Business Engineers gestalten Veränderung

30.05.2005
Das MBA-Programm Business Engineering der Schweizer Universität St. Gallen setzt auf streng analytische Methoden und Modelle bei der Transformation von Unternehmen.

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  • -was sich hinter dem MBA-Abschluss Business Engineering verbirgt;

  • wen das Angebot ansprechen möchte;

  • wie Business Engineers in der Praxis Veränderungsprozesse gestalten.

Wenn Professor Robert Winter an der Schweizer Universität St. Gallen im Fach Business Engineering doziert, dann füllen meist versierte Studenten den Hörsaal: „Unser Master of Business Administration-(MBA-)Programm eignet sich nur für Topleute mit mehrjähriger praktischer Berufserfahrung“. Der fachliche Schwerpunkt des Studiums liegt auf Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftsinformatik und Organisationspsychologie.

Anpassung der Geschäftsprozesse an veränderte Wirtschaft

Der Erfolg des Anfang der 90 Jahre entwickelten Prinzips des Business Engineering kommt nicht von ungefähr: Globale Geschäftseinflüsse mit aufgeklärten Kunden, internationalen Partnernetzwerken und aggressiveren Mitbewerbern führen zu abrupten Veränderungen in Unternehmensprozessen. Gleichzeitig sorgen Konsolidierungen, Merger, Akquisitionen und neue Technologien für einen wachsenden Bedarf an der Transformation von Geschäftsmodellen.  Dazu Winter: „Die Anpassung an die veränderten Geschäfte ist eine permanente Herausforderung.“ Im globalen Informationszeitalter seien Organisationen mehr denn je gefordert, Entscheidungen über Geschäfts- und Herstellungsprozesse sowie unternehmensübergreifende Beziehungen kritisch zu hinterfragen und bei Bedarf neu zu strukturieren.

Im Rahmen dieser veränderten Geschäftsbedingungen müssen Transformationen laut Winter nach analytischen und systematischen Methoden erfolgen: „Nur die durchgängige Transparenz, Disziplin und Nachvollziehbarkeit einzelner Schritte gewährleisten den Erfolg einer Transformation.“ Das hehre Ziel: das reibungslose Zusammenspiel aus operativem Geschäft und kontinuierlicher Prozessoptimierung.

Prof. Winter: Business Engineering ist kein reiner IT-Ansatz.

Grundsätzlich unterscheiden Business Engineers dabei zwischen zwei Dimensionen, die gleich gewichtet in das Projektgeschehen eingreifen. Die harte, fachliche Komponente stützt sich auf analytische Methoden und Modelle mit Faktoren zur Systementwicklung. Parallel dazu müssen weiche - also psychologische, kulturelle und politische - Aspekte des Unternehmens in das Change-Management einbezogen werden. "Dazu zählen Faktoren wie Motivation von Mitarbeitern, Führungsqualitäten, Kommunikationskanäle und Machtverhältnisse“, sagt Winter. Change-Management ziele zum Beispiel auf die Verringerung der Konfliktpotenziale und die Veränderung von Zuständigkeiten seitens der Mitarbeiter. Fallstricke lauern häufig dort, wo Business-Engineering-Projekte als reine IT-Ansätze und nicht als unternehmerisches Gesamtkonstrukt zur Unternehmenstransformation verstanden werden.

Drei Säulen: Strategie, Prozesse und Systeme

Kopf statt Bauch lautet denn auch die goldene Regel: Business Engineers zerlegen einen fachlichen Entwurf in die drei Teilaspekte Strategie, Prozesse und Systeme. Auf der Strategieebene definieren Projektverantwortliche zunächst die Rolle des Unternehmens hinsichtlich Aspekten der Wertschöpfung. Jeder Geschäftsprozess lässt sich dabei anhand kritischer Erfolgsfaktoren wie Kunden- und Produktionsprozesse, Kernkompetenzen, Vertriebskanäle, Mitbewerber, Partner und Branding in seine Einzelteile auseinander nehmen. Das erste Etappenziel ist eine grobe Strukturierung von Geschäftsprozessen und die optimale Positionierung des Unternehmens im Markt hinsichtlich seiner individuellen Stärken und Schwächen. Die zur Umsetzung dieser Ergebnisse nötigen Folgeschritte ermitteln Business Engineers auf der Prozessebene. So werden erste Maßnahmen und Verantwortlichkeiten für jeden Geschäftsvorgang spezifiziert.

