CTO Simon Crosby führte in der Keynote eine frühe Version von XenClient vor, einem Typ-1-Hypervisor, der unter dem Codenamen "Project Independence" Anfang des Jahres zusammen mit Intel angekündigt wurde. Die Virtualisierungssoftware läuft im Unterschied zu bekannten Tools wie VMware Workstation oder Virtual PC direkt auf der Hardware. Wie das Konkurrenzprojekt "CVP" von VMware soll es wesentliche Defizite bei Server-basierenden virtuellen Desktops beseitigen. Der lokale Hypervisor ergänzt VDI-Systeme um Offline-Fähigkeiten und verbessert das Benutzererlebnis bei (grafisch) anspruchsvollen Anwendungen.
Beim ersten Start eines virtuellen Unternehmens-Desktops wird dessen Systemabbild auf die lokale Maschine heruntergeladen und läuft dort ab. Alle Änderungen durch den Benutzer werden mit dem Backend synchronisiert. Damit verspricht Citrix, die Vorteile des zentralen und dezentralen Modells kombinieren zu können. Die lokale Ausführung nutzt die Rechenleistung des Clients, gleichzeitig verschiebt sich das Management des Desktops in das Rechenzentrum, von wo er sich auf anderen Endgeräten starten lässt.
Der Client-Hypervisor erlaubt die parallele Ausführung von mehreren Betriebssystemen in virtuellen Maschinen (VMs) und eröffnet damit neue Nutzungsszenarien. Dazu zählt besonders die Möglichkeit, dass Mitarbeiter ihre persönliche Hardware in die Arbeit mitbringen und den von der IT-Abteilung bereitgestellten Desktop neben ihrem privaten laufen zu lassen.
Die Demo von Simon Crosby zeigte, wie sich beide Installationen unter einer Oberfläche vereinen lassen, so dass die Benutzer nicht zwischen zwei oder mehreren Desktops hin- und herschalten müssen. Anwendungen des Unternehmens laufen Seite an Seite mit privaten Applikationen, Erstere waren nur am grünen Fensterrand als solche zu erkennen.
Trotz der nahtlosen Integration auf der Benutzeroberfläche sind die virtuellen Maschinen strikt voneinander getrennt, so dass etwa Schadsoftware, die den privaten Desktop befällt, keinen Zugriff auf die Firmenanwendungen hat. Die Abschottung geht so weit, dass ein Kopieren und Einfügen zwischen Programmen verschiedener VMs nicht möglich ist. Da der Hypervisor die Kontrolle über die Hardware hat, kann die IT-Abteilung verhindern, dass nicht vertrauenswürdige Installationen gestartet werden oder bei Diebstahl eines Notebooks veranlassen, dass alle Daten beim nächsten Systemstart von der Maschine gelöscht werden ("Kill Pill").
XenServer 5.5 und Essentials 5.5
Nach der Freigabe von XenServer 5 als kostenlose Software im Februar dieses Jahres erhält sie in der Version 5.5 weitere Enterprise-Features. Zu den wesentlichen Neuerungen zählen:
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Konsolidiertes Backup: Programme zur Datensicherung können über eine neue Schnittstelle via XenServer Daten von Gastssystemen in den VMs oder deren Systemabbilder sichern, sowohl vollständig als auch inkrementell. Außerdem können Anwender von der XenCenter-Konsole aus Snapshots von VMs erstellen.
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Die mitgelieferte neueste Version von XenConvert kann Images aus VMwares VMDK-Format in Microsofts VHD überführen, das auch von XenServer unterstützt wird. Das Konvertierungs-Tool kennt auch das Open Virtualization Format (OVF).
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Erweiterte Suchfunktionen erleichtern das Auffinden von VMs, Resource Pools, Snapshots oder Server.
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Dank Integration in Microsofts Active Directory können sich Administratoren mit ihrem Windows-Passwörtern an XenServer anmelden.
