Persönlichkeitsrecht vs. Gesundheitsgefährdung

Blauer Dunst am Arbeitsplatz - was die Gerichte sagen

21.12.2009 von Renate Oettinger
Die Rechtslage zum Thema Rauchen im Job wurde durch drei aktuelle Urteile konkretisiert. Dr. Christian Salzbrunn nennt Einzelheiten.

Der Autor Dr. Christian Salzbrunn ist Rechtsanwalt in Düsseldorf.

Fotolia, U.Kroener
Foto: Fotolia, U.Kroener

Es gibt nicht viele betriebliche Angelegenheiten, die zum Teil so emotional diskutiert werden, wie das Thema "Rauchen am Arbeitsplatz". Viele rauchende Arbeitnehmer fühlen sich durch die Einschränkungen, die in zahlreichen Unternehmen in den vergangenen Jahren eingeführt worden sind, erheblich in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt. Dagegen sehen viele nichtrauchende Arbeitnehmer ihre Gesundheit durch das Passivrauchen gefährdet und bestehen immer häufiger auf einen rauchfreien Arbeitsplatz. Aber auch die Geschäftsleitungen verfolgen bei diesem Thema vermehrt ihre eigenen Interessen, da die mit einem Rauchverbot verbundenen betriebswirtschaftlichen Vorteile gerade in den heutigen schwierigen Zeiten verstärkt ins Bewusstsein gerückt sind.

Nun sind in der jüngeren Rechtsprechung zu diesem Themenkomplex drei sehr interessante Urteile bekannt geworden, welche die bestehende Rechtslage weiter konkretisieren:

1. Anspruch auf einen rauchfreien Arbeitsplatz

In einem Urteil vom 19.05.2009 musste das Bundesarbeitsgericht über die Rechtsfrage befinden, inwieweit Mitarbeiter einen Anspruch auf einen rauchfreien Arbeitsplatz geltend machen können. In dem zu beurteilenden Fall klagte ein Croupier, der als "Tisch-Chef" am Roulettetisch in einer Berliner Spielbank tätig war. Sein Arbeitsplatz befand sich in einem großen Spielsaal, der auch einen nicht abgetrennten Bereich mit einer Bar umfasste (welche von einem anderen Unternehmen und nicht vom Spielcasino selbst betrieben wurde). Sowohl im Spielsaal als auch im Barbereich konnte geraucht werden. Hiergegen wandte sich der Croupier und machte vor den Arbeitsgerichten seinen Anspruch auf Nichtraucherschutz geltend. Er beantragte in den gerichtlichen Verfahren, ihm während seiner Arbeitszeit einen tabakrauchfreien Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen.

Während die beiden Vorinstanzen seine hierauf gerichtete Klage abwiesen, gab das BAG seiner Klage in letzter Instanz statt. In ihrer Urteilsbegründung verwiesen die Richter zunächst auf § 618 Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift ist jeder Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften so einzurichten und zu unterhalten und auch Dienstleistungen so zu regeln, dass der Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit zumindest insoweit geschützt ist, als die Natur der jeweilig geschuldeten Dienstleistung es gestattet. Darüber hinaus zogen die Richter in ihrer Begründung den § 5 Abs. 1 der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) heran, wonach der Arbeitgeber alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen hat, damit die nicht rauchenden Beschäftigten wirksam vor Gesundheitsgefahren geschützt sind. Notfalls hat der Arbeitgeber auch ein allgemeines oder auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte beschränktes Rauchverbot zu erlassen.

Hieraus folgte nach Ansicht der Richter auch für den klagenden Croupier ein Anspruch auf Zuweisung eines tabakrauchfreien Arbeitsplatzes. Hiergegen konnte sich das Spielcasino auch nicht auf die Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 2 ArbStättV berufen. Danach hat der Arbeitgeber in Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr nur solche Schutzmaßnahmen zu treffen habe, wie die Natur des Betriebes und die Art der Beschäftigung es zulassen. Denn die Richter befanden, dass die mit der Ausnahmeregelung geschützte unternehmerische Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers ihrerseits durch das Nichtraucherschutzgesetz wieder eingeschränkt wurde. Da in dem Spielsaal, in dem der Croupier tätig war, mit der angrenzenden Bar auch eine Gaststätte betrieben wurde, war nämlich auch der § 2 Abs. 1 Nr. 8 des Berliner Nichtraucherschutzgesetzes (NRSG) zu berücksichtigen. Diese Vorschrift verbietet das Tabakrauchen in Gaststätten. Damit habe im vorliegenden Fall für eine Anwendung der Ausnahmeregelung in § 5 Abs. 2 ArbStättV kein Raum mehr bestanden. Der Klage des Croupiers auf Zuweisung eines rauchfreien Arbeitsplatzes wurde daher stattgeben (BAG, Urteil vom 19.05.2009, Az.: 9 AZR 241/08).

