Prozesse statt Technik

CIOs arbeiten bodenständig

24.06.2010 von Christoph Witte
Viele CIOs betrachten neue IT-Themen vorsichtig. Sie verstehen sich nicht mehr als Technik-, sondern als Prozessverantwortliche.
Quelle: Runzelkorn/Fotolia
Foto: Runzelkorn/Fotolia

Deutsche IT-Leiter widmen sich am häufigsten den klassischen Themen. Befragt nach den wichtigsten Aufgaben für das laufende Jahr, äußerten 31 Prozent der befragten CIOs, die Dauerbrenner ERP und Prozessoptimierung sowie -harmonisierung hätten für sie die höchste Bedeutung. Vermeintliche IT-Trends lassen die IT-Entscheider erst einmal links liegen. Laut einer von der Anwendervereinigung CIO-Circle initiierten Umfrage unter 155 IT-Entscheidern bewegen aktuelle Hypes die IT-Manager kaum. Die einzige junge Technik, die in diesem Jahr von Bedeutung ist, scheint die Virtualisierung zu sein. 19 Prozent der Befragten stufen sie als sehr wichtig ein.

CIOs sind Prozessgestalter

Die Erhebung unterstreicht, dass das Selbstverständnis der CIOs keineswegs auf ihrem technischen Know-how fußt. IT-Wissen ist zwar wichtig, aber nicht der differenzierende Faktor. So sagen rund 60 Prozent der Befragten, dass die Kollegen auf der Business-Seite sie in ihrer Rolle als Gestalter von Prozessen schätzen. Nur noch zwölf Prozent glauben, sie würden nur als technische Umsetzer gesehen. "Die IT-Chefs haben sich in der Rolle als Prozessverantwortlicher etabliert", vermutet Stefanie Leimeister, Autorin der Studie.

Was CIOs beschäftigt
Die wichtigsten Themen im Jahr 2010
Die befragten CIOs widmen sich in diesem Jahr vor allem klassischen Aufgaben. Als sehr bedeutend erachten sie die Prozessoptimierung und betriebswirtschaftliche Standardsoftware.
Zeitaufwand für Geschäftsprozesse
63 von 155 Befragten verwenden zehn bis 20 Prozent ihrer Arbeitszeit auf das Geschäftsprozess-Management.
Zeitaufwand für Innovationen
Innovationen sind zwar wichtig, doch die meisten CIOs verwenden auf dieses Thema weniger als 20 Prozent ihrer Zeit.
Zeitaufwand für Projekte
Projektarbeit beschäftigt das Gros der CIOs ebenfalls weniger als ein Fünftel ihrer Arbeitszeit.

Folgerichtig erachten 57 Prozent der CIOs das Thema Geschäftsprozess-Management als sehr wichtig, wogegen die IT-Projektarbeit nur 37 Prozent als sehr bedeutend einstufen. Auch die Rolle der IT als Innovator scheint weniger ausgeprägt. Diesem Thema räumen 34 Prozent eine hohe Bedeutung ein. Vor diesem Hintergrund ist die Zurückhaltung gegenüber Trendthemen schlüssig. Die meisten Befragten aus dem CIO-Circle haben noch keine Cloud-Lösung im Einsatz. Das Modell, IT-Services aus der Wolke zu beziehen, ist recht neu, so dass die Zurückhaltung nicht weiter erstaunt. Dass zudem drei Viertel der CIOs in absehbarer Zeit auch keinen Cloud-Einsatz planen, unterstreicht, wie vorsichtig IT-Entscheider auf Neuerungen reagieren.

Fachbereiche interessieren sich selten

Ihre Arbeitszeit verteilen die CIOs jedoch etwas anders, als ihre Prioritäten vermuten lassen. Zwar kümmern sich die IT-Leiter intensiv um Innovationen und Geschäftsprozesse. Doch die meiste Zeit investieren sie in IT-Projekte. Auch die Prioritäten bei den IT-Investitionen bestätigen die hohe Bedeutung der betrieblichen Abläufe. Die meisten IT-Leiter wollen mehr Geld als im Vorjahr ausgeben, um die Geschäftsprozesse zu verbessern (52 Prozent). Auch für Innovationen haben viele CIOs mehr Mittel übrig als im Vorjahr. Hier rechnen 42 Prozent mit steigenden Ausgaben. 35 Prozent geben mehr Geld für IT-Projekte aus.

Das Lieblingsthema der CIOs, das Geschäftsprozess-Management, scheint in der Wahrnehmung der Fachbereiche jedoch keine besonders große Rolle zu spielen. 23 Prozent der IT-Manager räumten ein, dass die Geschäftsbereiche von sich aus selten verbesserte Geschäftsprozesse nachfragen. Nur 8,5 Prozent der IT-Verantwortlichen werden regelmäßig mit entsprechenden Anfragen konfrontiert. Die Erhebung zeigt damit eine Diskrepanz zwischen dem Selbstverständnis der CIOs und der Einschätzung ihrer Arbeit durch die Business-Seite. Zudem stellt sich die Frage, wie gut die IT in die Unternehmen integriert ist und Verantwortung für das Kerngeschäft trägt.

