Meet the winners

CIO des Jahres 2018: Die Digitalisierung hört nicht auf

07.12.2018 von Martin Bayer
Zum Ausklang des diesjährigen CIO-des-Jahres-Wettbewerbs gewährten die Gewinner Einblicke in ihre IT-Praxis. Dass es dabei immer noch 'menschelt', beruhigt den Kabarettisten Hannes Ringlstetter, gehört aber auch für die großen Online-Konzerne zur Tagesordnung.

"Veränderung ist die einzige Konstante, die darüber entscheidet, ob Unternehmen erfolgreich sind oder nicht", konstatierte Annette Maier, Managing Director Google Cloud in der DACH-Region, zum Auftakt des Post-Events für den "CIO des Jahres 2018". Wie rasant sich Business und die Adaption neuer Technologien in den vergangenen Jahren beschleunigt haben, kann die Managerin an verschiedenen Zahlen festmachen. Dauerte es noch ganze 75 Jahre, bis das Telefon weltweit von 50 Millionen Menschen genutzt wurde, durchbrach Twitter diese Marke bereits nach neun Monaten, das Spiel Pokemon Go sogar in 19 Tagen.

Meet the winners auf dem Post-Event zum CIO des Jahres 2018 (v.li.n.re.): Markus Schmitz (BA), Klaus Straub (BMW), Brigitte Falk (Cronimet) und Jutta von Mikusch-Buchberg (Premium AEROTEC)

Das sich immer schneller drehende Technik-Karussell wirbelt auch die Unternehmen kräftig durcheinander. Brauchte es 1958 im Durchschnitt noch gute 60 Jahre, bis sich etwas im S&P-Ranking änderte, gibt es heute alle zwei Wochen einen Wechsel, berichtet Maier, die den digitalen Wandel als zentralen Treiber dieser Entwicklungen identifiziert. "Die Digitalisierung hört nicht auf." Die Verantwortlichen in den Unternehmen müssen sich damit auseinandersetzen, macht Google Clouds DACH-Geschäftsführerin unmissverständlich klar.

Die Rolle Googles sieht Maier als Enabler für diese digitale Transformation. Gerade seine Cloud-Angebote hat der Suchmaschinenspezialist in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich ausgebaut. Die Managerin verweist auf Container-Technologien wie Kubernetes, rund 3000 selbst entwickelte Machine-Learning-Modelle, die man nun auch sukzessive den eigenen Cloud-Kunden zur Verfügung stellen werde, sowie massive Investitionen in Sicherheit. Google habe in den vergangenen Jahren rund 30 Milliarden Dollar in die Cloud-Infrastruktur investiert, sagt die Managerin.

"Wir können auch als großes Unternehmen schnell, agil und flexibel arbeiten", sagt Annette Maier, Managing Director Google Cloud in der DACH-Region.

Für die Unternehmen bedeutet das, dass sie sich mit ihren IT-Infrastrukturen und der damit verbundenen Komplexität auseinandersetzen müssen, schreibt Maier den Anwendern ins Hausaufgabenheft. Es gelte zu überlegen, welche Teile sich auslagern ließen, um die damit frei werdenden Ressourcen auf das kritische Kerngeschäft konzentrieren zu können. Die Möglichkeiten, an dieser Stelle, Wettbewerbsvorteile zu erzielen, würden laufend mehr, beteuert sie. Als Beispiele führt sie neue Methoden zur agilen Softwareentwicklung an sowie das wachsende Potenzial, durch immer ausgefeiltere Analyse-Werkzeuge bessere Einsichten in das eigene Geschäft zu gewinnen. Maier verweist auf die eigene Organisation mit derzeit 95.000 Mitarbeitern weltweit. "Wir können auch als großes Unternehmen schnell, agil und flexibel arbeiten."

Von digitalen Champions lernen

Das können andere indes auch, wie sich in der Runde "Meet the winners" zum CIO des Jahres 2018 schnell herausstellte. "Digitalisierung heißt Schnelligkeit", macht Klaus Straub, Gewinner des diesjährigen Innovation Award klar. Der CIO der BMW Group richtet seine Organisation darauf aus, schneller und vor allem flexibler auf Kundenanforderungen reagieren zu können. 50 Software-Releases am Tag herauszubringen, heißt sein Ziel. Abgeschaut hat er sich das von den Großen im weltweiten Internet-Business wie Google, Spotify und Uber. Lernen von den digitalen Champions, aber dabei den eigenen Weg finden, lautet Straubs Devise.