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Unterstützung für zusätzliche Gastsysteme, darunter Suse Linux Enterprise Server 11, Debian 5.0 and RedHat/CentOS/Oracle 5.3.
Trotz der im Vergleich zu VMware ESXi langen Featureliste des kostenlosen Hypervisors fehlen ihm für den ernsthaften Einsatz einige wesentliche Fähigkeiten. Citrix liefert fortgeschrittene Enterprisefunktionen seit der Freigabe von XenServer als Gratis-Software in einem eigenen Paket namens "Essentials". Es erweitert nicht nur die hauseigene Virtualisierungssoftware, sondern auch Microsofts Hyper-V.
Gleichzeitig mit der neuen Version von XenServer brachte Citrix auch die Version 5.5 der Essentials heraus. Zu den wichtigsten Neuerungen zählen:
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Dynamische Lastverteilung: Damit lassen sich VMs automatisch auf Basis definierbarer Regeln zwischen Hostsystemen verschieben. Als Basistechnik dient das bereits in der Kostenlosvariante verfügbare "XenMotion" für die Live Migration von virtuellen Servern.
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Erweiterung der StorageLink-Technik, die ähnlich wie VMwares vStorage eine Schnittstelle zu Speichersystemen bereitstellt, so dass der Hypervisor Aufgaben wie das Erstellen von Snapshots an das Storage-System auslagern kann.
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Automatisches Stage-Management, das den Übergang virtueller Maschinen von Test- und Entwicklungsumgebungen zu Produktivsystemen vereinfachen soll. Administratoren können zu diesem Zweck eigene Workflows festlegen.
Dazzle, Virtual Switch und V-Alliance
Während Citrix in der Vergangenheit dank einer klaren Arbeitsteilung mit Microsoft bei der Zentralisierung von Desktop-Anwendungen kaum Konkurrenz hatte, hat sich die Wettbewerbssituation durch den entstehenden Trend zur Desktop-Virtualisierung verschärft. Die von VMware initiierte Verlagerung von Client-Installationen auf VMs im Rechenzentrum ist derzeit kaum eine Alternative zu herkömmlichen PCs, sondern dürfte zuerst Terminal-Server und damit Citrix XenApp ablösen.
Citrix reagiert auf die veränderte Situation mit einer aggressiveren Preispolitik, die sich nicht nur im kostenlosen XenServer widerspiegelt. Auch XenClient soll kostenfrei erhältlich sein, wenn es gegen Ende des Jahres auf den Markt kommt. Zusätzlich kündigte Citrix weitere Produkte und Initiativen an, die auch dem erhöhten Wettbewerbsdruck Rechnung tragen:
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Als Gegenstück zu VMwares vNetwork will das Unternehmen einen virtuellen Switch entwickeln, der als Virtual Appliance auf Xen und KVM ablaufen kann. Die Software wird einer Open-Source-Lizenz unterliegen.
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"Dazzle" ist eine Self-Service-Anwendung, die sich in der Bedienung an iTunes orientiert, und mit deren Hilfe sich Benutzer ein persönliches Portfolio an Unternehmensapplikationen zusammenstellen können. Die Software soll kostenlos angeboten werden.
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Unter der neuen Bezeichnung "HDX" fasst Citrix eine Reihe von bestehenden Techniken zusammen, die das Benutzererlebnis für Anwendungen verbessern soll, wenn sie über XenApp oder XenDesktop genutzt werden. Damit reagiert das Unternehmen vor allem auf Versuche von VMware, ICA als altes Protokoll darzustellen.
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Im Rahmen des iForum gab Citrix eine weitere Kooperation mit Microsoft unter der Bezeichnung "V-Alliance" bekannt. Sie umfasst gemeinsame Workshops, in deren Rahmen Partner geschult werden, wie die Virtualisierungsprodukte der beiden Unternehmen gemeinsam eingesetzt werden können. Zusätzlich stellten die beiden Firmen Website www.v-alliance.de online.