Braucht der Informatik-Manager noch DV-Technik-Know-how?

29.01.1988

Die neue Aufgabe, informationstechnischen Service für das Topmanagement zu leisten, ist eine Herausforderung an den DV/Org.-Bereich. Voraussetzung ist freilich, daß der traditionelle DV-Chef über das Technikwissen hinaus unternehmensstrategisches Know-how erwirbt. "Hier allerdings liegt noch vieles im argen", betont Ragnar Nilsson, Leiter Zentralbereich Org./DV-Controlling in der Gerresheimer Glas AG. Der Düsseldorfer Manager ist überzeugt, daß bei den meisten DV-Verantwortlichen bisher die Voraussetzungen für erfolgreiches "lnformations-Management", richtiger: "lnformationstechnik-Management" gleichbedeutend mit "Informatik-Management", noch nicht gegeben sind. Nilsson erwartet deshalb, daß sich in naher Zukunft die Spreu vom Weizen trennen wird. Gefordert ist aber nicht nur der DV-Chef. Zunächst einmal steht nämlich vor allem die Unternehmensleitung vor der Aufgabe, jene strategischen Vorgaben zu definieren, unter denen der "lnformatik"-Manager verantwortlich tätig werden kann.

Wolfgang Koppmeyer, Ressortleiter Org./DV, Großversandhaus Schöpflin, Lörrach

Zunächst einmal sollte man sich darüber im klaren sein, was denn die Position des Informations-Managers umfaßt. Neben den klassischen Produktionsfaktoren haben sich Informationsressourcen herausgebildet, die zu planen und zu bewirtschaften sind. Zu einem zukünftigen Informationsmarketing wird das Leistungsangebot, also die langfristige Informationsbedarfsdeckung unter Berücksichtigung wandelnder Märkte, vorausschauend angepaßt. Das konventionelle Instrument der Projektplanung und -steuerung wird künftig durch Analyse- und Prognosemodelle ergänzt.

Dies sind nur einige der vielen Faktoren, die auf den DV-Chef zukommen und mit denen er sich auseinandersetzen muß. Der DV/Org.-Leiter hat also nur eine Chance, sich zum Informations-Manager zu entwickeln, wenn er seinen Denkhorizont erheblich erweitert. Er muß weg vom klassischen Projektdenken und sich hin zum internen Informations-Marketing-Spezialisten orientieren. Hier beginnen häufig die Probleme. Die meisten DV-Verantwortlichen ersticken in ihrer täglichen Routinearbeit; aus Zeitgründen haben sie ihre eigene Weiterbildung immer wieder zurückgestellt.

Deshalb ist es für den DV-Verantwortlichen höchste Zeit, sich von seinen täglichen Routinearbeiten freizuschaufeln, zusätzliches Wissen anzueignen und sich Informationsstrategischen Aufgaben zu widmen - mit anderen Worten: Manager zu sein. Wenn er den Sprung auf den vorbeifahrenden Zug jetzt nicht schafft, wird er immer ein Technokrat bleiben. Trotz augenblicklicher Lücken, die aber auch aus den nicht gestellten Forderungen der Geschäftsleitung herrühren, halte ich es dennoch für besser, den Informations-Manager nicht von außen zu holen, sondern in den eigenen Reihen zu suchen und aufzubauen. Schließlich bleibt das DV-handwerkliche Können, über das heute jeder DV-Chef verfügt, als Basiswissen für die strategische Informations- und Unternehmensausrichtung .

Allerdings trägt die Rolle, die die Geschäftsführung hier spielt, häufig zur Verunsicherung der DV-Manager bei. In vielen Fällen will sie zwar einen Informations-Manager, betraut den DV-Chef auch mit dieser Funktion, ist aber nicht bereit, ihn mit den dazugehörenden Kompetenzen auszustatten. Bislang scheint es so, daß die Chefetage den Informations-Manager noch nicht in ihren Kreis aufnehmen will. Beide Seiten sind in der Zukunft gefordert: Der DV/Org.-Leiter muß über den Tellerrand schauen und sich mit informatiosstrategischen Konzepten auseinandersetzen. Die Vorstandsetage muß erkennen, daß die Position des Informations-Managers sehr weit oben aufgehängt sein muß, um die Herausforderungen zu erkennen und die so notwendigen strategischen Planungen heute einzuleiten.

