RIM in Not

Blackberry kehrt zum Business zurück

30.03.2012
Angesichts desaströser Geschäftszahlen besinnt sich der Blackberry-Hersteller Research in Motion (RIM) auf seine Wurzeln: Services für Geschäftskunden.

Die aktuellen Quartalszahlen waren schlecht, schlechter noch als die ohnehin verhaltenen Prognosen der Analysten: Die Einnahmen brachen um ein Viertel auf 4,19 Milliarden US-Dollar ein, die Analysten hatten im Schnitt einen Umsatz von über 4,5 Milliarden Dollar erwartet. Der Absatz von Geräten brach ein: RIM verkaufte im Berichtszeitraum 11,1 Millionen Smartphones, das sind 21 Prozent weniger als im Quartal zuvor. Der Absatz von "PlayBook"-Tablets verbesserte sich zwar von 150.000 auf 500.000 Einheiten (und damit auf summa summarum 1,3 Millionen verkaufte Geräte). Doch ein Blick auf die Apple-Zahlen relativiert den Erfolg: Allein in den Monaten Oktober bis Dezember 2011 gingen 15,4 Millionen iPads über die Ladetheke. Immerhin schrumpfte RIMs Fehlbetrag. Schrieb das Unternehmen im Vergleichsquartal des Vorjahres noch rote Zahlen in Höhe von 934 Millionen Dollar, waren es im vergangenen Drei-Monats-Zeitrahm "nur noch" 125 Millionen Dollar.

Den Schwung der ersten Tage nach Amtsantritt hat der seit Ende Januar 2012 amtierende CEO Thorsten Heins verloren: "Mein Eindruck aus den ersten zwei Tage als CEO war ein völlig anderer als nach zehn Wochen, in denen ich die Fakten kennen lernte", sagte Heins. Künftig ist bei RIM vor allem Aufräumen angesagt. RIM setzt dabei an der Konzernspitze an: Jim Balsillie, einer der RIM-Gründer und langjähriger Co-CEO des Unternehmens, räumt nun auch seinen Platz im Aufsichtsrat. Zudem verlassen David Yach, seit 13 Jahren Chief Technology Officer (CTO) Software, und Jim Rowan, bislang Chief Operating Officer (COO) Global Operations, den kanadischen Konzern. Die Position des COO solle bald wieder besetzt werden, betonte das Unternehmen. Ob das gelingt, ist fraglich. Die Stelle des Chief Marketing Officers ist seit etlichen Wochen verwaist.

Heins kündigte an, das Unternehmen wieder auf Geschäftskunden auszurichten, um in diesem Marktsegment die einst führende Position zurückzuerobern. Den Markt für Privatkunden wird RIM in Teilen räumen und die erfolglosen Versuche aufgeben, Blackberrys als Gaming-Plattform oder Social-Device für junge Erwachsene zu positionieren. "Wir haben den ByoD-Trend spät erkannt", räumte Heins selbstkritisch ein. "Dadurch ist die Wachstumsrate bei den Geschäftskunden-Abonnenten signifikant zurückgegangen."

Hat RIM verstanden?

So mancher Analyst fragt sich angesichts der Ankündigungen, ob der CEO seine Vorhaben wirklich durchdacht hat. "Ich bin mir nicht sicher, ob Heins verstanden hat, dass der Privatkunde der Schlüssel zum Erfolg im Geschäftskundenmarkt ist", sagte Ovum-Analyst Jan Dawson. Apple habe gezeigt, wie man über Umwege erfolgreich in dieses Segment vorstoßen könne, Samsung und Motorola Mobility versuchen das Vorhaben mit ihren Android-Geräten zu kopieren

In einer Präsentation vor Investoren hatte Heins zudem neue Geschäftsmodelle vorgestellt. Beispielsweise strebt er enge Partnerschaften mit anderen Herstellern an. Einigen Anteilseignern scheint das gefallen zu haben, sie plädieren sogar für eine noch weitereichendere Öffnung gegenüber Drittanbietern, indem sie den Verkauf der Infrastruktur sowie des Instant-Messaging-Dienstes "BlackBerry Messenger" ins Spiel brachten. Offenbar gab es auch den Vorschlag, das Hardwaregeschäft abzustoßen, doch ein solcher Plan wurde verworfen, und das, so betont Ovum-Analyst Dawson, sei richtig gewesen: "Es wäre ein Riesenfehler, das Geschäft mit Geräten zu schließen. Es steuert heute den Großteil der Einnahmen bei."

Die Gedankenspiele zeigen, dass bei RIM alles auf dem Prüfstand steht. Heins bestätigte das in einer Telefonkonferenz indirekt. "Für mich ist es heute vollkommen klar, dass substanzielle Veränderungen nötig sind", verriet er den Finanzanalysten. Auf die Frage, ob das auch einen Verkauf umfasse, antwortete er sybillinisch: "Wenn es im Zuge der strategischen Bewertung irgend ein Element gibt, dass uns in diese Richtung führt, dann werden wir es betrachten. Das ist aber nicht die Hauptrichtung, die wir derzeit verfolgen."

RIM-Übernahmen wird zum Schnäppchen

Akquisitionsgerüchte gibt es immer wieder, Ende vergangenen Jahres kursierten etwa Meldungen, Nokia und Microsoft prüften die Übernahmen des kanadischen Unternehmens. Zudem kreisen immer wieder Gerüchte um einen Verkauf an Samsung. Möglicherweise schmieden die Unternehmen aber auch eine enge Partnerschaft, deren Vorteile auf der Hand lägen. Der südkoreanische Konzern bekäme Zugang zu den begehrten Patenten von RIM und demnächst auch zum neuen Betriebssystem "Blackberry 10". Vor allem mit letzterem könnte er sich vom Android-Betriebssystem und der Google-Abhängigkeit frei machen. RIM wiederum stünde ein starker, finanzkräftiger Partner zu Seite.

Die Hoffnungen der Kanadier richten sich vorerst auf das mit Vorschusslorbeeren bedachte Betriebssystem Blackberry 10, das im Sommer vorgestellt und ab Herbst, rechtzeitig zum wichtigen Weihnachtsgeschäft, auf zunächst nur einem Gerät ausgeliefert werden soll. Es wird als Smartphone für alle Marktsegmente positioniert und ist in der Lage, Android-Apps laufen zu lassen. Marktbeobachter sehen gute Chancen, dass RIM damit die Wende gelingen könnte, wenn es das Unternehmen bis dahin noch gibt. Der Aktienkurs sackt derweil weiter ab und macht das Unternehmen angesichts der wertvollen Patente und Infrastruktur zu einem Schnäppchen für Interessenten. Einstweilen versucht RIM den Abwärtstrend mit dem verstärkten Verkauf günstiger Blackberry-7-Geräte in Entwicklungsländer zu stoppen, um dort Zukunftsmärkte zu besetzen. Die gleiche Strategie verfolgen allerdings auch Nokia und Samsung. Selbst Apple adressiert mit iPhones und iPads die aufstrebende Mittelschicht in einigen dieser Länder. (jha)