CeBIT 2006: "Wir haben aus dem Markt herausgeholt, was möglich ist."

14.12.2005 von Jan-Bernd Meyer
Ernst Raue ist Chef der Messe AG in Hannover. Über die Gegenwart und Zukunft der CeBIT sprach er mit CW-Redakteur Jan-Bernd Meyer.

CW: Sie wurden in jüngster Vergangenheit für einen unklaren Kurs der CeBIT gescholten: Zum einen soll sie eine Business-Messe in reiner Form sein, zum anderen aber auch die Unterhaltungselektronik einbinden. Hat die CeBIT ein Problem, sich selbst zu definieren?

RAUE: Nein. Natürlich ist die CeBIT eine Business-Messe. Dafür ist sie gemacht. Im Grunde zeigen wir hier Kundenlösungen nach Bedarf. Im Jahr 2004 hatten wir uns ja klar ausgerichtet und drei horizontale Bereiche definiert: zum einen alles, was im Unternehmen abläuft, also die Business-Prozesse. Das sehen Sie in den Hallen 1 bis 9. Da zeigen wir sämtliche Lösungen, auch die für den Mittelstand.

Einen weiteren Bereich haben wir als Digital Equipment and Systems bezeichnet. Hier präsentieren alle Anbieter von Hardware. Der dritte große Bereich beschäftigt sich mit Kommunikationstechnik. Vor allem dieser hat den Markt in der Vergangenheit angetrieben.

CW: Das beantwortet nicht die Frage…

Messechef Ernst Raue sieht der jährlichen IFA gelassen entgegen.

RAUE: Nun, gerade bei den Kommunikationstechniken sehen Sie viele Lösungen, bei denen Sie nicht mehr zwischen Privatnutzung und Arbeit trennen können. Meine Aussage von vor zwei Jahren, dass die Arbeits- und Lebenswelten zusammenwachsen, ist deshalb weiter gültig, und das spiegelt sich auch in der CeBIT wider. Die Dinge wachsen zusammen, und die CeBIT zeigt dieses gesamte Spektrum - übrigens als einzige Messe überhaupt.

CW: Trotzdem noch einmal: Welche Wertigkeit haben die Unterhaltungselektronik und die Business-Lösungen für die CeBIT?

RAUE: Der Markt für die private digitale Nutzung wächst dynamischer als der Business-Markt. Letzterer ist aber mit einem Anteil von 80 Prozent viermal so groß.

CW: 2004 hatte die CeBIT aus dieser Erkenntnis heraus das Thema "Digital Lifestyle" geboren, im kommenden Jahr nennen Sie es "Digital Living". Geben Sie demselben Kind unterschiedliche Namen, um dem Besucher das Gleiche zu verkaufen?

RAUE: Digital Lifestyle und Digital Living verkörpern in der Tat etwas Ähnliches. Aber den Begriff Digital Living haben wir uns schützen lassen, weil wir wussten, dass dieses Thema in Zukunft jeden begleiten wird. Die Sonderschau kommendes Jahr in Halle 27 zeigt deshalb exemplarisch, wie verschiedenste Geräte und IT-Anwendungen im privaten Haushalt zusammenwirken. Dieser Bereich ist als Event gedacht, übrigens auch bis 22 Uhr geöffnet.

CW: In jüngsten Berichten wurde auf Unternehmen verwiesen, die der CeBIT 2006 fernbleiben werden - Cisco zum Beispiel. Dies sollte ein nachlassendes Interesse an der ITK-Leitmesse dokumentiere.

RAUE: Hier sind einige Dinge schlicht falsch dargestellt worden. Debitel, eine der Firmen, die angeblich 2006 nicht kommen würden, hat gerade erst in einer Pressemitteilung veröffentlicht, dass sie natürlich an der CeBIT teilnimmt. Alcatel wird ebenso vor Ort sein wie all die Jahre zuvor. AMD kommt auch, das Unternehmen stellt in Halle 2 sogar einen großen Stand auf. Sony - um ein anderes viel diskutiertes Beispiel zu nennen - hat zum einen für die Internationale Funkausstellung in Berlin noch nicht zugesagt. Zum anderen kennt jeder seine wirtschaftlichen Probleme mit Entlassungen und etwa der Standortschließung in Köln. Man kann verstehen, dass dieses Unternehmen momentan andere Gedanken hat. Eine Firma Apple war schon seit Jahren nicht auf der CeBIT, Apple macht seine eigene Messe. Philips war 2005 schon nicht in Hannover, Dell seit Jahren nicht.

CW: Apropos IFA: Ist die Berliner Messe ein Problem für die CeBIT?

RAUE: Die CeBIT ist viel breiter aufgestellt. Unsere Messe beleuchtet auf rund 35000 Quadratmetern Ausstellungsfläche nur dieses Thema.

CW: Über die Jahre muss man einen drastischen Rückgang der Ausstellerzahlen von 8106 Teilnehmern im Jahr 2001 auf 6300 im März 2006 konstatieren. Ist das nicht alarmierend?

RAUE: Insbesondere in unserer Branche haben wir in der Vergangenheit einen enormen Hype erlebt, der durch die Dotcom-Entwicklung noch mehr angetrieben wurde. Dieser Hype ist weg. Wachstumszahlen im zweistelligen Bereich gehören der Vergangenheit an, heute ist man froh über 1,5 Prozent Steigerungsraten. All das bildet sich auch bei der CeBIT ab.

Ich halte es nicht für richtig, hier Zahlen von früher mit heute zu vergleichen. Klar, wenn Sie die Werte kalt nebeneinander stellen, können Sie sagen, die CeBIT hat einen Absturz erlebt. Aber die CeBIT hat sich noch einmal vom Wettbewerb absetzen können. Gelitten haben wir alle. Insofern ist die CeBIT ein Spiegelbild des Marktes und wir haben aus dem Markt herausgeholt, was möglich ist.