Businessplan: Wie öffnen Gründer den Geldhahn?

10.09.2001 von Manfred Bremmer
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Angesichts der Neuen-Markt-Pleite und dem Scheitern der Internet-Revolution sitzt bei den Venture-Capitals das Geld für künftige Investitionen nicht mehr so locker wie noch vor zwei Jahren. Wo liegen die aktuellen IT-Trends und was müssen Startups in ihrem Businessplan vorweisen, um trotzdem Fördermittel an Land zu ziehen? - In einer laufenden Umfrage sucht die COMPUTERWOCHE bei Risikokapitalgebern nach Antworten.

Theresa Wermelskirchen, Managerin für Marketing & Communications bei Techno Venture Management (TVM) warnt Gründer davor, Geschäftsideen aus den USA zu kopieren. In Zeiten der Globalisierung zieht ihrer Meinung nach das Argument, eine Idee hat in Amerika funktioniert, also klappt sie auch hier, nicht mehr. Auch ein unvollständiges Management-Team kann ihrer Meinung nach die Entscheidung des VC negativ beeinflussen. Dieser Meinung schließt sich auch Cosmin-Gabriel Ene, Analyst und Zuständiger für die Bereiche Deal-Flow und Unternehmensbewertung bei der Tec Venture Partners GmbH, an. Für ihn ist es ein klares K.O.-Kriterium, wenn ein Startup wichtige Positionen wie Finanzchef und CEO nicht besetzt hat oder den Gründern praktische Erfahrung durch frühere Tätigkeiten fehlt.

Um sich für eine Förderung zu qualifizieren, muss ein Gründerunternehmen laut TVM-Managerin Wermelskirchen zunächst in die Orientierung des VCs fallen. Als Hilfestellung zu dieser Einschätzung finden Startups auf den Websites von TVM und anderen Wagnisfinanzierern Förderbeispiele. Grundsätzlich sollte ein bei TVM eingereichter Businessplan in Englisch verfasst sein, internationale Wachstumsmöglichkeiten aufweisen und das Geschäftskonzept auf den ersten drei Seiten interessant darstellen. Dabei muss jeder Satz durch Klarheit brillieren. Ist dies nicht der Fall, steigt der Prüfer nach wenigen Sätzen aus, erklärt Wermelskirchen.

Außerdem sollte der Gründer angeben, ob die dargestellte Geschäftsidee noch graue Theorie ist oder ob das Startup bereits Kontakt zu Firmen aufgenommen hat, um die Nachfrage nach ihrem Produkt zu überprüfen. Im Bereich Supply-Chain hat TVM etwa nach Sichtung von 30 bis 40 Business-Plänen aufgrund dieses Kriteriums letztendlich ein Unternehmen zur Förderung ausgewählt. Bei der Early-Stage-Finanzierung hält die TVM-Managerin es für wichtig, dass zumindest schon Prototypen eines Produkts existieren. Ansonsten sei laut Wermelskirchen wirklich eine Super-Idee notwendig. Für ein etwa ein Jahr altes Startup reicht ihrer Meinung nach ein Produkt in einem Bereich oder die Möglichkeit der Produktreife.

Tec Venture hingegen betreibt keine Early-Stage-Finanzierung, das heißt, eine Firma muss bereits ein fertiges Produkt vorweisen, um überhaupt bei den Münchnern Förderungschancen zu besitzen. Noch besser beurteilen Ene und seine Kollegen die Chancen eines Bewerbers, wenn ein Markt oder ein (kleiner) Kundenstamm existiert, da dadurch der Pflegeaufwand für den VC geringer ausfällt. Darüber hinaus hält es der Tec-Venture-Analyst für wichtig, dass das angebotene Produkt skalierbar ist, also die Kosten bei gleichzeitiger Umsatzsteigerung nur unterproportional mit ansteigen. Als weiteres wichtiges Kriterium sieht Uwe Tauchnitz, Vorstandsvorsitzender der neugegründeten 4FoundersGroup AG, dass der Gründer in seinem Businessplan die Plausibilität der Investition erklärt. Dies geschieht unter anderem durch die Darstellung der späteren Exit-Möglichkeiten, etwa den späteren Rückkauf der Anteile durch eigene Liquidität.