Klaus Straub, CIO der BMW Group, hat das Ziel ausgegeben, 50 Software-Releases am Tag herauszubringen.
Foto: IDG / Foto Vogt

Damit die Rechnung aufgeht, braucht es die passende Organisation und das richtige Umfeld für die Mitarbeiter. Straub hat seine agilen Teams nach Produkten und Domänen organisiert. Auch die Fachseite wird mit einbezogen, Abteilungskürzel sind tabu.

Um die richtigen Methoden zu finden, braucht es Kreativität und das richtige Fingerspitzengefühl bei Führungsthemen. Brigitte Falk, Leiterin Organisation und Information beim Weltmarktführer für Edelstahlrecycling hatte schlichtweg keinen Projektraum, um ihren Leuten einen separaten Platz mit dem entsprechenden Equipment für das agile Arbeiten zur Verfügung zu stellen. Kurzerhand organisierte die Gewinnerin in der Mittelstandskategorie des diesjährigen CIO des Jahres ein Kanban-Board auf Rollen, das ihre Mitarbeiter quer durch das gesamte Unternehmen hierhin und dorthin schoben - mit interessanten Nebeneffekten. Andere Mitarbeiter wurden neugierig, fragten nach, was es damit auf sich habe, und so verbreitete sich die Methode inversiv in der gesamten Firma. "Die Kunst liegt darin, das zu nutzen, was da ist", stellt Falk, die zuvor 20 Jahre lang bei Großunternehmen wie SAP tätig war, ganz pragmatisch fest.

Brigitte Falk, CIO bei einem Edelstahl-Recycler, hat einen ganz prgamatischen Rat: Das nutzen, was da ist.
Foto: IDG / Foto Vogt

"Man muss die Arbeit in der IT transparent machen", bestätigt auch Jutta von Mikusch-Buchberg, CIO von Premium AEROTEC, einem Zulieferer in der Flugzeugindustrie. Auf diesem Fundament könne man seine Leute für agile Methoden begeistern. Wenn die Aufgaben klar sind, könnten sich die Teams selbst organisieren. Ein Selbstläufer ist das Etablieren agiler Strukturen allerdings nicht, mahnt die CIO-des-Jahres-Siegerin in der Klasse der Großunternehmen. Man müsse Leuchtturmprojekte schaffen, das Ganze müsse vom Management angeschoben und gestützt werden.

Ganz wichtig dabei - das richtige Händchen zu haben. Es funktioniert nicht, wenn etwas nur vom Top Management verordnet wird, mahnt BMW-Mann Straub. Man müsse Leute finden, die für ein Thema brennen und "die Leute müssen Spaß haben". Ein gewisses Maß an Steuerung und klare Leitplanken für die Projekte müssen gegeben werden, erinnert sich Managerin Falk. Man dürfe seine Teams und die hinzugezogenen Mitarbeiter aus anderen Abteilungen schließlich nicht überlasten. "Sonst fängt man viel an, bringt aber nichts zu Ende." Sie konzentriert deshalb ihre Arbeiten auf fünf Fokusthemen innerhalb des Digitalisierungsprojekts. "Erst wenn eins rausgeht, kommt das nächste rein", lautet ihre einfache Regel.

IT-Chefs brauchen Humor und ein dickes Fell

Welche Wirkung neue agile Methoden entfalten und freisetzen können, zeigt sich in der Bundesagentur für Arbeit (BA). CIO Markus Schmitz hat seine Organisation dort radikal auf Kundenorientierung getrimmt und kann bereits erste Erfolge vorweisen. Die Nutzungsrate, online das Kindergeld zu beantragen, sei innerhalb weniger Monate von nicht einmal zwei auf 44 Prozent gestiegen, berichtet er. Dabei sei es durchaus eine "spezielle Sache, im öffentlichen Sektor IT zu machen", räumt er ein. Man werde oft belächelt, berichtet der BA-CIO. "Man muss Humor haben - und ein dickes Fell".

