Innovation und CIOs

CIOs brauchen Antennen für Business-Innovationen

12.04.2013 von Karin Quack
Innovation in Form inkrementeller Veränderungen im eigenen Bereich ist relativ einfach. Soll sie aber darüber hinausgehen, braucht sie Unterstützung - in Form eines institutionalisierten Innovationsprogramms.
Bobby Cameron ist Vice President und Principal Analyst bei Forrester Research.
Foto: Forrester Research

So etwas wie eine technologische Innovation gibt es nicht. Diese Überzeugung äußert Bobby Cameron, Vice President und Principal Anayst bei Forrester Research: "Eine Innovation braucht ein Ergebnis auf der Business-Seite." Hier liege der "Denkfehler" vieler CIOs; sie hätten beim Thema Innovation meist nur die IT vor Augen. Anhand einer Studie vom Ende des vergangenen Jahres wagt Cameron mit seinem Kollegen und Co-Autor Chip Gliedman deshalb die These: Die meisten CIOs sind derzeit nicht darauf vorbereitet, mit ihrem Bereich wirkliche Business-Innovationen zu unterstützen.

An der nicht repräsentativen Untersuchung nahmen mehr als 100 Entscheidungsträger aus IT und Business teil. Weniger als die Hälfte der betreffenden Unternehmen hat einen strukturierten Innovationsprozess definiert, mit dessen Hilfe sich innovative Ideen objektiv bewerten lassen. Nur ein Drittel der Befragten gab an, der Betrieb habe gesondert Finanzmittel bereitgestellt, um innovative Ideen auszubrüten und letztlich zum kommerziellen Erfolg zu führen.

Innovation als Fremdkörper

Die größten Hindernisse, die der Implementierung von Innovationsprogrammen im Wege stehen, sind fehlende Ressourcen und Finanzmittel. 82 beziehungsweise 76 Prozent der Befragten nannten diese Gründe. Erst auf den hinteren Plätzen folgen kulturelle Kriterien: Risikoscheu und/oder Angst vor dem Versagen nannten knapp 40 Prozent der Studienteilnehmer als Hinderungsgrund. Mehr als 30 Prozent führten mangelnde Unterstützung und Vertrauen durch das Topmanagement sowie fehlende Anreize ins Feld.

Immerhin 17 Prozent bekannten: "Wir sind nicht im Innovations-Business. Unsere Mitarbeiter können nicht kreativ denken." Unternehmen, in denen eine solche Einstellung vorherrscht, müssen für das Innovations-Management wohl verloren gegeben werden. Die meisten anderen Hindernisse hingegen lassen sich durch Überzeugungsarbeit und stichhaltige Konzepte aus dem Weg räumen. Eine Schlüsselrolle spielen hier sicher nachhaltige und effektive Innovationsprogramme, so die Forrester-Analysten Cameron und Gliedman. Diese Programme müssten drei Ebenen abdecken:

Innovation ist eine wichtige Quelle für Wachstum und Wettbewerbsvorteile, beteuern die Forrester-Analysten. Kunden seien heute durch den Einsatz von Informationstechnik mächtiger als je zuvor. Sie können sich jederzeit und überall im Web informieren, mit anderen Kunden austauschen und ihre Eindrücke publizieren. Deshalb liege es nahe, dass der Chief Information Officer sich als IT-Profi und -Scout in den Innovationsprozess einbringe.

Die Hausaufgaben für den CIO
Ein IT-Verantwortlicher, der seinem Arbeitgeber helfen will, innovativ zu werden und zu bleiben, muss zuvor ein paar Hausaufgaben machen. Das Beratungsunternehmen Arthur D. Little beschreibt sie wie folgt:
Stellen Sie sich darauf ein, ...
... Kosten und Innovationen parallel zu managen. Das ist nicht so einfach, wie es sich liest.
Bringen Sie Ihre komplexe Architektur ...
... mit Hilfe eines Mehrjahresplans unter Kontrolle.
Entwickeln Sie eine klare Vision ...
... und einen Plan für ihre konsequente Umsetzung. Das verschafft Ihnen Glaubwürdigkeit und Bewegungsspielraum.
Leuchtturmprojekte mit einem echten innovativen ...
... Mehrwert für das Geschäft tun ein Übriges, um das Vertrauen in den CIO zu stärken.
Idealerweise werden dazu auch ...
... innovative Methoden, zum Beispiel agile Softwareentwicklung, genutzt.
Setzen Sie gezielt ein ...
... Innovations-Management auf. Das muss keine große, teure Abteilung sein; entscheidend ist ein klarer Plan für den Anschub und die kulturelle Weiterentwicklung des Teams.