 Anhand dieser Erkenntnisse entsteht eine „perfekte“ Organisation auf dem Papier, deren Prozesse wie Leistungen, Support und Personal überprüft und neu konzipiert werden können. Erst jetzt sind IT-Konstrukteure in der Lage, technische Teilprozesse und menschliche Aktivitäten mit Ap-plikationen, Methoden und Technologien zu verknüpfen. Zu dem Zweck modellieren Business Engineers eine IT-Architektur, die auf die Anforderungen von Mensch und Maschine zugeschnitten ist. Dabei ist es unerheblich, ob ein zentraler oder heterogener IT-Ansatz gewählt wird. Entscheidend ist lediglich, dass technische Mittel perfekt an die Geschäftsprozesse angepasst sind. Als Herzstück eines Business-Engineering-Vorhabens dient eine Prozesslandkarte, die Prozessverantwortungen und Interaktionen zwischen Prozessen und Prozesskunden dokumentiert.

Hexal: Geschäftsplanung nach „Schema F“

Ein Strategiekonzept per Handbuch, das beispielsweise dem Pharmakonzern Hexal aus Holzkirchen bei München bestens bekannt ist: „Mit genauer Kenntnis unserer Abläufe konnten wir früh alle Problembereiche identifizieren“, erinnert sich Klaus Czwalinna, Projektleiter bei Hexal, an eine Prozessoptimierung nach Business-Engineering-Manier, die zusammen mit der Unternehmensberatung The Information Management Group (IMG) umgesetzt wurde. Der mit 6000 Mitarbeitern global vertretene Generika-Hersteller hatte während einer starken Wachstumsperiode 2003 mit einer überlasteten IT zu kämpfen: „Die Applikationen waren nicht dafür ausgelegt, unsere Bedarfs- und Programmplanung, die Produktion sowie die Bereiche Vertrieb, Einkauf und Logistik über die gesamte Wertschöpfungskette zufrieden stellend zu unterstützen.“ Die Ausweitung der Produktpalette und Erschließung neuer Märkte und Produktionsstandorte hatten im Laufe der Jahre ihren Tribut gefordert. Die logische Konsequenz: Hohe Lagerbestände, lange Planungsphasen für die Produktion sowie Probleme bei der Einbindung von Lohnfabrikanten.

Darüber hinaus fehlte dem Management die Übersicht über den gesamten Vertriebs- und Fertigungsbereich sowie die Transparenz im Finanzwesen und Controlling. Einer von der Geschäftsleitung bewilligten „Restrukturierung der kleinen Schritte“ folgte denn auch das typische Blueprint, das die Geschäftsprozesse inklusive notwendiger Schnittstellen mitsamt Rollout-Planung penibel dokumentierte. Den Kern des Engagements bildete eine "Business Collaboration Infrastructure", die die verwendeten Lösungen integrierte und so die Kommunikation mit Kunden wie Lieferanten erleichterte. Das Ergebnis überzeugte die Business Engineers von Hexal und der IMG: „Durch die Anpassungen werden nicht nur die Geschäftsprozesse optimal abgedeckt, gleichzeitig lässt sich dadurch der Betrieb der integrierten Gesamtlandschaft mit nur zehn IT-Mitarbeitern bewerkstelligen“, so das Resümee von Czwalinna.

IMG und CW vergeben Stipendium für MBA in St. Gallen

Studium: Der berufsbegleitende Studiengang Business Engineering an der Universität St. Gallen folgt einem interdisziplinären Ansatz: Neben strategischem und Informations-Management werden auch psychologische und kulturelle Themen in bezug auf die Veränderungsgestaltung beleuchtet. Der nächste Studiengang beginnt im Februar 2006 und endet im Mai 2007. Während dieser Zeit sind 100 Unterrichtstage vorgesehen, die zum Großteil in St. Gallen stattfinden. Ein fester Bestandteil ist auch ein vierwöchiger Aufenthalt im Silicon Valley mit Unterricht an der Santa Clara University und Besuchen repräsentativer Unternehmen.

Stipendium: Die Unternehmensberatung The Information Management Group (IMG) und die COMPUTERWOCHE schreiben ein Stipendium für den Executive MBA in Business Engineering aus. Wert: 40.000 Euro (ohne Reise- und Unterkunftskosten).

Zielgruppe: Bewerben können sich Mitarbeiter des mittleren und oberen Managements sowie Mitarbeiter aus Fachabteilungen, die Veränderungsprojekte konzipieren, führen und verantworten. Ein abgeschlossenes Hochschulstudium sowie mindestens drei Jahre Berufserfahrung sind Voraussetzung.

Auswahl: Die Kandidaten bewerben sich und lösen eine Fallstudie von zu Hause aus. Die besten fünf kommen zum Gespräch nach St. Gallen. Eine Jury ermittelt den Sieger. Bewerbung: Interessenten können sich bis zum 31. August 2005 unter http://www.img.ch/stipendium bewerben und weitere Informationen erhalten.