Best Practice

Cloud Computing funktioniert nur mit EAM

10.10.2011 von Wolfram Jost
Neue Sourcing-Offerten wie Cloud Computing oder Software as a Service erfordern eine exakte Planung der Enterprise Architecture, damit sie in die bestehende IT-Landschaft passen.
Aris Express soll die Fachabteilung für die Modellierung gewinnen.

Die Infrastruktur für Städte und die IT-Infrastruktur für Unternehmen haben manches gemein: Was für die einen der tägliche Stau im Berufsverkehr aufgrund mangelnder Verkehrsplanung ist, heißt für die anderen Server-Probleme, weil die IT- und Anwendungslandschaft wild gewuchert ist. Die Ursache liegt in beiden Fällen in einer über die Jahre hinweg gewachsenen, komplexen Infrastruktur mit vielen Abhängigkeiten und unüberschaubaren Auswüchsen. Jede neue Technik, jeder neue Ausbauwunsch fügt der Landschaft eine weitere Dimension hinzu. Die Folge: Trotz bester Absichten reagiert die interne IT immer schwerfälliger auf neue Anforderungen.

Die Konsequenz, alles einfach abzureißen und neu zu entwerfen erscheint zumindest für die IT als plausible Option. Anbieter von Cloud Computing, On-Demand-Lösungen und SaaS preisen die Vorteile neuer Betriebskonzepte. Die Unternehmen müssen sich, so das Versprechen, nicht mehr um Installation, Updates, Betriebsbereitschaft, Backups oder Verfügbarkeit kümmern. Einfach den PC an das Internet anschließen, und ein immer reichhaltigeres Sourcing-Angebot steht zur Wahl - obendrein zu einem günstigeren Preis. Für spezielle Einsatzfelder, die wie Unified Communications oder Vertriebs-Management einen ortsunabhängigen Zugriff auf Funktionen und Ressourcen verlangen, bieten die Web-basierenden Bezugsangebote sogar ideale architektonische Voraussetzungen.

Cloud-Ratgeber
Cloud Computing in der Praxis
Nur wenige deutsche IT-Verantwortliche wollen derzeit Cloud-Services nutzen. Grund dafür sind oft Sicherheitsbedenken.
Security Konzepte in der Cloud
Auch in der Cloud beginnt ein Sicherheitskonzept mit einer gründlichen Gefahren- und Anforderungsanalyse.
Daten und Anwendungen in der Cloud
Daten und Anwendungen müssen im Rechenzentrum des Cloud-Providers sauber voneinander getrennt sein.
Datensicherheit im Zeitalter der Cloud
Cloud-Nutzer wissen in der Regel nicht, auf welchen Systemen, in welchem Rechenzentrum und in welchem Land der Provider ihre Daten speichert.
Cloud Computing Netzinfrastruktur
Das Rückgrat jeder Cloud bilden stabile, breitbandige Netze. Wie auch immer die Netzverbindung konkret realisiert wird, sie sollte genau wie beim normalen Outsourcing doppelt ausgelegt sein und über zwei voneinander getrennte physikalische Verbindungen laufen. Fällt dann eine der beiden Leitungen aus, kann die andere nahtlos den Dienst der anderen übernehmen.
Monitoring Systeme
Monitoring- und Frühwarnsysteme sorgen für mehr Sicherheit in der Cloud-Infrastruktur. Sie spüren beispielsweise auf der Basis von Data-Mining-Verfahren Schwachstellen auf, bevor diese sich gefährlich auswirken.
Sicherheit planen
Security beginnt in den Köpfen. Regelmäßige Workshops und Schulungen können die generelle Wachsamkeit im Umgang mit IT-Lösungen in der Cloud steigern.