Aus dieser Entscheidung des BAG geht zum einen hervor, dass jeder Arbeitnehmer unabhängig von seiner persönlichen gesundheitlichen Konstitution einen Anspruch auf Zuweisung eines tabakrauchfreien Arbeitsplatzes geltend machen kann. Zum anderen kann aus dieser Entscheidung geschlussfolgert werden, dass sich Arbeitgeber auf die Ausnahmeregelung in § 5 Abs. 2 ArbStättV dann nicht berufen können, wenn das Rauchen in Räumen mit Publikumsverkehr schon aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften verboten ist.

2. Kündigung wegen wiederholten Verstoßes gegen ein Rauchverbot im Betrieb

Mit der Rechtsfrage, ob wiederholte Verstöße gegen ein betriebliches Rauchverbot die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann, musste sich das LAG Köln in einem Urteil vom 01.08.2008 auseinandersetzen.

In dem zu entscheidenden Fall ging es um einen Lagerarbeiter, der seit vielen Jahren bei einem Lebensmittelhersteller beschäftigt war. In diesem Betrieb bestand eine Betriebsvereinbarung in Form einer Arbeitsordnung, welche das Rauchen aus Brandschutzgründen in allen Produktionsräumen untersagte und wonach das Rauchen auch in anderen Bereichen im Interesse von Mitarbeitern und Kunden verboten werden konnte. Im Lagerraum, in dem der Kläger beschäftigt war, galt ebenfalls ein Rauchverbot, welches durch entsprechende Symbole gekennzeichnet war.

Im April 2006 traf der Geschäftsführer dieses Lebensmittelherstellers den Lagerarbeiter erstmals rauchend im Lager an und mahnte diesen daraufhin wegen dem Verstoß gegen das Rauchverbot ab. Nur drei Monate später wurde der Lagerarbeiter erneut beim Rauchen im Lager erwischt. Dies nahm der Arbeitgeber zum Anlass für eine ordentliche Kündigung mit Wirkung zum 31.03.2007. Allerdings vereinbarte der Arbeitgeber gleichzeitig mit dem Betriebsrat, dass die Kündigung des Lagerarbeiters aufgrund seines Alters und seiner langen Betriebszugehörigkeit zurückgenommen werden solle, sofern es während des Laufs der langen Kündigungsfrist zu keinem weiteren Verstoß gegen das Rauchverbot komme. Da bis zum Ablauf der Kündigungsfrist kein weiterer Verstoß festgestellt werden konnte, nahm der Arbeitgeber tatsächlich die zunächst ausgesprochene Kündigung zurück. Wieder nur wenige Monate später wurde der Kläger erneut beim Rauchen im Lager gesehen, woraufhin der Arbeitgeber erneut fristgerecht kündigte.

Hiergegen erhob der Lagerarbeiter vor den Arbeitsgerichten eine Kündigungsschutzklage, in der er geltend machte, dass das Lager kein Produktionsraum im Sinne der Arbeitsordnung sei und daher vom betrieblichen Rauchverbot nicht umfasst sei. Außerdem habe er nur aufgrund von erhöhtem Stress im Lager geraucht, was aus seiner Sicht ebenfalls zu berücksichtigen sei.

