Career Computing

02.09.1983

Harald Speyer, Zentraleuropachef bei Commodore Frankfurt

Es gibt Zeitgenossen, die trotz allen Wissens, immenser Mühe und glücherlicher Umstände keinen angemessenen Berufserfolg erreichen. Läßt sich solches Ungemach mit Computerhilfe künftig vermeiden?

Die tägliche Beobachtung lehrt: Der Vormarsch in Spitzenpositionen ist einerseits starrköpfigen "Fachidioten" gewöhnlich verbaut. Zu sehr auf enge Sachgebiete fixiert, sind sie meist blind Für Interdependenzen und unfähig zur Menschenführung. Andererseits bleibt der Firmenolymp auch professionellen Verzettlern verschlossen, die in möglichst vielen Bereichen mitreden und -halten wollen. Die Alleswisser entfalten nirgendwo jene Schubkraft, die für berufliche Höhenflüge erforderlich ist.

Beherrschung der instrumentellen Dimension

Verhinderte Karrieristen, die ihre Energien falsch einsetzen, gab es schon immer. Deren strategischen Mankos verdanken nicht wenige Aufsteiger, die nur mittelmäßige Qualitäten vorweisen, oftmals ihren Einzug in die Beletagen. Sie konzentrierten schlicht weg ihre vorhandenen Kräfte konsequenter auf chancenvolle Aktionsfelder, konkrete Leistungsziele und effizient einsetzbaren Wissensstoff. Solch operatives Geschick ist zwar weiterin eine unverzichtbare, doch keinesfalls allein dominierende oder gar hinreichende Komponente im lebenslagen Ringen um Aufstieg, Prestige und Positionen. Denn der technische Fortschritt unserer Zeit signalisiert heute jedem, der eine Führungslaufbahn anstrebt: Die Beherrschung der instrumentellen Dimension - nämlich die Nutzung hochwertiger Hilfsmittel, Werkzeuge und Methoden - rückt in der Rangskala der Erfolgskomponenten sichtbar nach oben.

Seit den sechziger Jahren ist es für Aufstiegsaspiranten unerläßlich, sich - je nach Zielrichtung - fundiertes Organisations-, Verkaufs- oder Verhandlungs-Know-how sowie aktuelle Managementtechniken anzueignen. Indes zeichnet sich seit längerem ab, daß solche und ähnliche Fertigkeiten keineswegs mehr ausreichen, um qualifiziertes Wissens- beziehungsweise Leistungspotential bestmöglich zum Tragen zu bringen. In dieser und noch mehr in der kommenden Dekade wird am ehesten reüssieren können, wer zudem mit den Informations- und Kommunikationstechnologien ebenso vertraut ist wie mit den Apparaturen des Alltags - angefangen beim Auto. Dies wird gegenwärtig auch Zweiflern an der gesamten Entwicklungsrichtung des DV-Metiers immer unabweisbarer klar.

Namhafte Informatiker, Bildungsexperten und Berufsforscher sind sich denn auch einig: Die optimale Nutzung elektronischer Medien avanciert mehr und mehr zur Conditio sine qua non der beruflichen Selbstenfaltung und -behauptung. Den Mikrocomputern kommt dabei eine profunde Bedeutung zu, weil sie praktisch jedem berufstätigen ein Breitbandspektrum persönlicher Handhabungen und Steigerungschancen anbieten, wie dies zuvor schlechthin bei keiner anderen Maschine der Fall war. Genauer gesagt: Diese DV-Gerätespezies offeriert eine Klaviatur an Lern-, Arbeits- und Karrierehilfen, deren adäquate Ausschöpfung terminologisch als Barer Computing verdichtet werden kann.

