Geschäftsprozesse modellieren

BPMN setzt sich durch in der Praxis

09.02.2009 von Thomas Allweyer
Die Business Process Modeling Notation (BPMN) hat gute Chancen, sich auch im deutschsprachigen Raum als führende Modellierungsmethode für Geschäftsprozesse zu etablieren.

Derzeit beschäftigen sich viele Unternehmen mit der neuen Notation und prüfen, ob sie die BPMN in ihrem Haus als Modellierungsstandard etablieren. Dies belegt die rege Nachfrage nach Einführungsseminaren in die BPMN-Modellierung. Gefragt sind insbesondere Inhouse-Seminare, bei denen gleich ganze Teams aus den Bereichen Business-Process-Management (BPM) und IT geschult werden.

Bislang herrscht in vielen Unternehmen im Bereich Prozessmodellierung ein Methoden-Wirrwarr. Während manche Bereiche einfache Flussdiagramme verwenden, nutzen andere die proprietäre Methodik eines bestimmten Modellierungstools oder die Unified Modeling Language (UML). Letztere nutzen zumeist aber nur Informatiker. Recht weit verbreitet im Bereich der fachlichen Modellierung ist die Ereignisgesteuerte Prozesskette (EPK). Allerdings handelt es sich hierbei nicht um einen Standard, und die Akzeptanz auf IT-Seite ist oftmals nicht gegeben.

Beispiel eines BPMN-Diagramms.

Ein allgemein akzeptierter Standard für die Prozessmodellierung ist eine wesentliche Voraussetzung für ein einheitliches Verständnis und eine durchgängige Prozessdokumentation. Durchgängigkeit heißt zum einen die Verwendung einer einheitlichen Darstellung über alle Unternehmensbereiche hinweg, zum anderen die Nutzung einer gemeinsamen Prozess-Sprache durch Fachbereich und IT und somit die Reduzierung der viel beklagten Kluft zwischen Fachanwendern und Software-Entwicklern.

Standard für die Modellierung gesucht

Die BPMN ist ein Standard der Object Management Group (OMG), die unter anderem auch für den UML-Standard zuständig ist. Der Erfolg der UML zeigt den Nutzen eines Modellierungsstandards. Durch die Standardisierung dieser Notation erfuhr die Modellierung in der Software-Entwicklung einen gewaltigen Schub. Mittlerweile gehört die UML-Modellierung zum etablierten Lehrstoff des Informatik-Studiums, und Entwicklungen wie die Modellgetriebene Software-Architektur (MDA) nutzen die UML in vielfacher Weise. Eine vergleichbare Bedeutung könnte die BPMN im Bereich der Prozessmodellierung erlangen. Über 50 Hersteller von Modellierungs-Tools ermöglichen bereits die Modellierung gemäß BPMN.

Entstanden ist die BPMN ursprünglich als grafische Notation für ausführbare Prozesse, das heißt zur Dokumentation von Abläufen, die von der Process Engine eines Workflow- oder Business Process Management-Systems (BPMS) gesteuert werden. Mit dem Einsatz von BPMS verspricht man sich unter anderem eine bessere Durchgängigkeit vom fachlichen Prozessmodell bis zur Implementierung eines prozessunterstützenden Systems. Hierbei modelliert zunächst die Fachseite ihre Abläufe. Diese fachlichen Modelle werden anschließend von IT-Experten verfeinert und um die notwendigen technischen Details ergänzt.

Umfangreiche Programmierarbeiten werden somit durch den modellbasierten Ansatz ersetzt, wobei das fachliche Modell nicht mehr nur zur Anforderungsdefinition dient, sondern bereits das Ausgangsmodell für die spätere Prozessausführung darstellt. In der Praxis gibt es bei dem geschilderten Vorgehen freilich noch eine Reihe von Herausforderungen. So ist oftmals eine grundlegende Umstrukturierung der fachlichen Modelle erforderlich. Zudem regelt der Standard nur unzureichend, wie etwa eine Verbindung zu Datenmodellen oder Rollenmodellen abgebildet werden sollte.

Dennoch ist die Nutzung einer gemeinsamen Notation eine wichtige Voraussetzung für die durchgängige Workflow-Entwicklung. Die BPMN-Spezifikation regelt nicht nur, welche grafischen Symbole zur Verfügung stehen, sondern legt auch die genaue Bedeutung der Konstrukte fest. Damit ist der Spielraum für unterschiedliche Interpretationen und Missverständnisse deutlich kleiner geworden.

