CeBIT 2006: Die UMTS-Evolution

11.01.2006 von Jürgen Hill
In Hannover lösen die Mobilfunker endlich das Versprechen der schnellen mobilen Datenübertragung ein.

Als die Mobilfunkkonzerne im Sommer 2000 mehr als 50 Milliarden Euro für die UMTS-Lizenzen in Deutschland bezahlten, wurden diese horrenden Ausgaben immer wieder mit dem Datenübertragungspotenzial der neuen Mobilfunktechnik gerechtfertigt. Schon damals war großspurig von Download-Raten von bis zu 2 Mbit/s die Rede.

Hier lesen Sie ...

  • wie die UMTS-Evolution aussieht;

  • was das zur CeBIT erwartete HSDPA bringt;

  • welche Endgeräte für HSDPA fit sind;

  • wann die weiteren Migrationsschritte für UMTS geplant sind.

Noch ist der Mobilfunk der vierten Generation eine Zukunftsvision, aber die Hersteller haben die kommende Technik bereits fest in ihre Roadmaps eingeplant.

Die Realität sieht heute allerdings anders aus: Unter guten Empfangsbedingungen können die UMTS-User Daten im Downlink mit 384 Kbit/s empfangen und mit rund 53 Kbit/s versenden (siehe Kasten "Problemfall Datenfunk"). Noch störender macht sich in der Praxis ein anderes Detail bemerkbar: Die Verzögerung, die Round Trip Time eines Datenpaketes, beträgt bei UMTS rund 400 Millisekunden. Dies bereitet vor allem im professionellen Umfeld beim Einsatz von VPNs oder Echtzeitorientierten Client-Server-Anwendungen Schwierigkeiten.

Das bringt HSDPA

Diese Probleme sollen ab der CeBIT 2006 der Vergangenheit angehören. Auf der Messe wollen die Netzbetreiber die zweite UMTS-Generation vorstellen. Sie stellen Datentransferraten in Aussicht, die vor kurzem noch bei DSL als state of the art galten. Das Akronym, das man sich nun merken muss, lautet HSDPA: Mit dem High Speed Downlink Packet Access werden im Download Transferraten von bis zu 1,8 Mbit/s und im Upload von bis zu 384 Kbit/s angepeilt. Noch interessanter dürfte für Business-Kunden ein anderer Aspekt sein: Mit HSDPA soll sich die Round Trip Time auf 100 Millisekunden reduzieren, womit die nächste UMTS-Variante besser für zeitkritische IT-Anwendungen geeignet ist.

Die Technik dahinter

Technisch gesehen ist HSDPA eine Weiterentwicklung des bisherigen UMTS-Standards, bei dem der Funkverkehr in einer Zelle besser organisiert wird. Dazu wurden unter anderem auf der Funkstrecke von der Sendestation zum Teilnehmer die Übertragungsverfahren verbessert. Während UMTS das Modulationsverfahren Quadrature Phase Shift Keying (QPSK) verwendet, wird speziell für HSDPA künftig die Quadrature Amplitude Modulation (16QAM) eingesetzt. Ferner sind die Basisstationen - salopp ausgedrückt - schlauer geworden: Sie sind künftig in der Lage, fehlerhafte oder gestörte Signale besser als bisher aus dem Wellensalat herauszufischen und das Orginalsignal zu rekonstruieren. Dies soll letztlich zu einer zuverlässigeren Kommunikation zwischen mobilem HSDPA-Endgerät und Basisstation führen. Des Weiteren wird bei HSDPA im Funkprotokoll ein Übertragungskanal für die Nutzdaten eingeführt, der "High Speed Downlink Shared Channel".

Im Wettlauf der Zugangstechnologien holt der Mobilfunk weiter auf. Mit Super 3G werden Datenraten wie im Festnetz mit VDSL erreicht.

Auf diesem Kanal teilen sich mehrere Benutzer die Ressourcen der Luftschnittstelle. Die Basisstation trifft dabei mittels "Scheduling" die Entscheidung, welcher Teilnehmer zu welchem Zeitpunkt sein Datenpaket zugewiesen bekommt. Dies geschieht bei HSDPA alle zwei Millisekunden im Gegensatz zu UMTS, das noch mit Zeitschlitzen von fast 20 Millisekunden arbeitet. Diese Verkürzung der Timeslots ermöglicht unter anderem die kürzere Round Trip Time von 100 Millisekunden.

