Virtualisierte Rechenzentren

Chancen - und Herausforderungen

05.11.2009 von Klaus Manhart
Die Tage des klassischen, statisch aufgebauten Rechenzentrums sind gezählt. In immer mehr Unternehmen wird das herkömmliche RZ durch virtualisierte Hardware-Pools ersetzt: Sie lassen sich deutlich flexibler einsetzen und kostengünstiger betreiben - stellen IT-Manager allerdings vor neue Herausforderungen.

Virtualisierte und automatisierte IT-Landschaften sind auf dem Vormarsch. Sie versprechen eine flexiblere IT, die leicht zu managen und kostengünstig zu betreiben ist. Für diesen Trend haben sich verschiedene Bezeichnungen eingebürgert: Die Rede ist von dynamischen beziehungsweise virtualisierten Rechenzentren, Dynamic IT oder Dynamic Data Center, kurz DDC.

So verschieden die Begriffe: Der Grundansatz ist gleich. Die starre Zuordnung von Software und Hardware wird ersetzt durch einen Ressourcen-Pool mit Speicher- und Serversystemen. Virtualisierung entkoppelt dabei die Applikationen und ihre Daten von der Hardware. Je nach Bedarf können damit die Hardware-Ressourcen den Anwendungen zugewiesen werden. Diese Zuweisung erfolgt automatisch nach vorab festgelegten Regeln.

Herkömmlichen Rechenzentren droht damit das Aus. Die starre Verknüpfung von Hardware und Anwendung genügt modernen Anforderungen kaum mehr. Dutzend- und Hundertfach potenziert führt sie zu einem explosionsartigen, chaotischen Wachstum von Rechnern, Storage und anderer Hardware. Schließlich muss ein Maximum an Ressourcen bereit gestellt werden, um bestimmte Applikationen fahren oder Spitzenbelastungen abfangen zu können.

Dabei sind die Hardware-Komponenten die meiste Zeit nur gering beansprucht. So zeigt eine Symantec-Untersuchung von 2009, dass die Rechenzentren im Schnitt nur 53 Prozent ihrer Server-Kapazitäten nutzen. Im Storage-Segment ist der Auslastungsgrad mit 50 Prozent sogar noch geringer. Eine IDC-Studie von 2008 spricht gar nur von einem durchschnittlichen Auslastungsgrad von fünf bis zehn Prozent - laut IDC-Prognosen bedeutet das 140 Milliarden Dollar ungenutzte Server-Kapazität im Jahr 2010.

Dynamic Data Center - mehr als Virtualisierung

Mittels Virtualisierung lässt sich ein Rechenzentrum hingegen flexibel betreiben. Sie ist die erste Säule eines DDC. Virtualisierung entkoppelt Betriebssysteme, Applikationen und Daten von der Hardware, macht sie unabhängig. Ressourcen lassen sich so in einem Pool sammeln - und den Anwendungen je nach Bedarf zuweisen. Braucht die Entwicklung gerade viel Rechenpower bekommt sie zusätzliche Server, die die Buchhaltung vielleicht gerade nicht benötigt. So lässt sich die Hardware effektiver auslasten.

Virtualisierung für sich macht aus einem traditionellen Rechenzentrum noch kein DDC. Dynamik kommt dann ins Spiel, wenn Virtualisierung mit Automatisierung verbunden wird. Benötigen bestimmte Dienste mehr Ressourcen, wird automatisch Hardware hinzugeschaltet. Crasht ein Server oder eine Festplatte, wird eine Ersatzressource bereit gestellt - ohne menschliches Zutun.

Durch die Automatisierung werden die IT-Infrastrukturen nach vorher definierten Regeln an die Umgebung angepasst. Diese Regeln überwachen die IT-Landschaft betriebssystem-, applikations- und serverübergreifend und sorgen dafür, dass die Ressourcen entsprechend den aktuellen Anforderungen dynamisch verteilt werden. So ist es möglich, auf unterschiedlichste Anforderungen zu reagieren und Anwendungen und Systeme zu starten, zu stoppen sowie Kapazitäten zu verlagern.

Die drastisch erhöhte Anpassungsfähigkeit verbessert die Auslastung von Server- und Speichersystemen, erhöht den Nutzungsrad der verfügbaren Ressourcen - und spart letztendlich Kosten. Laut einer BearingPoint-Studie reduziert beispielsweise eine virtualisierte DDC-Infrastruktur für SAP IT-Kosten um 40 bis 60 Prozent, der ROI liegt bei etwa 110 Prozent.

Technische und organisatorische Hürden

So vielversprechend Virtualisierung und Automatisierung auch sind - auf CIOs und IT-Manager kommen neue Herausforderungen zu. Das vergleichsweise geringste Problem ist die technische Seite. So müssen bei der Einführung von Virtualisierung komplexe Konfigurationsänderungen an Netzwerk, Servern und Storage vorgenommen werden. Danach ist das gesamte System sorgfältig zu überwachen, um mit entsprechenden Anpassungen eine optimale Auslastung zu erzielen.

"Wenn sich durch die Virtualisierung plötzlich die Zuordnung der IT-Infrastruktur zu den Fachabteilungen gleichsam auflöst und an die Stelle der Hardwarekosten nutzungsabhängige Berechnungsmodelle treten, stellt sich die Frage, wem die Infrastruktur intern gehört", gibt Thomas Meyer, Vice President System and Infrastructure Solutions bei IDC, zu bedenken.

Doch hier beginnen bereits die Probleme. So mangelt es vielen Unternehmen am dazu erforderlichen Know-how und an Spezialisten - laut einer IDC-Befragung das größte Manko. "Wichtig ist es, Mitarbeiter anzulernen und weiterzubilden", sagt Thomas Meyer, Vice President System and Infrastructure Solutions bei IDC. "In den meisten Fällen entwickelt sich eine neue Sparte von IT-Facharbeitern, die eine besondere Ausrichtung auf Virtualisierung haben. So werden in vielen Firmen auch extra Virtualisierungs-Manager eingestellt, die diesen Bereich vorantreiben."

Die eigentliche Herausforderung für den CIO stellt sich auf organisatorischer Seite. Denn ein DDC wirkt sich auf die gesamte Unternehmensorganisation gravierend aus. "Wenn sich durch die Virtualisierung plötzlich die Zuordnung der IT-Infrastruktur zu den Fachabteilungen gleichsam auflöst und an die Stelle der Hardwarekosten nutzungsabhängige Berechnungsmodelle treten, stellt sich die Frage, wem die Infrastruktur intern gehört", gibt Analyst Meyer zu bedenken.

Geklärt werden muss also die Frage, wie IT-Leistungen abgerechnet werden, wenn traditionelle Zuordnungen aufgelöst werden. Werden im konventionellen Rechenzentrum etwa Server abteilungsweise zugeordnet, müssen nun andere Leistungs- und Abrechnungsmodelle herangezogen werden - wie etwa CPU-Auslastung oder Applikationsnutzung.

Schließlich müssen mit der Umstellung auf ein DDC auch Kompetenzen verändert werden. Der Rechenzentrums-Administrator ist beispielsweise nicht mehr nur für Server zuständig, sondern auch für Storage oder Applikationen. Solche Umstellungen werden zu Frustrationen und Diskussionen führen. Vor allem müssen in einem DDC verschiedene Teams für Server, Storage, Netzwerk, Sicherheit, Backup und Compliance ganz eng zusammenarbeiten - eine echte Herausforderung für den CIO.