First Look

Blackberry Playbook - mehr als eine Spielerei

05.02.2011 von Manfred Bremmer
Research in Motion (RIM) bewirbt das für Business- und Privatkunden gedachte "Blackberry Playbook" als bessere Alternative zu Apples iPad. Zu Recht?

Nachdem das Gerät im September vergangenen Jahres erstmalig vorgestellt wurde, will RIM sein Blackberry Playbook spätestens im März in den USA und ab dem zweiten Quartal 2011 in Deutschland anbieten. Die Kanadier wollen damit - ebenso wie mehr als 50 andere Anbieter - das Tablet-Segment erobern, einen Markt, der zwar boomt, gleichzeitig aber von Apple dominiert wird.

Doch was unterscheidet das Blackberry Playbook vom iPad und den vielen anderen Tablets? Die Computerwoche hatte die Möglichkeit, das Gerät genauer unter die Lupe zu nehmen und sich Funktionen und Einsatzmöglichkeiten im Detail erklären zu lassen.

Optisch und technisch auf der Höhe

Rein äußerlich muss sich das Blackberry Playbook nicht verstecken. Das Tablet ist gut verarbeitet und macht einen hochwertigen Eindruck. Mit Abmessungen von130 mal 194 mal zehn Millimetern ist es nicht nur deutlich kompakter als das Apple-Tablet, sondern bringt mit einem Gewicht von 425 Gramm auch weniger auf die Waage (iPad: 700-730 Gramm). Grund dafür ist sicher das nur sieben Zoll große Display, das allerdings mit 1024 mal 600 Pixeln auflöst. Der Rivale von Apple ist mit einer Bildschirmdiagonalen von 9,7 Zoll ein gutes Stück größer.

BB Playbook
RIM Blackberry Playbook - frontal
RIM Blackberry Playbook - Flash-Unterstützung inklusive
RIM Blackberry Playbook - Messenger
RIM Blackberry Playbook - Videotelefonie

Vom kleineren Display abgesehen, kann das Playbook dem iPad in puncto Funktionalität in vielfacher Hinsicht das Wasser reichen: Es unterstützt Multitouch, Gestensteuerung und ist ein Meister in Sachen Multitasking. Der verbaute Dual-Core-Prozessor mit 1-Gigahertz-CPU und 1 GB RAM hat selbst mit bis zu zehn gleichzeitig laufenden Anwendungen keine spürbaren Probleme. Dank integriertem HDMI-Port ist aber auch die Wiedergabe von HD-Videos (1080p) auf einem angeschlossenen Fernseher (etwa im Hotelzimmer) kein Problem. An diesem Punkt muss das Apple-Gerät mangels Schnittstellen passen. Einen MicroSD-Slot besitzt der Flachmann indes nicht, der Anwender muss sich mit den angebotenen 16, 32 oder 64 GB Speicher begnügen.

Alte Blackberry-Tugenden

Weitere Trümpfe sind die beiden Kameras: Die rückwärtige ist mit fünf, die Frontkamera mit drei Megapixel ausgestattet. Damit eignet sich das Gerät für Videotelefonate in HD-Qualität. Für eine ausreichende Energiezufuhr sorgt ein 5300-mAh-Akku. Bei mittlerer bis starker Beanspruchung sollte das Playbook damit einen ganzen Arbeitstag überstehen. Genaue Angaben machte RIM hierzu allerdings nicht.

Ein großer Schritt nach vorne gelingt RIM mit dem zugekauften Betriebssystem QNX, das schnell reagiert und mit Features wie Gestensteuerung überrascht. Beispielsweise öffnet eine senkrechte Bewegung das Menü mit allen Anwendungen. Außerdem haben Entwickler die Möglichkeit, bestimmte Gesten zur Steuerung des Playbooks über den äußeren Rahmen festzulegen, um - etwa anlässlich einer Präsentation beim Kunden - bestimmte Funktionen oder auch Preislisten aufzurufen.

Schlechter sieht es dagegen in Sachen Konnektivität aus: Zur Markteinführung bieten die Kanadier lediglich ein WLAN-Modell an. Der mobile Datenzugriff von überall ist aber dennoch möglich, da Tablet-Nutzer über ihr bei Bedarf schnurlos verbundenes Blackberry-Smartphone eine Netzverbindung herstellen können. Immerhin können sich Unternehmenskunden damit trösten, dass so keine zusätzlichen Mobilfunkverträge benötigt werden. Der Verzicht auf 3G-Unterstützung ist aber nur vorübergehend nötig: Ähnlich wie Apple bei der Einführung des iPad will auch RIM schon bald eine UMTS-fähige Version her- ausbringen. Für Sommer 2011 plant RIM in den USA ebenfalls Versionen für LTE beziehungsweise Wimax. Inwieweit diese auch in Europa genutzt werden können, ist wegen der unterschiedlichen Frequenzräume noch unklar.

Das Playbook bietet in Kombination mit einem Blackberry zusätzliche Funktionen.

