Wie Coaching Managern hilft

Charaktere statt Erbsenzähler

02.08.2010 von Hans Königes
Statt Mitarbeiter zu motivieren und eine offene Diskussionskultur zu pflegen, kontrollieren Manager mehr, als dass sie inspirieren. Ein Fall fürs Coaching.
Joachim Wolbersen, Coach: "Der Blick von außen ermöglicht dem Manager, besser über seine Situation zu reflektieren.
Foto: Joachim Wolbersen

Ein Vorgesetzter, der neue Wege gehen will, muss bereit sein, sein Handeln kritisch zu hinterfragen. In vielen Unternehmen passiert genau das Gegenteil. Man konzentriert sich darauf, den eigenen Bereich "sauberzuhalten". Derweil schlummern die Probleme weiter unter der Decke. "Gebraucht werden charismatische Führungspersönlichkeiten mit einem klaren Profil -Charaktere, die für die Mitarbeiter verlässlich und berechenbar sind", lautet die Forderung von Joachim Wolbersen, erfahrener Trainer und Unternehmensberater, der die in Hamburg und Basel (Schweiz) ansässige Beratungsgesellschaft Guide Consulting betreibt und Mitgesellschafter des Instituts für Zukunftskompetenzen in Österreich ist.

Dazu müssten folgende Bedingungen erfüllt sein:

1. Im Unternehmen herrschen ein angstfreies Klima und eine offene, konstruktive Diskussionskultur.

2. Werte wie Verlässlichkeit, Vertrauen und Kritikfähigkeit werden von den Chefs "vorgelebt".

3. Ehrlichkeit ist ein Grundprinzip.

4. Eine "Schutzsphäre" muss vorhanden sein. Keiner wird für Fehler "zur Schnecke gemacht", sondern erhält die Möglichkeit, offen die Versäumnisse zu diskutieren, ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen.

5. Langfristige Personalentwicklung: Statt Nachwuchskräfte durch ständigen Positionswechsel zu verschleißen, lässt man sie in einem bestimmten Tätigkeitsfeld ausreichend Erfahrungen sammeln. Andererseits vermeidet man, jemanden drei Jahre oder länger in einer Position zu belassen, in der er sich nicht wohlfühlt.

Vor allem junge Führungskräfte haben heute einen anderen Anspruch an ihre Rolle als Manager. Sie möchten gestalten und verändern. Doch die Praxis sieht anders aus. Verschleiß durch Routine, Fremdsteuerung und Terminhatz rauben ihnen die Ressourcen. Was ihnen fehlt, ist ein "Rückzugsterritorium", wo sie abseits vom Tagesgeschäft über Neuerungen nachdenken können. Diesen Raum kann ein externes Coaching bieten. Deshalb empfiehlt Wolbersen "den Blick von außen". Dieser ermögliche dem Manager, über sich selbst zu reflektieren: Wie reagiert man in welchen Situationen und warum? Voraussetzung dafür sei, dass der Coach über ähnliche Erfahrungen als Führungskraft verfügt, um auf Augenhöhe mit seinem Schützling reden zu können. Gemeinsam analysieren sie eine aktuelle Situation. Dabei sorgt der Trainer in dosierter Form auch für "Provokationen", die das Weiterdenken ermöglichen.

Coach sollte Führungskraft gewesen sein

Oft suchen Führungskräfte Hilfe, wenn sie merken, dass ihre Lösungen plötzlich nicht mehr greifen. Schnell stoßen sie zu den Kernfragen: Welche persönlichen Lebenspläne haben sie bisher verfolgt und welche wollen sie tatsächlich? Wie soll man sie verwirklichen und dabei sein Potenzial voll nutzen? Viele haben das Gefühl, mit angezogener Handbremse durchs Leben zu fahren und sind entsprechend frustriert. Diese Stimmungen greift das Coaching auf. Voraussetzung dafür ist, dass der Trainer diese Fragen nicht nur theoretisch, sondern aus eigenem Erleben kennt. Nur Coachs, die selber Führungskräfte sind, wissen um die typischen Probleme eines Managers wie Streit ums Budget, "Postengeschachere" oder Teambildung. Auch sollte der Trainer nicht aus demselben Unternehmen kommen wie sein Schützling. Zu sehr wären beide in ein- und dasselbe Machtgefüge involviert, um unvoreingenommen aufeinander zuzugehen.

Der externe Coach befähigt seinen Schützling, eine andere Sicht auf die Welt zu entwickeln. Beide analysieren verschiedene Situationen, in denen der Manager sich unwohl fühlte oder seine Souveränität verlor. Aufgabe des Trainers ist es, diese Erlebnisse in einen Zusammenhang zu bringen, die Ursachen für die Reaktionen seines "Schützlings" aufzudecken. Der CIO (Chief Information Officer) eines bekannten Chemieunternehmens hatte einmal Probleme mit seinem Vorgesetzten. Jener würde selbstherrlich über ihn hinweg agieren und ließe keine Diskussion zu, so die Vorwürfe des IT-Managers. Weil er intern nicht weiterkam, suchte er einen Coach auf.

Nach drei Sitzungen kam der Grund für das angespannte Verhältnis zum Vorschein: Der Chef des CIO sprach denselben Dialekt wie dessen früherer Mathelehrer, mit dem dieser nicht zurecht kam. Der Vorgesetzte musste also nur den Mund aufmachen und sofort reagierte der Manager ablehnend. Nachdem er das verstanden hatte, bekam er vom Coach die Aufgabe aufzuschreiben, welche Personen so aussahen, so sprachen und so agierten wie der besagte Mathelehrer. Das Ergebnis war verblüffend wie logisch: Es waren ausnahmslos alles Menschen, mit denen der CIO negative Erfahrungen gemacht hatte. Nachdem er das verstanden hatte, konnte er sein Verhalten ändern. Das Verhältnis zu seinem Chef begann sich zu entspannen.

Gesucht: Leader mit Charisma

Rechnet sich Coaching? Wolbersen stellt die Gegenfrage: Was wäre, wenn durch schroffes und unsicheres Verhalten von Führungskräften hochqualifizierte Mitarbeiter kündigen? Was, wenn ein wichtiger Manager so überfordert ist und wegen Burn-Out-Syndrom ausfällt? Was ist es Unternehmen wert, ihr Geschäft so umzugestalten, dass es gestärkt und mit loyalen Mitarbeitern aus der Krise hervorgeht? "Topfirmen sind diejenigen, die souverän handelnde Führungskräfte mit einer sogenannten `Personal Excellence`-Haltung haben", weiß der Coach. Gemeint seien Manager, die positiv denken, "Menschen lieben" und ihren Mitarbeitern Werte vorlebten wie Ehrlichkeit und Kompromissfähigkeit und die Größe besäßen, eigene Schwächen und die anderer zu akzeptieren.