Boeing erwägt Schließung seiner Flugzeug-Internet-Tochter

22.06.2006
Nachdem Boeing mit Connexion auch nach sechs Jahren noch keinen Cent verdient hat, will es die Flugzeug-Internet-Tochter nun entweder verkaufen oder ganz dicht machen.

Das berichtet das "Wall Street Journal" unter Berufung auf Insider. Boeing hat demnach bereits Kontakt zu verschiedenen Betreibern kommerzieller Satelliten und anderen potenziellen Interessenten aufgenommen, die Connexion bei Boeing übernehmen oder als Mehrheitspartner einsteigen könnten. Falls dies nicht gelingt, würde Boeing den Service auch einstellen, heißt es weiter, auch wenn er planmäßig funktioniert und verschiedenen Airlines - darunter Lufthansa, Japan Airlines und Singapore Airlines - auf Langstreckenflügen angeboten wird.

Wie viel Boeing seit dem Start von Connexion im April 2000 in den Service investiert hat, ist nicht genau bekannt. Branchenkenner tippen auf rund eine Milliarde Dollar. Da bislang aber keine US-amerikanischen Fluglinien das System einsetzen, könnte sein Marktpreis nach Einschätzung von Managern aus der Satellitenbranche inzwischen bei lediglich 150 Millionen Dollar liegen.

Nachfrage erheblich überschätzt

Boeing hat offenbar die Nachfrage nach Internet-Zugängen im Flugzeug erheblich überschätzt. Nutzer können in mit Connexion ausgerüsteten Flugzeugen mit Wi-Fi-Laptops drahtlos ins Internet gehen, ihre E-Mails abrufen oder im Web surfen. Dafür zahlen sie zwischen zehn und 27 Dollar. Die Verbindung erfolgt über Satelliten. Daher ist es logisch, dass Boeing die intensivsten Verkaufsgespräche mit der Luxemburger SES Global geführt hat, das bereits Kapazitäten für Connexion bereitstellt. Ebenfalls kontaktiert wurden wohl auch die britische Inmarsat sowie Loral Space & Communications mit Sitz in New York. Keine der drei Satellitenfirmen wollte die Meldung kommentieren.

Abgesehen von der unerwartet geringen Internet-Nutzung in Connexion-Fliegern ziehen offenbar viele Airlines weniger aufwändige und preiswerte Technik mit geringerer Bandbreite auf Mobilfunkbasis als Alternative in Betracht. Eine Schließung des Internet-Dienstes würde jedenfalls ziemlich am Image von Boeing als Pionier neuer Technologien kratzen. Der Flugzeugbauer müsste sich dann auch finanziell mit denjenigen Fluglinien arrangieren, die bereits um die 500.000 Dollar pro Maschine in spezielle Antennen und andere Connexion-Ausrüstung gesteckt haben.

Keine unmittelbare Entscheidung

Eine Entscheidung über die Zukunft von Connexion steht wohl nicht unmittelbar bevor. Der neue Boeing-Chef Jim McNerney hat aber bereits deutlich gemacht, dass er nicht so wie seine Amtsvorgänger von der Idee überzeugt ist, Boeing müsse im Kommunikationsgeschäft aktiv sein. Früher in diesem Jahr hatte er die Verantwortung für die 646-köpfige Connexion-Sparte an Boeings Director of Mergers and Acquisitions delegiert; zuvor hatte der Bereich direkt an McNerney berichtet.

Auf dem Höhepunkt des Dotcom-Booms hatte Boeing das Umsatzpotenzial mit Internet-nutzenden Notebook-Passagieren für das Jahr 2005 auf über 25 Milliarden Dollar geschätzt. Ursprünglich wollte der Hersteller vornehmlich mit US-amerikanischen Airlines zusammenarbeiten und tausende von Flugzeugen mit Connexion ausstatten. Diese Pläne durchkreuzten dann die Anschläge vom 11. September 2001, die die Luftfahrtindustrie in ihre bislang schwerste Krise stürzten. Connexion wäre bereits Ende 2001 beinahe zusammengebrochen, als sich die allesamt angeschlagenen American Airlines, United Airlines und Delta Airlines als Partner aus dem Projekt zurückzogen.

Boeing arbeitet mit Rockwell Collins an einer Connexion-Variante für Firmenjets und hat eine abgesicherte Ausführung für die "Air Force One" geliefert, die Maschine des US-Präsidenten. Der Konzern könne auch künftig noch "von den Fähigkeiten profitieren", die Connexion bereitstelle, selbst wenn es nicht mehr "der Besitzer des Übertragungssystems" sei, erklärte Mark Dankberg, Chairman des Connexion-Subunternehmers ViaSat. (tc)