Flussdiagramme und BPMN

Die BPMN eignet sich aber auch unabhängig von der Workflow-Entwicklung für die fachliche Prozessmodellierung. In einer Befragung von 600 BPMN-Anwendern, die die Queensland University im Jahr 2007 durchführte, gab etwa die Hälfte der Modellierer an, rein fachliche BPMN-Modelle zu erstellen. Der Anteil dürfte zwischenzeitlich gestiegen sein, da sich Prozessmanager und Fachexperten erst in jüngster Zeit verstärkt mit dieser Notation auseinandersetzen.

Die Akzeptanz für die BPMN wird dadurch unterstützt, dass die Grundelemente der BPMN weitgehend den bekannten Flussdiagrammen entsprechen. Einfache BPMN-Diagramme bestehen aus Start- und End-Ereignis, durch Pfeile verbundene Aktivitäten sowie als Rauten dargestellten Verzweigungen, sogenannte Gateways. Die Zuordnung zu verschiedenen Abteilungen oder Rollen erfolgt durch die Anordnung der Aktivitäten in zumeist horizontalen Bahnen. Ein solches Diagramm lässt sich ohne weitergehende Erläuterungen verstehen.

Das BPMN-Diagramm zeigt das Zusammenspiel der Prozesse zweier Partner mittels Nachrichtenaustausch

Der Sprachumfang der BPMN umfasst aber auch weitere Elemente, die sich in herkömmlichen Sprachen zur Prozessmodellierung nicht finden. So kann man verschiedene Typen von Ereignissen unterscheiden, zum Beispiel den Eingang einer Nachricht oder das Erreichen eines bestimmten Zeitpunktes. Eine weitere Besonderheit ist die Darstellung des auch als Choreographie bezeichneten Zusammenspiels der Prozesse unterschiedlicher Partner. In der Abbildung verfügt sowohl der Kunde als auch der Hersteller über einen eigenen, internen Prozess. Das Zusammenspiel zwischen diesen durch keine übergeordnete Instanz gesteuerten Prozessen wird mit Hilfe von ausgetauschten Nachrichten modelliert. Aus Sicht der Prozesssteuerung stellt auch das im Beispiel versandte Gerät eine Nachricht dar.

Hier kommen auch die unterschiedlichen Ereignistypen ins Spiel: Der Prozess des Herstellers beginnt, wenn ein defektes Gerät bei ihm eintrifft. Im Prozess des Kunden wird nach dem Einsenden des Gerätes darauf gewartet, dass entweder das reparierte Gerät eintrifft, oder aber eine Nachricht darüber, dass das Gerät irreparabel ist. Im Gegensatz zur gewöhnlichen Verzweigung im Prozess des Herstellers enthält der verzweigende Gateway im Kundenprozess ein Symbol, das besagt, dass derjenige Pfad ausgewählt wird, dessen Ereignis zuerst eintritt.

Richtig angewandt erlauben diese Sprachelemente eine elegante und übersichtliche Modellierung häufig vorkommender Sachverhalte - insbesondere bei überbetrieblichen Prozessen. Auf fachlicher Ebene weniger häufig finden sich hingegen BPMN-Konstrukte, die man aus dem Bereich der Programmierung kennt und dementsprechend eher bei ausführbaren Prozessen eingesetzt werden. Zu diesen Sprachelementen gehören beispielsweise Schleifen-Aktivitäten, durch Fehler ausgelöste Ereignisse, sowie Transaktionen und Kompensationen. Derartige Konzepte sind fachlichen Modellierern eher fremd und werden als zu technisch und zu detailliert empfunden.

Ausnahmen und Fehler managen

Andererseits gibt es auch auf fachlicher Ebene Sachverhalte, die sich mit diesen speziellen Konstrukten darstellen lassen. So werden zahlreiche Probleme und Kosten dadurch verursacht, dass zwar gut funktionierende Prozesse für Standardfälle existieren, für auftretende Probleme und Abweichungen vom Standard aber keine geeigneten Abläufe definiert sind. Fehlerereignisse können zur Modellierung solcher Ausnahmeprozesse eingesetzt werden. Ein bekanntes Beispiel für eine langlaufende Transaktion auf fachlicher Ebene ist die Buchung einer Reise mit Flug, Mietwagen und Hotel. Scheitert einer der drei Buchungen, weil etwa kein Hotelzimmer mehr verfügbar ist, so müssen die beiden anderen Buchungen wieder rückgängig gemacht werden.

Für praktisch alle Elemente der BPMN finden sich derartige Einsatzmöglichkeiten auch in fachlichen Modellen. Ob man diese recht erklärungsbedürftigen Konzepte einsetzt oder die beschriebenen Sachverhalte durch geeignete Kombination einfacherer Elemente darstellt, sollte als Bestandteil der im Unternehmen angewandten Modellierungskonventionen festgelegt werden.