So weit die Theorie. In der Praxis löst sich die vorhandene IT natürlich nicht so einfach auf. Denn zum einen lässt sich auf der Softwareseite kaum für jede individuelle, unternehmenskritische Lösung ein adäquates Standardangebot finden. Zum anderen müssen die noch offenen Fragen nach Sicherheit oder Einhaltung von Richtlinien beantwortet werden. Und im Widerspruch zu so manchem Herstellerversprechen bedeuten Cloud Computing, SaaS & Co. eben nicht, dass man die IT sich selbst überlassen kann. Wer seine Gestaltungskompetenz an dieser Stelle vernachlässigt, läuft Gefahr, die grundlegende Orientierung im IT-Einsatz zu verlieren. Anstatt, wie beabsichtigt, Komplexität abzubauen und Agilität zu gewinnen, würde bestenfalls alles hinter die Wolkenkulisse geschoben.

Transparenz im Bebauungsplan

Aus diesem Grund gewinnt ein bekanntes Thema, das Enterprise-Architecture-Management (EAM), an Gewicht. Um im Bild zu bleiben: Es übernimmt die Aufgabe des Wolkenfängers, und es verstärkt den aktuellen Trend, die bisher eher technisch geprägte Ausrichtung durch einen geschäftsprozessgeleiteten Ansatz zu ersetzen. Der EA-Bebauungsplan spiegelt die Zusammenhänge zwischen dem Geschäftsmodell beziehungsweise den Geschäftsprozessen, den Informationssystemen und den darunterliegenden IT-Ressourcen wider. Das begleitende EAM, auf Basis von speichergestützten Tool-Umgebungen, stellt die hierfür notwendigen Methoden und Prozesse bereit. Sie machen das Beziehungsgeflecht zwischen Business und IT auf allen Ebenen transparent und helfen, im Sinne der Unternehmensanforderungen die Ist-Bebauung schrittweise in die Soll-Architektur zu überführen. Der Clou daran: Die Auswirkung jedes Schritts und jeder Änderung, sei es auf der Ebene der Geschäftsprozesse oder der IT-Infrastruktur, lässt sich bereits im Vorfeld durchspielen und bewerten.