Das Playbook bietet in Kombination mit einem Blackberry zusätzliche Funktionen, die Mobile Worker produktiver machen sollen. So lässt sich die Mobilfunkverbindung des Smartphones verwenden (Tethering), um E-Mail, Kalender, Kontakte und Aufgaben sowie den Blackberry Messenger (BBM) zu nutzen. Die Geräte gehen dabei über die Blackberry Bridge via Bluetooth eine mit AES256 verschlüsselte Quasi-VPN-Verbindung ein, ähnlich wie beim Blackberry Smartcard Reader. Anschließend können Nutzer etwa eine auf dem Blackberry empfangene E-Mail auf dem größeren Display bearbeiten und zurückschicken. Das Playbook fungiert dabei aber nicht nur als Bildschirm wie beim gescheiterten Palm Foleo, sondern ist vollwertig einsetzbar und nutzt nur den Datenzugang des Smartphones.

Erleichterung für Administratoren

Eine weitere Besonderheit ist, dass zumindest die erste Version nicht direkt mit dem Blackberry Enterprise Server (BES) verbunden ist. Laut RIM hat das den Vorteil, dass Blackberry-Administratoren keine zusätzlichen Geräte verwalten müssen. Es genügen allgemeine Einstellungen auf dem gepaarten Blackberry, etwa, wie lange übertragene Informationen auf dem Playbook vorgehalten werden.

So ist beispielsweise einstellbar, dass Daten sofort aus dem Cache des Tablets verschwinden, wenn die Bluetooth-Verbindung mit dem Blackberry-Smartphone unterbrochen wird. Außerdem kann der Gebrauch eines Passworts erzwungen werden, und der Administrator kann festlegen, welcher Nutzer auf welche BES-Ressourcen via Playbook zugreifen darf.

Apps in Arbeit

Neben der Bearbeitung von PIM-Daten lassen sich auch Word-, Excel- und PowerPoint-Dokumente auf dem Playbook einsehen. Weitere Funktionen sind laut RIM in Arbeit, dazu zählen nativer Zugriff auf Mail, Kalender und zentrales Adressbuch. Denkbar ist auch remote Desktop-Benutzung und Zugriff auf BI- oder ERP-Systeme.

Damit solche Programme direkt auf dem Playbook laufen, müssen sie entsprechend angepasst werden. Dies soll laut RIM aber dank Unterstützung von Adobe Air, Flash und HTML5 keine schwere Übung sein - vorausgesetzt natürlich, das Interesse der Entwickler, die mit einer weiteren Plattform konfrontiert werden, wird geweckt. Die Kanadier haben bereits eine Betaversion des Blackberry Webworks SDK für das Tablet-Betriebssystem veröffentlicht. Es gibt Entwicklern Zugriff auf Kernfunktionen der Tablets und Smartphones, beispielsweise native Dialoge, Applikationsaufrufe und Systeminformationen, und soll die App-Erstellung für beide Plattformen mit Hilfe von Web-Technik wie HTML, CSS und Javascript entsprechend einfach machen. Dennoch wird sich RIM schwertun, in absehbarer Zeit ähnliche Mengen an verfügbaren Drittanwendungen wie Apples iPad vorzuweisen.

Probleme bei Inhouse-Apps

Für Probleme beim Erstellen von Enterprise-Applikationen könnte indes der Umstand sorgen, dass das RIM-Tablet, wenn es nicht via WLAN auf ein Corporate-VPN zugreift, keinen sicheren Rückkanal zum BES Mobile Data Service (MDS) bietet. Dabei handelt es sich um eine Komponente des Blackberry Enterprise Server, über die Administratoren Anwendungen hinzufügen, verwalten oder absichern können.

Aus Sicht von Al Sacco, Redakteur der CW-Schwesterpublikation "CIO.com", weist das Gerät damit ein beträchtliches Manko auf: "Wenn es um Enterprise-Apps geht, die auf Backend-Systeme im Unternehmen zugreifen, etwa ERP oder CRM, ist die erste Version des Playbook oft nichts weiter als ein größeres Display zur Einsicht von Daten." Vertriebler oder Ingenieure auf Montage könnten damit unterwegs zwar E-Mails schicken oder Termine und Lagerbestände abrufen. Um neue Informationen in diese Systeme einzugeben, bräuchten sie aber nach wie vor ihren Blackberry.

Fairerweise muss man RIM konzedieren, dass das Unternehmen bei dieser Regelung die Sicherheit der Daten in den Vordergrund gestellt hat, wenn auch zu Lasten der Einsatzfähigkeit. Gehofft werden darf, dass die Kanadier dem Problem schnell auf den Grund gehen werden, am besten noch bevor sich die ersten Business-Kunden an die Integration des Blackberry-Tablets machen. Spätestens mit einer 3G/4G-Variante des Playbooks, die eine PIN und eine Integration des BES erfordert beziehungsweise ermöglicht, dürfte das jetzige Problem ohnehin der Vergangenheit angehören.