Neben der höheren Geschwindigkeit und den verbesserten Antwortzeiten bietet die neue Technik, wie Hartmut Kremling, CTO bei Vodafone Deutschland, erklärt, noch einen Vorteil: "Die Kapazität einer HSDPA-Funkzelle ist dreimal höher als bei UMTS, es können also mehr Teilnehmer gleichzeitig mit einer höheren Datenrate ins Netz gehen." Eine Aussage, die aber auf der CeBIT - zu diesem Termin will T-Mobile den kommerziellen HSDPA-Betrieb starten, während Vodafone noch vom ersten Halbjahr 2006 orakelt - die wenigsten Besucher überprüfen können.

Die Mobilfunk-Evolution

Um die Problematik der Datenübertragung im Mobilfunk besser zu verstehen, hilft ein Blick zurück:

Das heute so populäre GSM (Global Standard for Mobile Communications) wurde primär entwickelt, um in Europa endlich einheitliche Standards für das mobile Telefonieren einzuführen. Vorher gab es verschiedene analoge Netze (erste Generation) die meist auf ein Land begrenzt waren. Hierzulande etwa das 1985 von der Deutschen Bundespost in Betrieb genommene C-Netz (Abschaltung im Dezember 2000).

Das digitale GSM entwickelte sich als zweite Mobilfunkgeneration schnell zum Welterfolg und schaffte auch den Sprung in die USA. Bei der Datenübertragung stieß GSM allerdings an seine Grenzen. Mit der klassischen CSD-Technik (zeitabhängige Einwahlverbindungen - leitungsvermittelt) schaffte man typischerweise eine Datenrate von 9600 Bit/s. Das klingt aus heutiger Sicht im DSL-Zeitalter schrecklich langsam, konnte aber 1992 bei der Einführung der D-Netze in Deutschland durchaus noch als State of the Art gelten. Selbst im Festnetz waren zu diesem Zeitpunkt noch analoge Modems weit verbreitet, denn das 1989 eingeführte ISDN war damals teuer.

Mit Kanalbündelung (HSCSD - High Speed Circuit Switched Data) oder der paketvermittelten GPRS-Technik (General Packet Radio Service) sind derzeit maximal rund 43 Kbit/s in den GSM-Netzen möglich. Der Wunsch nach Vereinheitlichung (in Japan wurden bislang beispielsweise ganz andere Technologien eingesetzt) und nach höheren Übertragungsbandbreiten waren nur zwei der Auslöser für die Entwicklung von UMTS, dem "Universellen Mobilen Telekommunikations-Standard" im Rahmen des weltweiten IMT-2000-Projektes. UMTS wurde deshalb von vornherein als universaler Standard mit starker Ausrichtung auf die schnelle Datenübertragung entwickelt. Die aktuelle Version erlaubt bis zu 384 Kbit/s im Downlink.

Das brauchen Sie für HSDPA

Um überhaupt in den Genuss der höheren Bandbreite zu kommen, muss das Gros der Anwender in neue Hardware investieren. Selbst noch relativ junge UMTS-Mobiltelefone, die häufig über ein integriertes Daten-"Modem" verfügen, lassen sich nicht per Software-Upgrade auf die neue Technik umrüsten. Ihre DSPs (Digital Signaling Processors) sind nach Auskunft von Branchenkennern nicht leistungsfähig genug. Auch Besitzern des populären "MDA Pro" von T-Mobile oder des "VPA IV UMTS", wie der erste Pocket-PC mit UMTS-Funkteil bei Vodafone heißt, bleibt die HSDPA-Überholspur verwehrt. Obwohl die von HTC produzierten Endgeräte erst im Spätsommer 2005 auf den Markt kamen, lassen sie sich nicht aufrüsten. Insider wollen aber wissen, dass HTC im ersten Halbjahr 2006 ein überarbeitetes Modell mit neuen Chipsätzen auf den Markt bringt, das dann HSDPA-fähig ist.