Peter Brentle, DV-Leiter, Panavia Aircraft GmbH, München

Betonen möchte ich zunächst, daß der Org./DV-Leiter und der Informations-Manager nicht unbedingt ein und dieselbe Person sein müssen. Allerdings ist es in vielen Punkten vorteilhaft, wenn der DV-Chef in diese Position aufsteigt. Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß er sich weniger mit der sogenannten Systemtechnik beschäftigt, sondern den Schwerpunkt mehr auf die Anwendungen und die Betriebsorganisation legt. Darüber hinaus muß er lernen, über den Tellerrand zu schauen, das heißt, die unternehmenspolitischen Ziele im Auge zu haben. Schließlich wird vom DV-Verantwortlichen, der zum Informatios-Manager aufsteigen will, verlangt, daß er in der Lage ist, mit seinen Fachbereichskollegen auch über allgemeine Unternehmensstrategien diskutieren zu können. Wenn von der Ausbildung her die Voraussetzungen gegeben sind, hat ein flexibler DV-Leiter auf jeden Fall die Chance, eine Position in der Geschäftsleitung zu übernehmen. Immerhin soll der Informations-Manager für die gesamte Ablauforganisation sowie den Kommunikationsbedarf des Unternehmens zuständig sein. Meines Erachtens wäre es vorteilhaft, wenn der Informations-Manager gleichzeitig noch Kommunikatios-Manager wäre, das heißt, er übernimmt in der Geschäftsführung auch eine Art Moderatorenrolle. Schließlich ist er prädestiniert, die Qualität der in den einzelnen Fachbereichen unterschiedlich erstellten Informationen richtig zu interpretieren. Erst mit adäquat aufbereiteten Unternehmensdaten kann die Führungsetage entsprechende Entscheidungen treffen. Allerdings ist es dem DV-Chef nur möglich, die Position des Informations-Managers zu erreichen, wenn die Geschäftsleitung ihm auch die Chance dazu gibt. Die größten Rationalisierungspotentiale liegen wohl heute noch im Verwaltungsbereich, und dazu sollte auch die DV als unternehmensstrategisches Werkzeug eingesetzt werden.

Günther Fischer, Unternehmensberater für EDV im Direktmarketing, Laudenbach

Immer wieder hört man Stimmen, die behaupten, DV/ Org.-Leiter seien den Anforderungen, die mit der Aufgabenstellung des Informations-Managers verbunden sind, eigentlich nicht gewachsen.

Ich meine, daß man diese Aussage so nicht stehenlassen kann. Denn es gibt zu viele Kriterien, die sie relativieren. So kommt es auf das Unternehmen an, seine Größe, aber auch auf die Branche, auf die Marktorientierung (Export, Import, Binnenmarkt), die langfristigen Ziele des Unternehmens, und was noch wichtiger ist, auf die Persönlichkeit und die Qualifikation des DV/Org.-Leiters.

Auch spielt es eine Rolle, welchen Einfluß man dem Informations-Manager im Unternehmen geben will, denn per Definitionen hat er umfangreiche Kompetenzen, das heißt wenn man "Informations-Manager" nicht nur als schmükkenden Titel versteht: Er ist zuständig für die Gestaltung von Struktur und Ablauf sämtlicher Informationsströme des Unternehmens. Und da die Information in unserem Zeitalter zum wichtigsten Produktionsfaktor geworden ist, nimmt ein echter Informations-Manager eine wichtige strategische Stellung im Unternehmen ein.

Aus eigener Erfahrung (vor meiner Tätigkeit als selbständiger Unternehmensberater war ich mehrere Jahre als DV/ Org.-Leiter eines international tätigen Unternehmens für das Information-Processing in den USA, Kanada und Deutschland verantwortlich) kann ich bestätigen, daß es nicht leicht ist, als Informations-Manager von seinen Kollegen immer richtig verstanden zu werden. Denn da das Informationsnetz das gesamte Unternehmen mit allen Abteilungen umfaßt, steckt der Informations-Manager automatisch "seine Nase" in alle Abteilungen. Aus diesem Grunde wird es immer wieder auf allen Ebenen Bestrebungen geben, seine Kompetenzen zu begrenzen beziehungsweise seine Position als Stabstelle ohne besondere Weisungsbefugnisse auszuweisen.

