung einer kompletten Suite inklusiver der Integration vier Jahre zu benötigen. In der Zeit haben sich die Geschäftsprozesse des Kunden schon mehrmals verändert. Der Vendor muss in der Lage sein, eine Integrationsplattform zur Verfügung zu stellen und Drittsoftware wirklich zu integrieren.

CW: Dennoch trachten die großen Softwarehäuser danach, den kompletten Software-Stack zu beherrschen. Deshalb scheint mir die Standardantwort der großen IT-Lieferanten auf die Frage nach geringerer Komplexität schon folgende zu sein: Nimm uns als strategischer Vendor und wir flanschen dann den Rest an.

KUNZ: Der Trend geht weg von einer horizontalen Betrachtungsweise, die beispielsweise nur die Applikationsschicht sieht. Die eigentliche Herausforderung bietet die vertikale Sicht. Die wichtigere Frage lautet: Welche Infrastrukturplattform benötige ich, um bestimmte Prozesse optimal zu unterstützen. Nehmen Sie das Smart-Metering als Beispiel: Sie werden eine moderne CRM-Funktion benötigen, um ihren Kunden den Service überhaupt bieten zu können. Außerdem müssen Sie mit einem enormen Datenvolumen rechnen, dass Sie aufgrund der Interaktivität der Applikation generieren. Darunter brauchen Sie eine Plattform, die das managen kann. Das heißt, Sie benötigen bestimmte Services, die sie dem Kunden zur Verfügung stellen müssen, das ist keine Frage der tiefen Integration einzelner Module. Sie gehen immer vom Kernprozess aus, der sie treibt und den schauen sie vertikal an. Die Frage ob ein HR-Prozess mit der CRM-Applikation in einer Suite hochintegriert ist, interessiert sie dabei nicht mehr. Vertikal zu integrieren heißt heute die Devise, bis hinein in die Hardware-Plattform. Nur so lassen sich wirklich performante Lösungen bauen, die mit Herausforderungen fertig werden, wie Herr Ramakrishnan sie eben geschildert hat.

Standardsoftware versus Individualentwicklung

RAMAKRISHNAN: Gesetzt den Fall, dass wir uns im Konzern für eine Software-Plattform entschieden haben, mit der wir eine Lösung realisieren wollen, aber sich eine bestimmte Funktionalität mit besagter Grundsoftware nicht erstellen lässt, ohne die Komplexität enorm in die Höhe zu treiben, empfiehlt Ihr Unternehmen dann die Software eines anderen Herstellers? Konkret bereitet mir ein Projekt in England Kopfzerbrechen. Dort arbeiten wir im EVU-Umfeld an einer Lösung, die mit CRM und mit Billing zu tun hat. Allerdings sind in England Stromzähler mit Prepaid-Funktion sehr verbreitet, ganz ähnlich einer Prepaid-Karte für das mobile Telefon. Sie transferieren eine bestimmte Summe auf die Karte, schieben Sie in den Stromzähler und können dann für die entsprechende Summe Strom verbrauchen. Dafür gibt es keine Standardlösung. Deshalb diese etwas ungewöhnliche Frage.

KUNZ: So dass man nicht noch zusätzlich einen Berater oder Systemintegrator braucht, der einem so etwas baut und integriert, meinen Sie?

RAMAKRISHNAN: Der könnte das sicher bauen, aber nachher ist er nicht mehr da und ich habe die aufwändige Pflege einer weiteren Applikation am Hals, in die dann auch wieder Verschiedenes integriert werden muss.

KUNZ: Die Frage ist, ob diese Funktionalität nur von Ihnen gebraucht wird oder auch von anderen EVUs. Wenn das der Fall ist, können wir uns gut vorstellen, einen solchen Service standardisiert und on demand bereitzustellen. Auf diese Weise würden Sie die Komplexität ihrer Anwendungslandschaft nicht weiter erhöhen und diese Software nicht selbst zu betreiben. Das ist für mich der nächste logische Schritt. Services, die nicht den Kernprozess betreffen, können durchaus im On-Demand-Verfahren den Kunden zur Verfügung gestellt werden - standardkonform, aber durchaus den Bedürfnissen des Kunden angepasst.

SaaS und Cloud Computing

CW: Das On-Demand-Thema treibt offensichtlich fast alle Softwareanbieter um. Aber erhöht das die Abhängigkeit der Anwender nicht noch weiter. Denn der Anbieter wird die Services schließlich auf Basis seines eigenen Software-Stack anbieten.