Datenturbo: Ab der CeBIT können mit HSDPA Daten mobil mit fast 2 Mbit/s empfangen und mit 384 Kbit/s versendet werden.

Immerhin haben T-Mobile und Vodafone jeweils eine Datenkarte für Notebooks im Programm, bei der ein Software-Upgrade auf HSDPA möglich sein soll. Allerdings muss der Käufer hier auf die genaue Modellbezeichnung achten (T-Mobile: Mobile DSL Card 1800; Vodafone: MCC UMTS/ HDSPA). Die anderen Datenkarten der Mobilfunker lassen sich nicht upgraden.

Doch selbst wer eine der wenigen HSDPA-fähigen Datenkarten besitzt, hat damit nicht automatisch zukunftssicher investiert: Für 2007 ist nämlich mit HSUPA die nächste UMTS-Evolutionsstufe angekündigt. Mit dem High Speed Uplink Packet Access soll die Transferrate im Uplink auf 1 Mbit/s gesteigert werden. Zudem verbessert sich laut Vodafone-CTO Kremling die Round-Trip-Zeit auf 50 Millisekunden. Allerdings wird die neue Technik von keinem der heute auf dem Markt erhältlichen Endgeräte unterstützt, so dass alle Anwender heutiger UMTS-Geräte und -Datenkarten neues Equipment kaufen müssen.

Mehr Leistung

Später sollen mit dieser Technik, die auch als Enhanced Uplink bezeichnet wird, Upload-Raten von bis zu 5,6 Mbit/s erreicht werden. Und in Mikrozellen oder beim stationären Indoor-Einsatz sind in Kombination mit HSDPA ferner Download-Raten von bis zu 14,4 Mbit/s angepeilt. Angesichts dieses Leistungspotenzials ist Vodafone-Mann Kremling überzeugt, dass auch mit UMTS alles möglich ist, was derzeit für die Funktechnik Wimax propagiert wird, die Vodafone in einem Pilotversuch in Düsseldorf testet.

Noch einen Schritt weiter geht Michael Meyer vom Ericsson Eurolab in Aachen in seiner Bewertung der beiden Verfahren. Zwar hält auch er die Leistungsdaten von UMTS/HSDPA/HSUPA und Wimax für vergleichbar, sieht aber für UMTS aufgrund des zeitlichen Vorsprungs die besseren Marktchancen. "Zumal bei Wimax die Spektrumssituation noch unklar ist und eine Mobilitätsunterstützung erst mit dem IEEE-Standard 802.16e im Jahr 2007 kommt", so Meyer weiter.

Problemfall Datenfunk

UMTS verwendet auf der Luftschnittstelle das WCDMA-Verfahren (Wideband Code Division Multiple Access). Während bei GSM die Daten auf verschiedenen Kanälen (Frequenzen) und zeitgetaktet (TDMA) übertragen werden, wird bei UMTS die Information im Codemultiplex übertragen. Vereinfacht ausgedrückt stellt man sich dabei eine Funkzelle, wie Vodafone-CTO Hartmut Kremling erklärt, als großen Raum mit vielen Menschen vor, die sich alle gleichzeitig unterhalten (etwa auf einer Party), wobei die verschiedenen Gesprächspartner jeweils unterschiedliche Sprachen verwenden. Obwohl viele Menschen im Raum sind und gleichzeitig sprechen, ist das menschliche Gehirn in der Lage, sich auf die Sprache und damit den Code des Gegenübers einzustellen und auf diese Weise das Gesprochene zu "decodieren".

