Stadt Hückeswagen

"Bürgerkonto" stellt Verwaltung vom Kopf auf die Füße

11.08.2010 von Ima Buxton
Die Modernisierung der Verwaltung muss dem Bürger direkt nutzen und darf nicht an den Rathausmauern enden, meint Bürgermeister Uwe Ufer. Deshalb entwickelte sich im nordrhein-westfälischen Hückeswagen ein SAP-Projekt zum Pilotprojekt "Bürgerkonto".


Hückeswagen hat als erste Kommune in Deutschland das elektronische Bürgerkonto eingeführt. Was sind die Vorteile eines Bürgerkontos?

Uwe Ufer, Bürgermeister in Hückeswagen

Ufer: Seit Februar 2008 können alle Bürger und Unternehmen in Hückeswagen ihre Finanzdaten per Internet einsehen und bearbeiten. Die im Bürgerkonto eingestellten Bescheide zeigen alle Fälligkeiten, Zahlungen und Gutschriften an - von den Grundbesitzabgaben, über die Gewerbesteuer bis hin zur Hundesteuer. Langfristig sollen auch Wassergebühren und Stromkosten integriert werden. Das neue System erspart Bürgern und Unternehmen Zeit und Geld: Aufgrund der Datenaktualtität kommen Nachforderungen viel seltener vor, die Firmen erhalten überdies Planungssicherheit und Kostentransparenz. Zudem sind die Antwort- und Bearbeitungszeiten wesentlich kürzer.

Direkten Nutzen für Bürger schaffen

Wie kam es zur Umsetzung eines visionären Projektes in einer Kleinstadt?

Ufer: Das Projekt ist infolge der Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens auf SAP-Basis in unserer Stadt entstanden. Damit konnten wir zunächst eine vereinfachte Verwaltung aufbauen und auf allen Verwaltungsebenen eine deutlich höhere Transparenz und Wirtschaftlichkeit erreichen.

Einige Bürger haben mich dann auf direkte Vorteile für die Einwohner angesprochen, die es zu diesem Zeitpunkt tatsächlich nicht gab. Aus diesen Gesprächen hat sich dann aber die Idee entwickelt, ein Bürgerkonto für jeden Einwohner der Stadt einzurichten.

Was hat diese Umstellung für die Hückeswagener Verwaltung bedeutet?

Ufer: Unsere Verwaltung war vor der Einrichtung der Bürgerkonten auf die Bedürfnisse der Fachabteilungen zugeschnitten, die pro Bürger jeweils eigene Finanzkonten führten und pflegten. Die Einführung des Bürgerkontos bedeutete einen Paradigmenwechsel, indem für jeden Bürger alle geschäftlichen Kontakte mit der Stadt nur noch in einem Konto abgebildet wurden. Wir haben also einen Schwenk vollzogen von der verwaltungstechnischen Innensicht auf eine bürgerbezogene Außensicht. Dieser Wechsel erforderte eine enorme Fleißarbeit, weil beachtliche Datenmengen zu bewegen waren.

Schub an Neuanmeldungen erwartet

Für ein Bürgerkonto gab es bis dato keine technische Lösung. Auf welcher Software-Basis beruht das Projekt?

Ufer: SAP hat für die technische Umsetzung des Bürgerkontos ein Pilotprojekt ins Leben gerufen. In diesem Zusammenhang wurde die von uns eingesetzte Finanzsoftware SAP-NKF mit dem Kassenmodul PSCD auf die Anforderungen eines Bürgerkontos umprogrammiert.

Wie ist die Akzeptanz des Bürgerkontos in der Bevölkerung?

Ufer: Die Resonanz in der Bevölkerung ist sehr positiv. Seit Frühjahr 2009 machen etwa 200 Hückeswagener Bürger und Unternehmen vom neuen Bürgerkonto Gebrauch. Vor allem Unternehmen und die Besitzer von Mehrfamilienhäusern nutzen den neuen Service, weil sich dadurch die Nebenkostenabrechnung vereinfacht und Steuern und Abgaben transparent werden.

Wir betrachten dieses erste Jahr als Testphase. Für das zweite Jahr planen wir eine intensivere Öffentlichkeitsarbeit und erwarten - vor allem sobald die Abrechnungen der Stadtwerke mit einbezogen werden - einen Schub an Neuanmeldungen für das Bürgerkonto.

Ganzheitlicher Reformprozess

Hat sich der Aufwand für die Umstellung gelohnt?

Ufer: Das primäre Ziel des Projekts war die Hinwendung zum Bürger und schnellere Antworten auf bürgerbezogene Anfragen - dieses Ziel haben wir erreicht. Die Beschleunigung und Vereinfachung der Verwaltungsprozesse bringt uns aber auch Kostenvorteile. Alles in allem handelt es sich bei den Projekten von der Einführung der doppelten Buchführung bis zum Bürgerkonto um einen ganzheitlichen Reformprozess, der unsere Stadtverwaltung zukunftsfähig und bürgernah gestalten soll.