Tools-Survey 2008
Adaptive EAM
"Adaptive EAM" (<a href="http://www.adaptive.com/solutions/eam.html" target="_blank">Adaptive Inc.</a>) stellt sich in dreierlei Hinsicht als Integrationswerkzeug für das EAM dar. Zum einen erlaubt sein ausdrucksmächtiges Repository die Modellierung komplexer Unternehmensarchitekturen auf Basis weitverbreiteter Modellierungstechniken. Daneben ist das Werkzeug speziell darauf ausgerichtet, Informationen über die EA aus verschiedenen anderen Werkzeugen zu aggregieren. Schließlich ist es offen für Erweiterungen: So können zum Beispiel die aggregierten Informationen über Standardschnittstellen ausgelesen und von anderen Werkzeugen weiterverarbeitet werden. Durch seine hohe Flexibilität ist Adaptive EAM gut an beliebige Modellierungsanforderungen im EAM anpassbar; jedoch ist ein Einsatz out of the Box und ohne vorherige Anpassung des Werkzeugs nur in wenigen Unternehmen möglich.
Planning IT
"Planning IT" (<a href="http://www.alfabet.de/produkte/uebersicht/enterprise_architecture_management" target="_blank">Alfabet AG</a>) verfolgt einen prozessgetriebenen EAM-Ansatz, im Rahmen dessen, aufbauend auf ein vorkonfiguriertes Metamodell, wichtige Rollen und Prozesse des EAM definiert werden. Dadurch erlaubt das Werkzeug ein hohes Maß an Benutzerführung in der EAM-Funktion. Das ausgeprägte Rollenkonzept von Planning IT ermöglicht dabei die verteilte Bearbeitung von EAM-Aufgaben sowie eine klare Verteilung von Verantwortlichkeiten in einem unternehmensweiten Team. Durch seine strikte Benutzerführung und die vordefinierten Prozesse unterstützt Planning IT viele EAM-relevante Funktionen bereits out of the Box. Unternehmen müssen sich jedoch mit ihrer Organisation dem von der Software vorgegebenen EAM-Prozess anpassen, wollen sie den vollen Funktionsumfang des Werkzeugs nutzen.
ADOit
"ADOit" (<a href="http://www.boc-group.com/jumpto.jsp?goto=ADOit_2&lg=de" target="_blank">BOC Gruppe</a>) ist ein konfigurierbares EAM-Produkt, das besonders im Bereich der Metamodelle gut an die spezifischen Anforderungen des nutzenden Unternehmens angepasst werden kann. Daneben bietet das Werkzeug ein vordefiniertes Metamodell, auf dessen Basis verschiedene Visualisierungsformen bereits vorgefertigt ausgeliefert werden. Diese lassen sich im Rahmen von Beratungsprojekten oder durch geschulte Nutzer anpassen. Der in ADOit verfolgte EAM-Ansatz konzentriert sich out of the Box auf zentrale Aufgaben wie zum Beispiel die Planung der IT-Roadmap sowie das Management von Architekturstandards. Aufbauend auf diese Kernbestandteile kann ADOit schrittweise unternehmensspezifisch erweitert werden. Eine besondere Rolle spielt dabei die hohe Flexibilität der Benutzerschnittstelle, die je nach den Bedürfnissen der Anwender gut variiert werden kann.
Aris IT Architect
Der "Aris IT Architect" (<a href="http://www.ids-scheer.de/de/ARIS/ARIS_Solutions/Enterprise_Architecture_Management/88731.html" target="_blank">IDS Scheer AG</a>) ist, eingebunden in die Aris Platform, ein Werkzeug für das EAM mit einem starken methodischen Hintergrund. Die unterstützte Methode baut auf einem umfassenden Metamodell auf, das Konzepte von der Geschäftsprozess- bis zur IT-Infrastrukturebene enthält. Dieses Modell wird ergänzt durch einen Katalog vordefinierter Visualisierungsarten, die innerhalb der Methodik für verschiedene Aufgaben eingesetzt werden. Neben den mitgelieferten Modellen unterstützt der IT Architect die flexible Anpassung des Metamodells durch Ergänzungen. Durch seine umfassenden Out-of-the-Box-Features bezüglich Methodik und Funktionen präsentiert sich der IT Architect als mächtiges Werkzeug. Allerdings gilt es auch hier, wenngleich nicht ganz so ausgeprägt wie bei Planning IT, die Organisation anzupassen, will man das volle Potenzial der Lösung ausschöpfen.
Mega Modeling Suite 2007
Die "Mega Modeling Suite" (<a href="http://www.mega.com/en/c/product" target="_blank">Mega International SA</a>) verfolgt einen Metamodell-zentrierten Ansatz für das EAM und kann auch komplexe Unternehmensarchitekturen im Repository abbilden. Dabei bietet das mitgelieferte Metamodell einen guten Ausgangspunkt, vor allem deshalb, weil es durch reichhaltige Analyse- und Auswertungstechniken ergänzt wird. Hier spielt das Werkzeug eine besondere Stärke aus, ist es doch möglich, Darstellungsformen zu erstellen, um die Ergebnisse der Analysen beliebig zu visualisieren. Zudem muss die gute Anbindung an das Projektportfolio-Management erwähnt werden, die durch die Modeling Suite gewährleistet wird. Über Anpassungen lässt sich der Funktionsumfang des Werkzeugs unternehmensspezifisch erweitern, wenngleich hier die Unterstützung durch geschultes Personal unabdingbar ist.
ProVision
"ProVision" (<a href="http://www.metastorm.com/products/provision_ea.asp" target="_blank">Metastorm</a>) bietet einen leichtgewichtigen Ansatz für EAM, der auf Basis einer intuitiven und übersichtlichen Benutzerschnittstelle sowie eines auf Kernkonzepte reduzierten Metamodells einen schnellen und unkomplizierten Einstieg in das Thema erlaubt. Die Flexibilität der zugrunde liegenden Modellierungstechnik, die Erweiterbarkeit der Metamodells sowie die Anpassbarkeit der Visualisierungstechniken erlauben in der Folge die schrittweise Entwicklung eines unternehmensspezifischen Ansatzes für EAM. Dies ermöglicht dem verwendenden Unternehmen maximale Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der verwendeten Methode, die über die offenen Schnittstellen des Werkzeugs realisiert werden kann.
Telelogic System Architect
Der "System Architect" (<a href="http://www-01.ibm.com/software/awdtools/systemarchitect/" target="_blank">IBM Rational</a>) ist ein mächtiges Modellierungswerkzeug für Unternehmensarchitekturen, das mit einem umfangreichen vorkonfigurierten Metamodell ausgeliefert wird. Auf Basis dieses Modells werden einige Visualisierungsfunktionen out of the Box angeboten, können aber von versierten Benutzern oder im Rahmen von Beratungsprojekten über die ausdrucksmächtige mitgelieferte Scripting-Plattform erweitert und an Unternehmensspezifika angepasst werden. Eine an Industriestandards angelehnte Abfragesprache erlaubt den Benutzern auch komplexe Analysen innerhalb der Daten des Repositories im System Architect. Die anpassbare Benutzerschnittstelle erlaubt es, das Werkzeug zielgruppenspezifisch zu variieren.
Troux
"Troux" (<a href="http://www.troux.com/solutions/enterprise_architecture/" target="_blank">Troux Technologies Inc.</a>) ist eine flexible und integrierende EAM-Plattform, auf deren Basis eine unternehmensspezifische EAM-Lösung entwickelt werden kann. Dabei sind vor allem die vielfältigen Möglichkeiten zur Datenübernahme aus verwandten Werkzeugen sowie die Visualisierungs-Features hervorzuheben. Auf Basis dieser Funktionen lässt sich durch geschulte Nutzer oder im Rahmen eines Anpassungsprojekts den spezifischen EAM-Erfordernissen eines Unternehmens Rechnung tragen. Darüber hinaus liefert Troux ein vorkonfiguriertes Metamodell und mehrere generische Visualisierungsformen aus, die einen guten Ausgangspunkt für die Implementierung eines spezifischen EAM-Ansatzes bilden.