Für Peter Matthies von Apax Partners muss ein Unternehmen eine einmalige Produktposition aufweisen und auf einen profitablen Markt zielen. Zeigt dagegen die Management-Struktur Lücken oder ist der Weg in die Profitabilität nicht direkt erkennbar, hat es das Startup schwer. Um sich gut zu verkaufen, sollten Gründer daher Markt und Umfeld in ihrem Finanzmodell nicht nur genau, sondern auch realistisch darstellen, empfiehlt Matthies. Sein Unternehmen reduziere insbesondere im Softwarebereich die angegebenen Zahlen oft um die Hälfte.

Die Trends in der IT-Branche

TVM-Managerin Wermelskirchen sieht auch künftig die IT-Budgets von Firmen anwachsen, um Altlasten von Systemen zu bereinigen. Parallel dazu bleiben ihrer Meinung nach die Auslagerungstendenzen der Unternehmen bestehen. Gute Chancen auf Förderung bestünden derzeit für Gründer in den Bereichen direktes System-Engineering, Hightech-Komponenten und Subsysteme. Aber auch Startups mit ausgefallenen Ideen wie ein "40GB/s-Netz" oder ein neues Chip-Design sind interessant. Schwierig haben es dagegen Firmen, die auf endkundennahe Systeme setzen. "Dabei sind Vertrieb und Service gerade im Aufbau eines jungen Unternehmen zu aufwendig", erklärt sie. Dennoch sieht die Managerin zahlreiche IT-Nischen, etwa Geschäftsapplikationen, Management- und Service-Integration-Systeme oder neue Softwarekonzepte, die auf mathematischen Modellen basieren. B-to-B- oder gar B-to-C seien dagegen für TVM kein Thema mehr. Der Wagnisfinanzierer hält einen Fonds in Höhe von 300 Millionen Euro bereit und legt gerade einen neuen mit 250 Millionen Euro auf. Bei einem Fundus von rund 1000 IT-Firmen und 100 Biotechnologieunternehmen tätigt TVM weltweit pro Jahr etwa 15 Investitionen.

Auch Cosmin-Gabriel Ene von Tec Venture beurteilt die Finanzierungslage derzeit als schwierig. Als Folge daraus hätte viele Gründer den Mut verloren, Businessplans einzureichen. Positiver Nebeneffekt ist seiner Ansicht nach allerdings eine höhere Qualität der vorgestellten Geschäftsideen. So käme heutzutage keiner mehr mit der Idee an, handgemachte Schuhe über das Internet zu verkaufen, meint er. Gute Chancen hätten derzeit etwa Anbieter von Hardware für Streaming Media, also Geräte, die an strategischen Knotenpunkten positioniert, für einen schnellen Zugriff auf Multimediadaten sorgen. Aber auch Startups, die im Bereich M-Commerce tätig sind, sieht der Tec-Venture-Analyst gut positioniert. In diesem Bereich gilt es Marktanteile zu sichern, noch bevor sich ein möglicher Boom durch schnellere Übertragungsmöglichkeiten wie UMTS abzeichnet, erklärt Ene. Tec Venture hält in seinem Portfolio bereits das Bad Homburger Startup MCN Tele.com, Betreiber eines Voice-Portals für Bürodienstleistungen namens Veronica. Auch Gründern, die sich in den Bereichen Enterprise-Application-Integration (EAI) und Spracherkennungstechnologie engagieren, räumt Tec Venture gute Chancen ein.