KUNZ: Am Ende muss der Kunde das Risiko bewerten, dessen Größe zum Beispiel auch davon abhängt, ob der Prozess irgendwann wieder vom Unternehmen selbst erledigt werden soll, oder wie sich dieses Geschäftsmodell entwickelt. Aber als Lieferant erkennen wir durchaus die Pflicht, solche spezifischen Services anzubieten, die von mehreren Firmen einer Branche nachgefragt werden.

RAMAKRISHNAN: Sie sprechen von Software as a Service (SaaS). Ich hätte mir gewünscht, dass das Thema besser gegriffen hätte. Vielleicht liegt der Grund ganz einfach in den unterschiedlichen Vorstellungen, die Anbieter und Anwender davon entwickelt haben. Ich war in puncto SaaS jedenfalls folgender Meinung: Super, jetzt brauche ich keine Word-Lizenzen mehr zu kaufen. Jedes Mal wenn ich einen Brief schreiben will, lade ich den Service vom Netz, schreibe und fertig. Für diese Nutzung zahle ich dann einen tausendstel Dollar oder ich zahle für 1000 Dokumente oder 1000 Powerpoint-Charts. Das hätte ich als sehr wohltuend empfunden, weil so ganz nebenbei die Powerpoint-Flut eingeschränkt worden wäre. Anstatt Lizenzen hätten wir quasi Nutzungsrechte gekauft. Außerdem haben die Vendoren es versäumt, das Angebot einfach und transparent zu gestalten. Die Kunden wissen bis heute nicht genau, wie die Sache funktioniert, und was sie gegenüber dem Vor-Ort-Modell genau bringt - nicht nur in monetärer Hinsicht, sondern auch beispielsweise in Fragen der Sicherheit, die für uns als Konzern eine enorme Rolle spielt.

KUNZ: Ich glaube, die Fähigkeiten von SaaS und Cloud sind relativ klar kommuniziert, aber es ist bisher nicht einfach genug anzuwenden. Um wirklich für Furore zu sorgen, muss es out of the box nutzbar sein. SaaS-Angebote tragen schon heute zur Reduktion der Komplexität bei. Allerdings müssen Anbieter auch hier die Themen vertikal verstehen, um echten Nutzen zu bieten. Sie müssen nicht nur die Applikation bereitstellen, sondern, damit es ein echter Service wird, sie müssen auch für Infrastruktur und Plattform sorgen, auf denen die Applikationen laufen.

Skepsis gegenüber der Cloud

CW: Liegt die geringe Akzeptanz nicht an dem intransparenten Nutzen, an der Preisgestaltung und an dem Betreibermodell? Hat die IT-Industrie mit Cloud und SaaS nicht wieder einen Trend ausgerufen, den sie noch nicht bedienen kann. SaaS begleitet uns schon einige Jahre, ohne dass sich diese Art der Bereitstellung wirklich durchgesetzt hat. Jetzt wird mit Cloud der nächste Trend ausgerufen, ohne dass Sie die SaaS-Versprechen erfüllt hätten. Herr Ramakrishnan hat gerade ausgeführt, dass der SaaS-Zug ohne ihn abgefahren ist, weil das Leistungsversprechen unklar und nicht befriedigt werden konnte. Ist das so eine Krankheit der IT-Industrie, Trends zu früh auszurufen und dann irgendwann einfach fallen zu lassen?

KUNZ: Am Ende des Tages kann es diesen Eindruck erwecken, weil jeder Anbieter versucht, sein spezifisches Angebot zu positionieren. Dabei beschränken sich allerdings leider nicht alle auf das, was sie können, sondern behaupten, sie würden alle Säulen, Infrastruktur, Plattformen und Applikationen abdecken. Das muss einfach klarer gemacht werden, um seriöse Angebote machen zu können.

CW: Normalerweise stellen Anwender doch recht konkrete Anforderungen. Nehmen wir das Word-Beispiel von Herrn Ramakrishnan. Er will Dokumente im Netz bearbeiten können, mit einer Software, die er nur nutzt, die er nicht per Lizenz erwerben und nicht selbst betreiben will. Das ist doch recht klar formuliert. Da will er doch nichts von der Infrastruktur hören, auf der das laufen soll. Er will es doch ins Netz verlagern, weil er sich nicht um die Infrastruktur kümmern will. Wird die Komplexität vom Vendor nicht auch deshalb künstlich erzeugt, weil er den gesamten Stack beim Kunden implementieren will?