Ein geschäftsprozessgeleitetes EAM hilft Unternehmen, sowohl in die Cloud hineinzufinden als auch in ihr zu navigieren. Es unterstützt zum einen die Analyse, für welche IT-Ressourcen die Sourcing-Alternativen überhaupt in Frage kommen, indem es die betroffenen Geschäftsprozesse und ihre Bedeutung transparent macht. Gleichzeitig lassen sich die notwendigen Vorarbeiten im Rahmen der Plan- und Soll-Architekturen identifizieren und einleiten, um den richtigen Weg in der Wolke zu finden. Unternehmen, die im Rahmen ihrer bisherigen Bebauungsplanung einer Service-orientierten Strategie folgen, sind hier bereits gut aufgestellt. Denn Punkte wie saubere Integrationsschnittstellen, Datenunabhängigkeit und Vielfachnutzung, die zur Identifikation und Standardisierung von Services dienen, sind gleichfalls Kriterien für den Einbezug von Cloud-Angeboten. Der Schritt in die Wolke bedeutet hier im Grunde nur, dass die physische Bereitstellung der Services mit anderen, externen Mitteln geschieht.

Die neuen Sourcing-Angebote eröffnen den Unternehmen neue Gestaltungsoptionen in der IT-Bebauung. Sie bieten Organisationen große Chancen, ihre Agilität und Flexibilität zu verbessern. Voraussetzung ist die zielgerichtete Navigation, um sich nicht im "Nebel" zu verlieren. Die ursprüngliche Kernaufgabe eines traditionellen IT-Architektur-Managements, nämlich die Verwaltung einer physischen IT-Ressource während ihres Einsatzes, wird sich dagegen immer mehr in der Wolke auflösen. (ue)