Der Münchner Risikofinancier verfügt zur Zeit über einen Fonds aus dem noch Investitionen erfolgen. Allerdings ist laut Ene gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang der Deals um etwas mehr als die Hälfte erkennbar, gleichzeitig prüfe man in seinem Unternehmen vorsichtiger und befasst sich genau mit den angegebenen Zahlen. So kommen seiner Ansicht nach bei 100 eingereichten Businessplans im Schnitt etwa sieben bis zehn Bewerber in die engere Auswahl. Nach einer Einladungsrunde liegen nur noch drei Startups im Rennen und am Schluss bleibt vielleicht ein Unternehmen übrig.

Für Peter Matthies von Apax Partners haben es derzeit vor allem junge Softwarefirmen schwer, eine Förderung zu erhalten. Wenn überhaupt, bestehen seiner Meinung nach Chancen bei Systemen, die den Unternehmen helfen, Kosten zu senken etwa durch Business-Process-Integration. Als möglichen Trend sieht Matthies außerdem das "Edge-Networking", vor allem Produkte rund um den Wireless-Lan-Standard 802.11. Die derzeitige Lage ist allerdings laut Matthies sehr schwierig: Die Neuer-Markt-Pleite und der gescheiterte Internet-Revolution haben besonders die kleineren VCs in Bedrängnis gebracht, erklärt er. Bei den größeren Wagniskapitalgebern ist das Geld da, wird aber nur vorsichtig neu angelegt, das bei ihrer Portfolio-Firmen ein starken Bedarf an Nachfinanzierung besteht. Die Bewilligungsquote beträgt bei dem Risikokapitalgeber zirka ein Prozent.

Nach Ansicht von 4Founders-Chef Tauchnitz sind grundsätzlich alle Bereiche förderungswürdig, die IT-Produkte herstellen, welche sich nicht auf eine einzige Zielgruppe konzentrieren. Dazu gehören etwa Produkte, die branchenunabhängig im Backoffice eingesetzt werden können. Stefan Friese, Geschäftsführer von 3i Deutschland hüllt sich dagegen in Schweigen

Tipps und Links

Im Internet finden Gründer zahlreiche Websites mit Informationen und Hilfestellungen zur Erstellung eines Businessplans. Hier ein paar davon:

- Um einen geeigneten Finanzierungspartner zu finden, empfiehlt sich Startups ein virtueller Besuch beim Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK). In der Mitgliederdatenbank können die Gründer nach den Faktoren "Beteiligungskapital", "Sitz" und "Tätigkeitsschwerpunkt" eine Vorauswahl unter den VCs treffen.

- Auch die Venture-Capital-Gesellschaften selbst bieten auf ihren Web-Seiten Unterstützung. Detaillierte Informationen in Englisch über Inhalt und Aufbau eines Businessplans finden sich etwa bei 3i

- Die Beteiligungsberater von Mackewicz & Partner fassen die sechs essenziellen Bausteine eines Businessplan online zusammen.

- Hilfe bieten auch Web-Seiten von Businessplan-Wettbewerben, etwa der Businessplan-Wettbewerb Berlin-Brandenburg an.

- Die Sächsische Entwicklungsgesellschaft für Telematik mbH gibt im sächsischen IT-Portal www.saxxess.com Tipps zum Aufbau eines Businessplan und führt eine Liste von inhaltlichen Fehlern auf. - Praktische Anleitung statt grauer Theorie: Die Akademie.de bietet achtwöchige Online-Workshops zum Thema "Businessplan" an.

Trostpflaster:

Das Erstellen eines Businessplans ist harte Arbeit, die Chancen auf eine Förderung dagegen vergleichsweise gering. Aber auch wenn die Bemühungen zunächst nicht von Erfolg gekrönt werden, lohnt sich die Mühe: Neben der Vorlage bei potenziellen Geldgebern kann ein Businessplan den Gründern als Leitfaden und Kontrollinstrument dienen. So lassen sich aus ihm mittel- oder langfristige Aufgaben ableiten. Außerdem bietet er Startups einen Soll-Ist-Vergleich hinsichtlich der Umsetzung der eigenen Unternehmensstrategie.