In jedem Fall ist eine fundierte Kenntnis der BPMN erforderlich. Alle Modellierer sollten daher geschult werden. Auch wenn man bei der Modellierung zunächst auf den Einsatz der etwas spezielleren Aspekte der BPMN verzichtet, so sollte man die Möglichkeiten dennoch kennen. Außerdem sind eine korrekte Modellierung im Sinne der Spezifikation und damit ein einheitliches Verständnis nur gewährleistet, wenn alle Beteiligten die genaue Bedeutung der verschiedenen Symbole kennen.

Noch wichtiger als die Auswahl der verwendeten Notation ist die Anwendung einheitlicher Modellierungskonventionen. Diese regeln beispielsweise, welche Symbole verwendet werden, welche Inhalte in welchen Hierarchiestufen modelliert werden, wie die einzelnen Elemente benannt und welche Informationen jeweils hinterlegt werden. Auch Vorgaben bezüglich der grafischen Anordnung und Muster zur Modellierung häufig anzutreffender Sachverhalte werden häufig mittels Konventionen geregelt. Solche Konventionen sichern die einheitliche Anwendung der Notation und ermöglichen ein einheitliches Verständnis der Modelle. Sie sind die unverzichtbare Voraussetzung für die erforderliche Qualität der Modelle, um die mit der Modellierung verfolgten Ziele zu erreichen.

Tools für die BPMN-Modellierung

Für die BPMN-Modellierung stehen heute zahlreiche Modellierungswerkzeuge zur Verfügung. Die Palette reicht von einfachen Symbolbibliotheken für Microsoft Visio über spezielle BPMN-Tools bis hin zu datenbankgestützten Plattformen zur Unternehmensmodellierung. Die beste Unterstützung der Notation weisen die speziell für die BPMN-Modellierung entwickelten Werkzeuge auf, wie zum Beispiel der Process Modeler von itp commerce. Derartige Tools überprüfen die Einhaltung der BPMN-Spezifikation bereits während der Modellierung und stellen somit sicher, dass die Modelle zumindest formal korrekt sind.

Strebt man hingegen eine integrierte Modellierung von Prozessen, Aufbauorganisation, Systemlandschaft etc. an, müssen die BPMN-Modelle mit Modellen anderer Notationen verknüpft werden. Hier bieten Unternehmensmodellierungs-Plattformen wie Aris wesentlich mehr Möglichkeiten. Allerdings ist die BPMN-spezifische Modellierungsunterstützung bei solchen Tools oftmals weniger gut, da sie nicht speziell für diese Notation entwickelt wurden.

Die BPMN wird durch die OMG ständig weiterentwickelt. Die auf die aktuelle Version 1.1 des Standards folgende Version 1.2 enthält nur redaktionelle Verbesserungen. Neuerungen wird erst die Version 2.0 bringen, die noch in Arbeit ist und wohl noch einige Monate bis zu ihrer Verabschiedung benötigt. Die Grundkonzepte werden sich nicht verändern, so dass auch künftig wie gewohnt weiter modelliert werden kann.

Erweiterungen wird es insbesondere im Bereich der Choreographie-Modellierung geben. Weitere Neuerungen, wie die Definition eines Meta-Modells, betreffen eher die Hersteller von Modellierungstools. Es dürften aber auch die Anwender profitieren, denn es wird ein einheitliches Austauschformat für BPMN-Modelle geben, so dass man Modelle zwischen verschiedenen Modellierungswerkzeugen oder BPM-Systemen austauschen kann. Dies dürfte den unternehmensweiten Einsatz der BPMN wesentlich erleichtern.

Tipps für die BPMN-Modellierung

Als Einstieg in die BPMN:

Das Buch "BPMN Business Process Modeling Notation " führt anhand zahlreicher praxisorientierter Beispiele schrittweise in die BPMN ein. Ausgehend von den grundlegenden Elementen zur übersichtlichen Ablaufmodellierung wird nach und nach der gesamte Inhalt der BPMN vorgestellt. Sie gewinnen fundierte Kenntnisse des kompletten BPMN-Standards und wissen, wie die verschiedenen Sprachkonstrukte korrekt eingesetzt werden.

Thomas Allweyer:

BPMN Business Process Modeling Notation - Einführung in den Standard für die Prozessmodellierung

BoD, Norderstedt 2008

ISBN 978-3-8370-7004-0

Paperback, 148 Seiten, € 17,90 (inkl. MwSt.)