Die DV Historie tritt damit geradezu in eine neue Ära ein - denn was sich mit dem Durchbruch der Mikros abzeichnet, ist ein qualitativer Sprung, der nicht nur die Modifikation, sondern in der Tat eine Mutation darstellt. Erinnern wir uns: Vor zwei, drei Jahrzehnten setzte der Siegeszug der Computer in den Unternehmen ein - zunächst in Großbetrieben, doch bald schon auch in mittleren und kleinen Firmen. Anfanglich zaudernde und fortschrittsscheue Manager beugten sich früher oder später bei der allgemeinen Erkenntnis, daß künftiger Wettbewerb und Kostendruck ohne elektronische Rechner nicht zu überleben war. Was damals die Datenverarbeitung für die Institutionen - insbesondere die Betriebe der freien Wirtschaft - bedeutete, repräsentieren heute Mikros für den einzelnen Menschen: unentbehrliche Vehikel auf der rasanten, oft strapaziösen, insgesamt aber doch weiterhin lohnenswerten Fahrt in die herausfordernde Berufswelt von morgen. Diese Einsicht ist in der Bundesrepublik allerdings noch weit davon entfernt, als gedankliches Gemeingut bezeichnet werden zu können. Das von Fachressorts oder Mitarbeitern häufig initiierte Personal Computing wird mit einem Bewußtsein praktiziert, das mit dem Prinzip des Career Computing keineswegs deckungsgleich ist. Zwar schaffen sich kaufmännische wie technische Fach- und Führungskräfte per Mikroeinsatz autonome Freizonen und effizientere Handlungsspielräume. gleich emanzipiert man sich gegenüber der allzu lange übermächtigen Zentral-DV.

Die neu gewonnene Souveränität fasziniert nicht nur und stärkt das Selbstwertgefühl; sie ist in hohem Grade auch motivierend. Meist jedoch steht hinter alledem doch er Zwang unbefriedigender Umstände - dabei scheint der Frust über untaugliche, undifferenzierte oder zähflüssige Informationsströme aus den Rechenzentren der Betriebe vorzuherrschen. Per PC-Einsatz besteht nun zwar die Chance, drückende Engpässe schneller zu überwinden und den Alltagsstreß problemloser zu meistern. Aber nur die wenigsten Tischcomputeure in eigener Regie sehen neben diesen unmittelbaren Sachaspekten auch den viel weiter gestreckten Horizont, der hier auftaucht. Der Mikro ist nicht nur ein Medium zur pflichtgerechten Erfüllung betrieblicher Aufgaben, sondern auch - und vielleicht sogar in allererster Linie - eine multifunktionale Waffe, mit der sich der Karrierekampf mit weniger Verschleiß und mehr Erfolg bestehen läßt. Wer diesen bipolaren - derzeit vielleicht noch frivol anmutenden- Denkansatz akzeptiert und verinnerlicht hat, wird seinen Kleinrechner mindestens ebenso als Instrument für persönliche Ambitionen wie als unentbehrliches Arbeitsgerät schätzen lernen.

Die bisherigen Argumente der einschlägigen Hersteller in der Mikro-Promotion zielen noch meist an der überfälligen Mentalitätsformung vorbei - jedenfalls in Deutschland. Vergleiche mit anderen Industriestaaten bestätigen augenfällig, daß hierzulande moderne DV-Technologie mit methodischen Karrieredenken noch wenig oder überhaupt nicht verankert ist. So hat sich in den USA -in geringerem Umfang auch in Frankreich, England und Japan - die Philosophie des Career Computing schon weit mehr durchgesetzt und breitgefächerten Niederschlag in der Praxis gezeitigt. Dies konkretisiert sich allein daran, daß man - vorwiegend in den USA -alles tut, um jungen Mengen vom Beginn der Schulausbildung an eine pragmatische konstruktive und letztlich sogar symbiotische Beziehung zu Jenem Werkzeug zu vermitteln, das sie in einer voll computerisierten Wirtschaft später für das' eigene Fortkommen dringend benötigen. Die allgemeine Bewußtseinserweiterung steht an: Der Mikro kann dem eigenen Erfolg mindestens ebenso dienen wie dem des Unternehmens! Diese Aufklärungsaufgabe duldet keinen Aufschub mehr. Je eingängiger die Perspektiven des Career Computing den Millionen potentieller Anwender illustriert werden, umso schneller verschwinden auch vielfältige Akzeptanzprobleme, die wir gegenwärtig noch antreffen.