Klar und durchgängig

Der CIO sollte sich um mehr Konsistenz im Innovations-Management bemühen. Die in Ansätzen vorhandenen Innovationsstrukturen und -praktiken entbehrten bislang der Durchgängigkeit, bemängeln Cameron und Gliedman in ihrer Auswertung. Damit erschwerten sich die Unternehmen den Überblick, wo Innovationen möglich oder sogar dringend notwendig wären.

Ressourcen bündeln

Funktionsübergreifende Teams mit einem starken Fokus auf Innovationen - so etwas gibt es bislang nur in 45 Prozent der von der Forrester-Studie erfassten Betriebe. Es gehe auch ohne eine solche Arbeitsgruppe, räumen Cameron und Gliedman ein. Allerdings drohe dann die Gefahr, dass die Mitarbeiter, die sich eigentlich um Innovationen kümmern sollten, vom Tagesgeschäft in Beschlag genommen würden.

Mehr Management, weniger ad hoc

Ideen-Management bedeutet: in einem Innovations-Ökosystem die aufkeimenden Ideen verfolgen, sie im Licht der Unternehmensziele betrachten, die vielversprechendsten herauspicken und dann mit finanziellen sowie personellen Ressourcen ausstatten. Ein solcher gemanagter Prozess fehlt vielerorts.

Ideen vergleichbar machen

Etwa die Hälfte der Unternehmen folgt einem formalen Selektionsprozess. Doch in jedem vierten Betrieb setzen sich die Ideen durch, die das Management aus dem Bauch heraus "am besten" findet. Kriterien, an denen sich die vorhandenen Ideen messen lassen, gibt es nur in drei von zehn Unternehmen. Wenn aber die Mitarbeiter den Auswahlprozess nicht verstehen, werden sie früher oder später resignieren.

Ziele im Portfolio spiegeln

Ein innovatives Unternehmen sollte ein Portfolio von Ideen in verschiedenen Stadien des Inkubationsprozesses haben. Um den Status der Umsetzung bewerten zu können, sind Benchmarks notwendig. Diese sollte sich das Unternehmen aus der eigenen Organisation holen. Sie müssen die spezifischen Anforderungen und die Risikobereitschaft des Betriebs widerspiegeln.

An der Kultur arbeiten

Als C-Level-Manager ist der CIO für die Unternehmenskultur mitverantwortlich. Zu seinen Aufgaben gehört es, Mitarbeiter in ihrer Kreativität zu bestärken, Ideen von Partnern und Kunden zu sammeln sowie den Innovationsprozess zu unterstützen. Darüber hinaus muss er helfen, eine "Kultur des Vertrauens" zu schaffen.

Anreize schaffen

Wer eine gute Idee hat, möchte sie auch durch den Inkubationsprozess begleiten und dafür teilweise freigestellt werden. Das ist aber nur in einem Fünftel der befragten Unternehmen üblich. Dabei würde es die Mitarbeiter in der Auffassung bestärken, dass Innovation kein Business as usual ist.