Markus Schmitz, CIO der Bundesagentur für Arbeit, hat Humor und ein dickes Fell.
Foto: IDG / Foto Vogt

Was die wichtigen Zukunfts-Themen angeht, sind vor allem Collaboration und Communication für Schmitz die großen Favoriten, während Portale eher das Thema von heute sind. Es gelte, zum Bürger hin zu arbeiten. Als Beispiel nennt er Dolmetscherdienste im Rahmen von Videoberatung und Hilfestellungen wie Chatbots und Co-Browsing, die sich künftig in Online-basierte Antragsprozesse einklinken lassen sollen.

"Back to Code", lautet Straubs Motto bei BMW. Die Eigenleistungsquote soll von 25 auf bis zu 50 Prozent in strategisch wichtigen Produkten steigen. Dafür müsse man selbst wieder mehr coden. Das hat sich im IT-Betrieb bereits bemerkbar gemacht. Wurden vor vier Jahren noch zwei Drittel des IT-Budgets für den Betrieb aufgewendet, hat sich das Verhältnis heute fast umgekehrt. Aktuell fließen rund 60 Prozent in Change-Themen, sagt Straub. Auch die Zahl der Service-Tickets hat sich deutlich verringert.

Falk zielt darauf ab, die Wertschöpfungskette des Unternehmens effizienter zu gestalten und zu Lieferanten und Kunden zu erweitern. Dabei hat die Managerin auch strategische Zukunftskonzepte fest im Blick - zum Beispiel die Blockchain. Diese Technik ließe sich beispielsweise für Verträge und Angebotsverhandlungen einsetzen. Auf diesem Wege könnte in Zukunft sichergestellt werden, dass die Vereinbarungen revisionssicher abgelegt werden können. Passt dann die Lieferung nicht so wie vereinbart, könnten alle Beteiligten in einer Blockchain auf die gleichen Dokumente zugreifen und unnötige Diskussionen verhindert werden. Allerdings ist die Umsetzung dieser Idee in der sehr traditionellen Branche bisher noch kein Thema.

Jutta von Mikusch-Buchberg, CIO von Premium Aerotec: "Die additive Fertigung revolutioniert derzeit den Flugzeugbau."

Premium AEROTEC setzt bereits Techniken wie 3D-Druck und Digital Twins ein, um die Produktion bei Premium AEROTEC zu digitalisieren. So biete beispielsweise der metallische 3D-Druck viel Potenzial im Produktionsbereich. "Die Additive Fertigung revolutioniert derzeit den Flugzeugbau und birgt noch nicht abschätzbare Potentiale sowohl für die Luftfahrt als auch für andere Industrien wie beispielsweise dem Automobilbau", sagt von Mikusch-Buchberg. "Ihre Stärken zeigt sie insbesondere dort, wo konventionelle Fertigung an ihre Grenzen stößt. Additive Fertigung ermöglicht Bauteilformen, die mit herkömmlichen Methoden nur schwer oder gar nicht herstellbar sind." Bereits 2016 startete Premium AEROTEC als weltweit erstes Unternehmen eine 3D-Serienproduktion für komplexe Titan-Flugzeugbauteile. Von der Entwicklung über die industrielle Umsetzung und Fertigung bis hin zur Auslieferung des Bauteils beherrscht Premium AEROTEC als einziges Luftfahrtunternehmen die gesamte Prozesskette.

Es geht um Menschen

Was die Prozesse anbelangt, kann auch Kabarettist Hannes Ringlstetter mitreden, der die Gäste bereits zum Auftakt des Post-Events zum CIO des Jahres 2018 mit einem laut und viel belachten Potpourri rund um die Internet-Aktivitäten von Politikern, Skurriles bei der Google-Suche sowie Sinn und Unsinn eindeutiger Online-Avancen, begeistert hatte.

Kaberettist Hannes Ringlstetter ist beruhigt - trotz aller Technik geht es nach wie vor um Menschen.

"Wenn man einen Scheißprozess digitalisiert, hat man am Ende einen digitalisierten Scheiß-Prozess", bringt es Ringlstetter zum Abschluss auf den Punkt, auch wenn er freimütig einräumt, im Grunde kein Wort verstanden zu haben. Immerhin habe er den Eindruck gewonnen, selbst bereits sehr agil zu arbeiten. Schließlich bedeuteten Methoden wie Scrum letzten Endes nichts anderes, als dass man sich zusammensetzt und miteinander spricht. Sein zufriedenes Fazit: "Es geht nach wie vor um Menschen."