Wenn der Saal voller wird und alle miteinander sprechen, wird das Gemurmel und damit der Hintergrundgeräuschpegel stärker. Das hat zur Folge, dass die Leute lauter sprechen müssen, um noch etwas zu verstehen. Natürlich geht das nur bis zu einem gewissen Grad. Insbesondere wenn die beiden Sprecher weiter auseinander stehen, müssen sie schreien, um den Geräuschpegel der anderen zu übertönen und das Gegenüber noch zu verstehen. Irgendwann kann man jedoch nicht mehr lauter schreien, so dass dann das Gespräch abbricht (Kapazitätsgrenze). Die Entfernung, über die das Gespräch noch aufrechterhalten werden kann, hängt dabei sehr stark von der Anzahl der Personen im Raum und damit dem Hintergrundgeräuschpegel ab. Bei relativ leerem Raum ist ein Gespräch in geringer Lautstärke auch noch über weitere Entfernungen möglich. Bei vielen Personen nützt hingegen alles Schreien nichts mehr, um sich mit jemanden in der hintersten Ecke des Raumes zu verständigen. Im UMTS-Netz nennt man diesen Effekt "Zellschrumpfung".

Auch der Effekt der dynamischen Anpassung der Datenrate bei UMTS lässt sich an diesem Beispiel veranschaulichen. Wenn zwei Sprecher weiter auseinander sind, rufen sie sich etwas zu, wie etwa auf dem Börsenparkett. Je größer der Abstand, desto höher die Fehlerrate. Entweder müssen die Sätze anders formuliert oder deutlicher gesprochen werden, um sich beim Gegenüber verständlich zu machen, oder aber Daten müssen sogar wiederholt werden ("Können Sie das noch einmal wiederholen, ich habe Sie nicht verstanden!"). Stehen die Leute näher beieinander, reden sie leiser und schneller und brauchen unter Umständen nichts zu wiederholen. Genauso arbeitet die Übertragung bei UMTS, sie passt den Kanal an die sich ändernden Umgebungsbedingungen an. Teilnehmer, die in der Nähe der Basisstation sind, können mit einer höheren Datenrate versorgt werden als solche, die etwas weiter weg sind. Diese Zustände sind dynamisch, ändern sich also permanent, besonders wenn der Teilnehmer sich bewegt.

Super 3G - die letzte Stufe

Mit HSDPA und HSUPA ist dann aus heutiger Sicht das Leistungspotenzial von UMTS ausgereizt. Zwar wird das für 2008 oder 2009 propagierte Super 3G als konsequente Fortsetzung der UMTS-Evolution bezeichnet, doch technisch gibt es einige grundlegende Unterschiede. So verwendet Super 3G, bei dessen Entwicklung der Fokus auf Datendiensten mit hohen Transferraten (Downlink: bis zu 100 Mbit/s, Uplink: bis zu 50 Mbit/s) liegt, ein anderes Modulationsverfahren als UMTS. Während bei UMTS auf der Luftschnittstelle W-CDMA verwendet wird, kommt bei Super 3G OFDM (Orthogonal Frequency Division Multiplexing) zum Einsatz. Dieses Verfahren erlaubt laut Ericsson-Forscher Meyer eine einfachere Verarbeitung der Funksignale, "was längere Akkulaufzeiten für die Endgeräte bringt". Ferner profitiert der Anwender bei der neuen Technik von noch niedrigeren Latenzzeiten: Im Gespräch sind Werte um die zehn Millisekunden. Des Weiteren verspricht Super 3G durch das vorgesehene Mehr-Antennen-Konzept eine verbesserte Funkabdeckung sowie eine höhere Kapazität durch räumliches Multiplexen.

Für die Netzbetreiber hat Super 3G den Vorteil, dass sie relativ einfach den Betrieb mit unterschiedlichen Bandbreiten konfigurieren können. Ferner soll eine Super-3G-Funkzelle die dreifache Nutzerkapazität von HSDPA aufweisen, was die Kosten verringert. Ebenso kostendämpfend für die Carrier ist die Möglichkeit, bei der UMTS-Infrastruktur weiterzuverwenden.

4G - der Systemwechsel

Geringe Investitionskosten sind für Super 3G auch ein Muss, denn die Technik hat bereits heute nur ein begrenztes Zeitfenster. Für 2013 oder 2014 rechnen Experten nämlich schon mit der vierten Mobilfunkgeneration. Eine erste Weichenstellung in Richtung 4G soll Ende 2007 auf der World Radio Conference erfolgen, wenn die weltweite Zuteilung der Funkfrequenzen neu geregelt wird.