Fazit

Im Großen und Ganzen scheinen RIMs Chancen, mit dem Playbook ein Standbein in den wachsenden Tablet-Markt zu setzen, nicht schlecht. Das Gerät ist gut verarbeitet, Hard- und Software müssen sich nicht vor den Erzeugnissen der Konkurrenz verstecken.

Dennoch zeichnen sich auch einige Probleme ab, die den Erfolg des Geräts gefährden können. So hat RIM mit der engen Verknüpfung von Tablet und Smartphone möglicherweise zu hoch gepokert. Zwar lässt sich das Playbook auch als Stand-alone-Gerät nutzen, RIM weist aber ausdrücklich darauf hin, dass Anwender die Vorteile des Tablets erst zusammen mit einem Blackberry voll ausschöpfen können. Zumindest im Consumer-Bereich dürften die Chancen, Apple und Google mit dem aktuellen Portfolio Kunden abspenstig zu machen, gering sein. Besser sind RIMs Karten im Business-Umfeld, wo es bereits eine hohe Blackberry-Dichte gibt. Hier hätten die Kanadier aber sicher gut daran getan, auch ein Zehn-Zoll-Tablet als direkte iPad-Alternative anzubieten (Manager sind da empfindlich).

Tablets CES
Motorola Xoom
Das erste Motorola-Tablet läuft mit Android 3.0, besitzt ein 10,1 Zoll großes Display und verfügt über eine Dual-Core-CPU mit 1 GHz Taktfrequenz.
Blackberry Playbook
Das Blackberry Playbook mit Blackberry Tablet OS soll im ersten Quartal in den USA und im darauffolgenden Quartal dann weltweit auf den Markt kommen.
IdeaPad U1
Das Ideapad ist ein Notebook mit abnehmbaren Tablet-PC und läuft - je nach Modus mit Windows 7 oder Linux.
Samsung Sliding PC
Der Samsung Sliding PC ist ein Hybrid-Rechner auf Windows-7-Basis.
Acer Iconia Touchbook
Das Acer Iconia Touchbook besitzt zwei 14 Zoll große Touchscreens, aber keine physische Tastatur.
Cisco Cius
Das Cisco-Tablet mit Android-Betriebssystem kann sowohl im Office wie auch unterwegs eingesetzt werden.
Motion CL900
Das 10,1-Zoll-Tablet Motion CL900 ist mit einem Intel-Atom-Prozessor ausgestattet und läuft mit Windwos 7.
Asus EeePad Transformer
Der Asus Eee Transformer ist eigentlich ein Netbook, lässt sich aber dank des abnehmbaren Keyboards in ein Tablet verwandeln.
Asus EeeSlate EP121
Für Anwender, die Windows einsetzen (müssen), hat Asus den EeeSlate EP121 neu im Programm. Das Gerät hat ein 12,1 Zoll großes Multitouch-Display, lässt sich statt mit den Fingern aber auch mit einem Stift bedienen.
Dell Streak 7H
Das Dell Streak 7 ist der große Brunder des Streak 5 und funkt mit HSDPA+
Motorola Atrix 4G
Interessantes Konzept: Besonderheit des Motorola Atrix 4G ist eine optional erhältliche Docking-Station, bestehend aus einem klappbaren Display und Tastatur, die das Smartphone zu einem vollständigen Notebook-Ersatz machen soll.

Letztendlich dürften auch die Preisgestaltung und die Anzahl der verfügbaren Apps darüber entscheiden, ob das Playbook ein Hit wird oder als interessantes Konzept in der Flut der neu vorgestellten Tablets untergeht.

Auf Augenhöhe mit der Konkurrenz

Gerät

Blackberry Playbook

Motorola Xoom

Apple iPad*

Display

7 Zoll

10,1 Zoll

9,7 Zoll

Auflösung

1024 x 600 Pixel

1280 x 800 Pixel

1024 x 768 Pixel

Prozessor

1 Gigahertz Dualcore TI OMAP 4430

1 Gigahertz Dualcore Nvidia Tegra

1 Gigahertz Apple A4 (ARM) SoC

Arbeitsspeicher

1 GB RAM

1 GB RAM

264 MB RAM

Speicherplatz

16, 32 oder 64 GB (kein MicroSD)

32 GB (MicroSD-Slot)

16, 32 oder 64 GB (kein MicroSD)

Abmessungen (LxBxH)

194 x 130 x 10 mm

249 x 168 x 13 mm

243 x 190 x 13 mm

Gewicht

425 Gramm

730 Gramm

700 - 730 Gramm (je nach Typ)

Kamera (Rück/Front)

5 Megapixel/3 Megapixel

5 Megapixel/2 Megapixel

keine

* Es wird erwartet, dass Apple in Kürze den Nachfolger des iPad vorstellt. Dieser soll Gerüchten zufolge mindestens eine Frontkamera sowie einen Dualcore-Prozessor und deutlich mehr Arbeitsspeicher erhalten.