Die Studie CIO-Trends 2010

Im Rahmen der Studie "CIO-Trends 2010, Selbstverständnis und Themenschwerpunkte der IT-Entscheider" wurden 155 IT-Entscheider aus verschiedenen Branchen befragt. 44,5 Prozent der IT-Leiter entstammen mittelgroßen Unternehmen (251 bis 2000 Mitarbeiter). 46,4 Prozent der Unternehmen haben mehr als 2000 Beschäftigte. Neun Prozent der Teilnehmer kommen aus Betrieben mit weniger als 251 Mitarbeitern. Zum Großteil (63,6 Prozent) nahmen IT-Manager Stellung, in deren IT-Abteilungen zwischen elf und 100 Kollegen arbeiten. Nur gut zwölf Prozent der IT-Teams weisen mehr als 100 Mitarbeiter auf. Knapp ein Viertel der Unternehmen kommt mit bis zu zehn IT-Spezialisten aus. Jeweils knapp die Hälfte der befragten IT-Chefs kontrolliert ein IT-Budget von mehr als fünf Millionen Euro beziehungsweise bis zu fünf Millionen Euro.

Autoren der Studie sind Professor Helmut Krcmar und Stefanie Leimeister vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik an der Technischen Universität München. Betrieben wurde die Erhebung von Fortiss, einem Institut der TU München, unter Mitwirkung des CIO-Circle. Die komplette Studie kann gegen einen Unkostenbeitrag von 20 Euro bezogen werden (leimeister@fortiss.org).

Bodenständig und verlässlich

"Folgt man der aktuellen Stimmung der IT-Entscheider, wird das Jahr 2010 durch solide Themen bestimmt", erläutert Leimeister die Ergebnisse der Umfrage. "Prozessorientierung und ERP-Systeme sind seit Jahren Dauerthemen. Beide werden nach wie vor als geschäftskritisch eingeordnet." Das widerspricht den Vorhersagen der Analysten von Gartner, denen zufolge jetzt unter anderem Web-2.0-Techiken und mobile Anwendungen ganz oben auf der Agenda stehen sollten. Die aktuell von Gartner diskutierten Themen wie etwa Flash Memory, Cloud Computing, SOA und Green IT beschäftigen die CIOs laut Erhebung kaum. Sie kümmern sich lieber um geschäftsnahe Aufgaben wie ERP, Prozessoptimierung, Standardisierung und Virtualisierung. (jha)

CW-Kommentar

Christoph Witte, IT-Publizist und Kommunikationsberater

Die vom CIO-Circle angestoßene und vom Fortiss Institut betriebene Studie unter über 150 IT-Entscheidern hat gezeigt, dass CIOs ihre Aufgabe für die Gestaltung und Unterstützung von Geschäftsprozessen ernst nehmen, ja, dass sie dieses Thema für das zurzeit wichtigste halten. Allerdings müssen sie noch einiges tun, damit die Business-Seite auf diese Kompetenz und Verantwortung stärker zurückgreift.

Die IT-Leiter sollten hier etwas forscher ihre Verantwortung für fachbereichsübergreifende Abläufe vertreten und die Kommunikation zwischen den Unternehmensteilen fördern.

Auf den ersten Blick erstaunt das Beharrungsvermögen, mit dem die befragten CIOs an etablierten Aufgaben und Techniken festhalten. Dauerbrenner ERP hält auch 2010 mit 31 Prozent den Spitzenplatz unter den wichtigsten Themen, mit denen sich die IT-Leiter heuer beschäftigen. Virtualisierung erachten immerhin 19 Prozent als sehr bedeutsam. Jungen IT-Trends wie Web 2.0, Cloud Computing und Flash Memory räumen die Studienteilnehmer zumindest für das Jahr 2010 keine große Bedeutung ein.

Projektverantwortliche Skeptiker

Den Einfluss neuer Techniken würden CIOs höher einschätzen, wenn sie nach deren Bedeutung in den nächsten 36 Monaten und nicht wie in der aktuellen Untersuchung für das laufende Jahr befragt worden wären. Die in der Unfrage dokumentierte Skepsis zeigt auch, wie sehr die CIOs aus ihren Erfahrungen schöpfen: Bisher hat noch fast jede technische Entwicklung länger bis zur allgemeinen Akzeptanz gebraucht, als die Auguren ursprünglich prognostiziert hatten.

Dennoch sollten die skeptischen Prozessverantwortlichen sich zumindest ein wenig mit den neuen Themen beschäftigen. Dann sind sie nicht zu überraschen, wenn sich die Dinge doch schneller entwickeln als gedacht.