KUNZ: Nein, nehmen wir die Stromzähler mit Prepaid-Funktion, die wir eben erwähnt haben. Um das darzustellen, braucht man ein bisschen CRM, viel Billing. Anbieter benötigen die Plattform dahinter mit Datenbank und Entwicklungstools und am Ende des Tages brauchen Sie Server, auf denen die Sache läuft. Und wer kann das? Es gibt eine Schar von Anbietern, die davon nur Einzelteile beherrschen und deshalb wieder verschiedene Anbieter ins Boot holen müssen. Daraus entstehen dann Anwendungen, die mindestens genau so komplex sind, wie die selbst betriebenen. Oracle dagegen kann diese drei Layer bedienen und dadurch für den Anwender wirklich Komplexität reduzieren.

Nutzen der Cloud ist unklar

RAMAKRISHNAN: Jetzt wird überall Cloud propagiert, auf die gleiche Art wie SaaS und andere technische Vorschläge. Warum erklären die Vendoren den Nutzern nicht ganz konkret, welche Prozesse sie damit unterstützen können und zwar besser oder billiger als ohne Cloud. Die IT-Anbieter haben das Know-how, sie kennen die meisten Prozesse der meisten Branchen, schließlich stellen sie sich nach Industriesektoren auf. Das vermisse ich. Die IT-Industrie hat schon immer sehr gut mit Schlagworten gearbeitet, für die Nutzer ist es aber besser, wenn sie die Themen im Alltag darstellt. Außerdem wäre es gut, wenn die Vendoren auch offen sagen würden, wenn Technologien noch nicht ausgereift sind. Bis jetzt ist Cloud Computing nicht mehr als ein Schlagwort, eine Fassade, das Gebäude dahinter ist noch nicht errichtet. Cloud ist bisher nur ein CeBit-fähiges Schlagwort, aber noch nicht anwendertauglich.

KUNZ: Sie haben Recht. Momentan erinnert die Diskussion um Cloud an einen philosophischen Diskurs. Aber ich glaube, wir müssen es uns nicht so schwer machen. Auf der einen Seite beschreibt Cloud Infrastrukturen, Plattformen und Applikationen im Netz. Wenn das einmal funktioniert, sind die Auswirkungen auf die Anwenderunternehmen ziemlich exakt zu beschreiben und IT-Entscheider müssen überlegen, ob sie sich damit für ihr Unternehmen auseinandersetzen wollen.

CW: Anwender gehen doch von konkreten Herausforderungen aus, die sie lösen müssen. Und natürlich versuchen sie die mit den Schlagworten kompatibel zu machen, die Hersteller gerade als die neuen Trends durchs Dorf posaunen. Anwender müssen zukunftsfähig bleiben, sonst können sie Millionen IT-Investitionen irgendwann abschreiben. Und gleichzeitig jagt jedes Jahr ein neues Schlagwort durch die Szene. Ist das nicht furchtbar anstrengend oder wird man da ganz einfach abgebrüht? Herr Kunz hat deutlich gemacht, dass jenseits der Schlagworte, Anbieter auf konkrete Anfragen Angebote machen, die die neuen Technologien berücksichtigen. Können Sie das bestätigen?

Was hat Oracle mit Sun vor?

RAMAKRISHNAN: In punkto Cloud Computing nicht. Allerdings möchte ich gegenüber den Anbietern fair bleiben. Sie haben schon gesagt, dass einige unserer Vorstellungen in der Cloud nicht zu realisieren sind. Aber manchmal würde ich mir von der Anbieterseite eine klarere Kommunikation wünschen über das was geht und was noch nicht. Schließlich informieren sich unsere Fachbereiche auch. Aber sie kennen die Details nicht. Wenn also in den Medien steht, was angeblich funktioniert, dann fragen sie natürlich, warum wir das nicht auch können.

Aber ich möchte noch auf die geplante Übernahme von Sun zu sprechen kommen: Für mich hat Oracle das Image eines soliden und etablierten Softwarehauses. Möchten Sie in Zukunft anders am Markt auftreten? Möchte Oracle künftig auch Hardwarehersteller sein? Was ist der strategische Hintergrund hinter dieser Akquisition?