Seine Klage hatte indes in allen Instanzen keinen Erfolg. Die Richter des LAG Köln hielten die Kündigung für gerechtfertigt. Dabei befanden sie es auch für unerheblich, dass der Wortlaut der Arbeitsordnung nicht eindeutig auf Lagerräume, sondern lediglich auf Produktionsräume Bezug nahm. Denn für sie ergab sich das Rauchverbot zumindest aus einer betrieblichen Übung, welches infolge der Verbotszeichen seit langer Zeit auch im Lager des Unternehmens galt. Ferner habe der Arbeitgeber nach Ansicht der Richter auch den im Arbeitsrecht geltenden Ultima ratio Grundsatz beachtet, indem der Lagerarbeiter durch die Abmahnung und die Aussprache der ersten Kündigung zuvor eindeutig gewarnt worden ist. Dennoch habe er sich ein weiteres Mal über das geltende Rauchverbot hinweggesetzt. Daher konnte auch die sehr lange Betriebszugehörigkeit des Klägers einer verhaltensbedingten Kündigung nicht mehr entgegenstehen. Außerdem ließen die Richter auch das Stress-Argument nicht gelten, da der Kläger die Möglichkeit gehabt habe, einen unmittelbar an das Lager angrenzenden Aufenthaltsraum - dort war das Rauchen gestattet - kurz aufzusuchen (LAG Köln, Urteil vom 01.08.2008, Az.: 4 Sa 590/08).

Jedem Arbeitnehmer kann nach dieser Entscheidung des LAG Köln daher nur angeraten werden, bestehende betriebliche Rauchverbote äußerst ernst zu nehmen, da bei Verstößen arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zu einer Kündigung drohen können.

3. Fristlose Kündigung infolge einer Raucherpause ohne Ausstempeln

Schließlich ist auf ein aktuelles Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 14.09.2009 hinzuweisen, welches die Kündigung einer Arbeitnehmerin zum Gegenstand hatte, die trotz Abmahnung wiederholt Pausen im Raucherraum verbracht hatte, ohne hierbei die im Betrieb vorgeschriebene Zeiterfassung zu bedienen.

Dem Rechtsstreit lag die Kündigungsschutzklage einer langjährigen Beschäftigten zu Grunde, die bereits im Verlauf des Jahres 2008 mehrfach deswegen abgemahnt worden ist, weil sie Raucherpausen genommen hat, ohne die Pause an der Zeiterfassung auch auszustempeln. Im Betrieb der Klägerin galt aber eine verbindliche Regelung, wonach bei einer Raucherpause vorher auszustempeln ist. Im Frühjahr 2009 stellte der Arbeitgeber fest, dass die Mitarbeiterin an drei aufeinander folgenden Tagen ohne Bedienung des Zeiterfassungsautomaten jeweils Raucherpausen eingelegt hatte. Außerdem unterblieb das bei der Wiederaufnahme der Arbeit erforderliche Einstempeln. Dadurch konnten die zusätzlichen Pausenzeiten nicht registriert werden. Da die Mitarbeiterin auch in den Folgetagen keine Korrekturbelege einreichte, sprach der Arbeitgeber die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus.

Zu Recht, wie das Arbeitsgericht Duisburg befand. Da die Klägerin für ihre wiederholten Verstöße keine nachvollziehbare Begründung vortragen konnte, sei die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt gewesen. Das Gericht stellte den vorliegenden Fall nahezu mit dem Fall eines Diebstahls gleich und betonte, dass auch der kurzzeitige Entzug der Arbeitsleistung eine sehr gravierende Vertragsverletzung darstellen kann. Sie zerstöre unmittelbar das für die weitere Fortsetzung erforderliche Vertrauensverhältnis, so dass das Arbeitsverhältnis auch ohne Einhaltung einer Frist zur ordentlichen Kündigung sofort beendet werden könnte (ArbG Duisburg, Urteil vom 14.09.2009, Az.: 3 Ca 1336/09).

Dieses Urteil zeigt, dass die Arbeitsgerichte auch einen kurzzeitigen Entzug von Arbeitsleistung in Form einer Raucherpause während der Arbeitszeit gerade nicht als mehr Kavaliersdelikt verstehen, sondern dass damit - nach Erteilung einer entsprechenden Abmahnung - erhebliche Konsequenzen verbunden sein können. Daher kann Arbeitnehmern nur angeraten werden, betriebliche Regelungen zum Thema "Rauchen am Arbeitsplatz" sorgfältig zu beachten. (oe)

Dr. Christian Salzbrunn ist Rechtsanwalt in Düsseldorf.

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