Die größten Innovationsfallen
Oft verpassen vermeintlich innovative Unternehmen die Marktentwicklung. Lesen Sie hier die gefährlichsten Innovationsfallen, in die Firmen tappen.
Die Hochglanzfalle
Wer sich Websites, Visionen und Hochglanzbroschüren der meisten Unternehmen genauer ansieht, stellt schnell Folgendes fest: Irgendwie sind sie alle visionär, hochkreativ und praktisch kurz davor, die Branche zu revolutionieren. Auf den ersten Blick liest sich das beeindruckend. Blickt man jedoch genauer hinter die Fassade der Homepages und Prospekte, dann haben diese Botschaften oft wenig Substanz.
Die Erfahrungsfalle
Insider, die auf den Management-Tagungen des ehemaligen Druckmaschinenherstellers Manroland waren, erinnern sich an die Botschaften des Vorstands. Er sagte der Zeitung eine große Zukunft voraus. Immer wieder wurde die Solidarität zur Druckrolle beschworen, während die meisten Medienverlage bereits ihr Wachstum auf ganz anderen Feldern suchten. Der Vorstand von Manroland ignorierte das. Die eigenen Erfahrungen sprachen dagegen. Für den damals zweitgrößten Druckmaschinenhersteller der Welt war es schlichtweg unvorstellbar, dass seine Produkte einmal überflüssig werden könnten. Das Ergebnis dieser Fehleinschätzung: Der Konzern wurde Anfang 2012 zerschlagen.
Die Trägheitsfalle
Prozessoptimierung, Kostenoptimierung, Lean Management: Das waren die Schlagwörter der 90er- und frühen 2000er-Jahre. Arbeitsabläufe wurden systematisch gescannt, jede überflüssige Handbewegung untersagt und jede Tätigkeit in genau definierte Prozessabläufe gezwängt. Das hat bis heute einen positiven Effekt: Unternehmen können das operative Geschäft viel schneller, besser und billiger als andere beherrschen. Die Kehrseite ist: Es bleibt kaum Zeit, über neue Wege nachzudenken. Anders gesagt: Man ist so sehr damit beschäftigt, den operativen Ergebnissen nachzujagen, dass man sich kaum fragt, ob dies noch sinnvoll ist.
Die Erfolgsfalle
Erfolg macht sexy. Erfolg fühlt sich gut an. Erfolg macht zufrieden. Genau das ist das Problem. In zahlreichen Firmen werden schnelle Erfolge belohnt. Ein kurzfristiges Plus der Verkaufszahlen, ein großer Deal, kurzfristige Erfolge bei der Neukundengewinnung. Gerade in Unternehmen, die vom Quartalsdenken geprägt sind, ist der schnelle Erfolg wichtiger als langfristiges Denken. Im Kern ist das nicht verkehrt, denn: die Summe vieler schneller Erfolge macht eine erfolgreiche Company aus - nur nicht unbedingt eine innovative. Solange schnelle Erfolge mit dem Bestehenden zu erzielen sind, hat das Neue kaum eine Chance, sich durchzusetzen.
Die Kannibalismusfalle
Unternehmen haben ständig Angst sich selbst zu kannibalisieren. Wenn die Konkurrenz angreift, ist das schlimm. Schlimmer ist es jedoch, wenn ein Unternehmen sich selbst Marktanteile wegnimmt. Aus diesem Grund weigerten sich die Elektronikhändler Saturn und Media Markt jahrelang, Online-Shops zu eröffnen. Die Kunden könnten schließlich via Internet und nicht mehr in den Läden einkaufen. Auch der Entertainment-Gigant Sony leidet unter dem Kannibalismusproblem. Um das eigene CD-Geschäft zu schützen, hat er die Entwicklung eines Download-Portals für Musik nur halbherzig vorangetrieben. Und der Fotohersteller Leica? Er vermied es Anfang der 90er Jahre tunlichst, in die digitale Fotografie einzusteigen - aus Angst, das eigene Geschäft mit analogen Apparaten zu gefährden.

Datenbank-Tools richtig nutzen

Die Zusammenfassung innovationsspezifischer Informationen in einem Repository vereinfacht das Reporting, verbessert die Kommunikation und erhöht die Transparenz. Das ist vor allem in Großunternehmen wichtig. Deshalb setzen laut Forrester auch 65 Prozent der Betriebe mit mehr als 20.000 Mitarbeitern solche Tools ein.

Governance anpassen

Governance- und Kontrollfunktionen für das Tagesgeschäft eignen sich nur bedingt für Innovationsprozesse mit ihren besonderen Zielen, Prozessen, Metriken, Anreizen und Kontrollsystemen. Es sind also neue Prozesse nötig. Diktiert werden sie von der Struktur des jeweiligen Innovationsprogramms. Faustregel: Je zentralisierter, desto liberaler.

Neue Wege im Funding

Traditionelle Kosten-Nutzen-Analysen der Business Cases taugen nicht, um Investitionen in innovative Ideen zu rechtfertigen. Über einen geeigneten Funding-Pool verfügt aber nur jedes dritte der von Forrester befragten Unternehmen. (mhr)

Was Forrester dem CIO rät

Forrester hält ein paar Ratschläge für IT-Verantwortliche bereit. Sie lauten folgendermaßen:

  • Verstehen Sie die Einflussgrößen, welche die Innovation bestimmen.

  • Finden Sie Wege, um Gelegenheiten systematisch aufzuspüren und zu finanzieren.

  • Sorgen Sie für genug Personal und Mittel, um Innovationen zu fördern.

  • Messen Sie, vergleichen Sie, und schaffen Sie eine Innovationskultur.

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