KUNZ: Wenn Sie unsere inzwischen sechsjährigen Akquisitionsaktivitäten nachvollziehen, dann sehen Sie eine Entwicklung. Zunächst ging es um das Vervollständigen der drei Säulen Standardsoftware, Middleware und Core-Technologie. Sei es mit Peoplesoft oder Siebel im Applikationsbereich oder die Bea-Übernahme im Middleware-Bereich. Im Core-Bereich (Datenbanken und Tools, Anm.d.Red) waren wir schon immer sehr stark und haben da praktisch nicht zugekauft. Der zweite Schritt war es, zu den Funktionen die entsprechenden Branchenfähigkeiten dazu zu kaufen. Das hat beispielsweise dazu geführt, dass wir eine Core-Banking-Plattform gekauft haben. Im dritten Schritt verlassen wir diese horizontale Perspektive und dehnen unsere Sichtweite vertikal aus, so dass wir auch die Infrastruktur betrachten können.

Hersteller werden zu mächtig

RAMAKRISHNAN: Dieses Vorgehen widerspricht dem Bestreben der Anwender, nicht zu sehr von einem großen Anbieter abhängig zu sein. Wir machen uns schon Sorgen, sich zu stark auf einen Softwarehersteller zu verlassen. Wenn jetzt noch Hardware dazu käme, dann bereitet uns das noch mehr Sorgen.

CW: Das erinnert so ein bisschen an das ganz frühe IBM-Modell. Dort mussten Software und Hardware gemeinsam gekauft werden, einzeln gab´s das überhaupt nicht.

RAMAKRISHNAN: Ja genau. Ich weiß aber nicht, ob die Zeiten auch wieder anbrechen, in denen man als CIO nicht gefeuert wird, wenn man Produkte einer bestimmten Company kauft (grinst).

KUNZ: Ich glaube, wir als Lieferant machen einen guten Job, wenn wir ihnen verschiedene Optionen bieten können. Beim Kunden treffen wir auf ganz unterschiedliche Bedürfnisse. Der eine benötigt noch funktionale Ergänzungen, der andere wähnt sich funktional komplett, will aber die IT insgesamt effizienter machen. Ein Dritter schließlich stellt sich die Frage, ob er bestimmte IT-Prozesse oder sogar die komplette IT noch selbst betreiben muss und sucht Alternativen. Dazwischen existieren hunderttausend verschiedene Wünsche. Der Vorteile eines Herstellers wie Oracle, ist seine modulare Aufstellung. Wir können wirklich sehr punktgenau mit dem Kunden an der Lösung seines Problems arbeiten. Ob Sie das mit uns allein oder noch mit einem zweiten Lieferanten realisieren ist natürlich absolut Ihre Entscheidung. Letztendlich helfen solche Dual-Sourcing-Szenarien auch der Industrie, weil sie sich dadurch kompetitiver aufstellt und so auch innovativer wird.

CIO und CEO tauschen die Rollen

CW: Herr Ramakrishnan, wenn Sie der regionale Verantwortliche für die Geschäfte eines internationalen Softwarehauses wären, auf was würden Sie hin arbeiten?

RAMAKRISHNAN: Ich würde auf eine verstärkte Nutzerintegration in meiner Softwareentwicklung und in meinem Produktangebot achten. Nutzer sollten schon während des Entstehungsprozesses involviert sein. Ich würde außerdem genug Prozess-Know-how vorhalten, um einige Kernprozesse zu simulieren, und meine besten Leute darauf ansetzen, diese Prozesse effizienter und damit weniger komplex zu realisieren. Dann würde ich das dem Kunden vorstellen und ihn fragen, ob ihm das wirklich hilft, seine Prozesse und damit seine IT zu vereinfachen.

CW: Herr Kunz und was würden Sie machen, wenn Sie CIO eines international tätigen Konzerns wären?

KUNZ: Ich würde als CIO eines EVUs eine hohe Priorität auf die Flexibilisierung meiner IT-Infrastruktur legen, weil ich glaube, dass die Marktveränderungen durch Deregulierung und andere Fragen im Utility-Bereich noch nicht absehbar sind. Sie könnten Veränderungen provozieren, die die bisherigen Geschäftsmodelle der EVUs in Frage stellen. Deshalb würde ich versuchen, meine IT so flexibel und modular wie möglich aufzustellen, um diesem eventuellen Anforderungsdruck gerecht werden zu können. Den nächsten Schwerpunkt würde ich auf Kundenzufriedenheit legen. Die größere Nähe zum Endkunden treibt ja die ganze Branche um. Die EVUs suchen Differenzierung in den Endkundenservices und da würde ich die IT so sichtbar nutzbringend einsetzen wie möglich. Der dritte Punkt - gerade für Energieversorger - auf den ich Wert legen würde, wäre die Orientierung Richtung Green IT. Der IT eines EVUs würde es einfach gut zu Gesicht stehen, wenn sie im schonenden Einsatz von Ressourcen eine Vorreiterrolle spielte. (wh)