CDU-Politiker Rüttgers gegen "Treibjagd" auf die Deutsche Telekom

29.06.2006
Der nordrheinwestfälische Ministerpräsident wendet sich gegen EU-Kommissarin Viviane Reding. Er ist dafür, die Telekom in ihren Breitband-Investitionsplänen vor den Wettbewerbern zu schützen.

Jürgen Rüttgers widerspricht in einem Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung" dem Vorwurf, die deutsche Regierung wolle einen Schutzzaun um den Bonner TK-Riesen errichten. Andererseits sagt er aber auch, der Deutschen Telekom dürften beim Aufbau des neuen Hochgeschwindigkeitsnetzes VDSL keine neuen Regulierungslasten zugemutet werden. "Wir werden das nicht zulassen, denn gerade Investitionen in die Informations- und Kommunikationstechnologie sind von herausragender Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland", so Rüttgers wörtlich im SZ-Interview.

EU-Kommissarin Viviane Reding übte harsche Kritik am Schmusekurs der deutschen Politik gegenüber der Telekom

Hintergrund der Diskussion ist eine von der EU-Kommission heftig kritisierte Änderung des Telekommunikationsgesetzes, die seitens der Koalitionsregierung vor einem Monat beschlossen worden war (siehe: EU-Kommisarin Reding kritisiert TK-Regulierungspraxis in Deutschland). Neue Märkte sollen danach künftig nur noch dann reguliert werden, wenn sonst der Wettbewerb langfristig behindert würde - ein Freifahrtschein für die Telekom, die vorerst keine Regulierung ihres VDSL-Netzes befürchten muss. Die Bonner hatten ihren Plan, drei Milliarden Euro in den Ausbau ihres Hochgeschwindigkeitsnetzes zu investieren, vom Entgegenkommen der Regierung in Sachen Regulierung abhängig gemacht. Konkurrenten sollen zunächst keinen Zugang zum VDSL-Netz haben, damit der ehemalige Staatscarrier seine hohen Investitionen durch exklusive Geschäfte kompensieren kann.

Laut Rüttgers waren sich SPD und CDU schon in den Koalitionsverhandlungen darin einig, dass die in Highspeed-Breitbandnetze getätigten Investitionen besonders riskant und daher schützenswert seien. Die dazu passenden Geschäftsmodelle seien erst im Entstehen. "Ich habe großes Verständnis für die Deutsche Telekom, wenn sie zusätzlich zu ihren unternehmerischen Risiken als Pionierunternehmen nicht auch noch völlig unkalkulierbare Regulierungsauflagen durch die Bundesnetzagentur tragen möchte", so Rüttgers. Wer zur "Treibjagd auf die Telekom blase, riskiere, dass Deutschland im internationalen Standortwettbewerb weiter hinter führende Breitbandnationen wie die USA, Japan und Südkorea zurückfallen werde.

Nur wer die Telekom schützt, kann Innovationen erwarten,meint CDU-Poltiker Jürgen Rüttgers

Rüttgers zufolge war eine scharfe Regulierung zur Öffnung des deutschen TK-Marktes im Jahr 1998 sinnvoll, sie habe zu einem beispiellosen Preiswettbewerb geführt. Diese "wettbewerbliche Schnittmuster" lasse sich aber nicht auf die Breitbandmärkte der Zukunft übertragen. Das Beispiel der USA zeige, dass der Verzicht auf Regulierung zu massiven Investitionen in die Breitbandinfrastruktur geführt habe.

Dass Reding auf den nordrheinwestfälischen Ministerpräsidenten hören wird, scheint indes unwahrscheinlich. Immerhin ist die Bundesregierung an der Telekom direkt mit 14,6 Prozent und indirekt über die staatseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau mit 16,6 Prozent beteiligt. Hier spricht also keine neutrale politische Instanz, sondern - ob Rüttgers will oder nicht - eine interessierte Partei. (hv)