Deshalb ist es schwierig, sich aus der Linienposition des DV/ Org.-Leiters die Kompetenzen des Informations-Managers zu erringen, ohne auf Widerstand zu treffen; es sei denn, man verfügt über überdurchschnittliche Qualifikationen: eine akademische Ausbildung in Technik oder Betriebswirtschaft, umfangreiche Branchenkenntnisse und Erfahrungen, eine überdurchschnittliche Kommunikationsfähigkeit, Standhaftigkeit und auch ein bißchen Unabhängigkeit, die Fähigkeit, sich Rückhalt beim Unternehmer zu verschaffen, um nur die wichtigsten zu nennen.

Und hier liegt wohl der eigentliche Grund für die Stimmen, die dem DV/Org.-Leiter die Eignung zum Informations-Manager absprechen: Zuviele DV/Org.-Leiter kommen durch Arbeitsüberlastung, die aus Personalmangel, einem übermäßig pflegebedürftigen System und vielleicht auch anderen Ursachen resultiert, einfach nicht dazu, sich zur übergeordneten Aufgabenstellung des Informations-Managers zu orientieren.

Ich persönlich halte das für bedauerlich, weil der DV/ Org.-Leiter aufgrund seiner Erfahrungen und seiner intimen Kenntnisse der Informationsströme im Unternehmen und der Informationstechnik eigentlich der ideale Kandidat für die Funktion des Informations-Managers ist.

Insofern sind Geschäftsleitungen und auch DV/Org.-Leiter gefordert: Die Geschäftsleitung sollte den Willen zur Einrichtung einer Informations-Management-Position entwikkeln, und der qualifizierte Fachmann kann nichts Besseres tun, als sich nicht nur DV-orientiert weiterzubilden, sein Verhältnis zur Geschäftsleitung durch Erreichung gemeinsam geplanter Ziele zu festigen und über den Tellerrand der EDV-Technik zu blicken, indem er die Gesamtbelange des Unternehmens erkennt und zu seinen eigenen macht.

Ragnar Nilsson, Leiter Zentralbereich Org./DV, Controlling Kunststoff und Metall Gerresheimer Glas AG, Düsseldorf

Zwischen der Position des DV-Chefs und der des Informations-Managers grundsätzlich zu unterscheiden, halte ich für nicht sinnvoll. Letztendlich handelt es sich bei "Informations-Manager" um einen modernen Begriff, der in den vergangenen Jahren zusammen mit der PC-Einführung und der individuellen DV entstanden ist.

Unterschieden werden muß jedoch, wenn es um den Inhalt dieser Positionen geht. Hier liegt in den Unternehmen noch vieles im argen. Bei den meisten Org./DV-Leitern ist die Voraussetzung für das Informations-Management bisher nicht gewährleistet. Zu sehr sind sie in ihr Tagesgeschäft und die DV-technischen Aspekte vertieft. Dieser inhaltliche Anspruch muß geändert werden. Das bedeutet: In nächster Zeit wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Das Informations-Management ist für die operativen und vor allem strategischen Aspekte der Rationalisierungsprojekte bezüglich der Struktur- und Ablauforganisation im Zusammenhang mit der Integration in die Unternehmensphilosophie verantwortlich, und es muß als Entscheider mitwirken. Grundsätzlich jedoch meine ich nicht, daß es zusätzlich zum Org./DV-Chef einen Informations-Manager geben muß.

Der jetzige DV-Verantwortliche hat die Aufgabe, seine Arbeit künftig gesamtunternehmerisch zu sehen und bei der Verarbeitung der Informationen operative und strategische Elemente umzusetzen. Zu den Veränderungen, die in naher Zukunft auf die DV zukommen, gehört auch, daß die aufgeblähten Kostenbudgets von der Geschäftsleitung und insbesondere dem Bereich Controlling unter die Lupe genommen werden. Personal- und Strukturkostenreduzierungen müssen unweigerlich zu Reaktionen im Org./DV-Bereich führen. Hier ist der DV-Chef gefordert, künftig vor allem mit seinen Controlling-Kollegen enger zusammenzuarbeiten. Aufgabe dieser beiden Bereiche wird es sein, die strategische Waffe des Unternehmens, die Informationsverarbeitung, bestmöglich im Umfeld der Unternehmensstrategie einzusetzen. Dazu gehört auch, die aus der Informationsverarbeitung resultierenden Rationalisierungspotentiale zu realisieren.