Sicher, solide – aber nicht unbedingt sexy

Blackberry DTEK50 im Praxistest

23.08.2016 von Manfred Bremmer
Das Blackberry DTEK50, benannt nach der hauseigenen Privacy-Kontroll-App DTEK, soll preisbewussten Anwendern und Unternehmen für Android bislang unerreichte Sicherheits-, Privatsphären - und Produktivitäts-Standards bieten. Ästhetik und hochwertige Hardware sucht man bei dem Smartphone aber weitgehend vergeblich.
Mit dem DTEK50 versucht Blackberry erneut sein Glück im Android-Lager.
Foto: Blackberry

Nachdem der zumindest preislich (UVP 779 Euro) für den Highend-Bereich ausgelegte Tastatur-Slider Blackberry PRIV (Testbericht) am Markt floppte, haben die Kanadier mit dem DTEK50 für ihren zweiten Anlauf im Android-Segment ein deutlich günstigeres Mittelklasse-Gerät auserkoren, das zudem noch vom chinesischen Hersteller TCL gefertigt wird. Dabei handelt es sich im Prinzip um einen cleveren Schritt von Blackberry-Chef John Chen, der das gesamte Smartphone-Geschäft auf den Prüfstand gestellt hat und nun bis Ende des laufenden Geschäftsjahres (Ende: 31. März 2017) mindestens eine schwarze Null in dem Bereich sehen will.

Hardware von der Stange

Um die Entwicklungskosten für das DTEK50 im Rahmen zu halten, teilt sich das ab etwa 300 Euro erhältliche Gerät weitgehend die Hardware mit dem im Frühjahr 2016 vorgestellten Alcatel Idol 4 von TCL. Das Resultat wiegt magere 135 Gramm, ist mit weniger als 7,5 Millimeter angenehm dünn, relativ gut verarbeitet und vermittelt dank eines Metallrahmens um den Plastik-Body auch einen Hauch von Style.

Elegant ist auch der mittig an der rechten Seite angebrachte silberne Knopf: Was beim Idol 4 noch als Boom Key geführt wurde, heißt bei Blackberry nun Convenience Key, wenngleich die Funktionalität gleich blieb: Die Komforttaste lässt sich mit einem Schnellzugriff auf Apps und anderen Funktionen verknüpfen. Leider wurde dabei die praktischste Funktion vergessen, der An-Aus-Schalter liegt weiter oben auf der linken Seite und ist damit insbesondere bei Ein-Hand-Bedienung schlecht erreichbar.

Die gummierte Rückseite des Blackberry DTEK50 ist praktisch, stört aber den ansonsten wertigen Eindruck.
Foto: Blackberry

Fast schon zu praktisch ist dagegen die bereits vom Blackberry-10-Vorgängermodell Blackberry Leap bekannte geriffelte graue Gummimatte auf der Rückseite des DTEK50 - das Idol 4 wartet hier mit einer schicken, aber rutschigen Glasoberfläche auf. Der Grund der Veränderung liegt buchstäblich auf der Hand: Das Gummi sorgt dafür, dass das Gerät nicht rutscht und etwa beim Telefonieren sicher in der Hand liegt, wirkt dabei aber etwas billig.

Über jeden Tadel erhaben, wenn auch nichts Besonderes ist das 5,2 Zoll große, kratzfeste IPS-LC-Display mit FullHD-Auflösung (1920 x 1080 Pixel). Dasselbe Urteil kann man auch über die beiden Kameras, eine 8-Megapixel-Frontkamera mit Selfie-Flash und ein 13-Megapixel-Objektiv mit Autofokus und Blitz auf der Rückseite sagen.

Und die dezent an Ober- und Unterseite platzierten Lautsprecher sind gemessen an der Preisklasse sogar sehr gut - hier hatte Smartphone-Ausstatter TCL wohl eine andere Zielgruppe als Blackberry im Visier. Da es sich trotz chinesischer Gene nach wie vor um ein Blackberry handelt, ist natürlich auch die Sprachqualität über jeden Zweifel erhaben.

Als Taschenwärmer gut geeignet

Auch beim Innenleben basiert das DTEK50 auf dem TCL-Smartphone. Wie der günstige Preis bereits andeutet, darf man sich von der verwendeten Hardware nicht allzu viel erwarten. So ist der verbaute Qualcomm Snapdragon 617 mit Octacore-Prozessor, dem 3GB RAM zur Seite gestellt wurden, nicht gerade der performanteste Chipsatz, was auch diverse Benchmarks zeigten. Unter Belastung heizt sich das Gerät zudem stark auf, kurioserweise strahlt die Hitze dabei wegen der isolierenden Gummimatte primär über das Display ab.

Wer also ein Gerät zum Daddeln sucht, ist beim DTEK50 daher sicherlich an der falschen Adresse. Für den Großteil der ansonsten üblichen Aufgaben, so zumindest das Ergebnis unseres Praxistests, reicht die Rechenleistung jedoch vollkommen aus.

Fast schon am Limit ist das Smartphone dagegen beim internen Speicherplatz: Von den ursprünglichen 16 GB bleiben nach der Belegung durch das Betriebssystem und die vorinstallierten Apps nur noch knapp 9,5 GB zum freien Gebrauch übrig - allerdings kann der Speicher des neuen Blackberry via microSD-Karte um bis zu 2 TB erweitert werden. Der nicht wechselbare Akku wiederum fällt mit einer Kapazität von 2160 mAh Blackberry-untypisch klein aus und hielt im Testzeitraum nicht immer bis zum Abend durch. Immerhin unterstützt die Batterie Qualcomms Quickcharge 2.0, was die Wiederaufladezeit deutlich reduziert.

Der Vollständigkeit halber noch ein Blick auf die Schnittstellen: Hier ist das DTEK50 mit Bluetooth 4.2, LTE Cat-4, WLAN b/g/n/ac, Wifi Direct oder NFC gut dabei, wenn auch nicht immer die aktuellsten Standards unterstützt werden.

Summa summarum macht das DTEK50 damit bei kleineren Schwächen doch einen guten Eindruck. Was fehlt, ist aber das besondere Extra wie ein Fingerprint-Scanner oder Ähnliches und auch die von Blackberry bekannte Benachrichtigungs-RGB-LED sucht man vergebens. Dabei greift der Verweis auf die Ausstattung des Referenzdesigns nicht immer, auf eine Dual-SIM-Unterstützung wie sie TCL für das Alcatel Idol 4 anbietet, wurde dagegen verzichtet.

Software: Fokus auf Sicherheit und Produktivität

Hardware war allerdings noch nie die Stärke der Kanadier (abgesehen von der Tastatur natürlich), sondern nur das Medium für die darunter liegenden Anwendungen und Dienste - egal, ob Blackberry OS, Blackberry 10 oder jetzt Android. Softwaretechnisch ist das DTEK50 mit Android Marshmallow 6.0.1 und einem eigenen Launcher ausgestattet. Dieser hebt sich allerdings nur geringfügig vom reinen Android ab und erlaubt so eine schnelle Bereitstellung von Firmware-Updates. Blackberry wirbt unter anderem damit, Sicherheits-Patches zeitgleich mit Google auszuliefern. Dies scheint allerdings nicht immer zu funktionieren - anders als bei einem Nexus-Smartphone war Stand 198. August auf unserem Testgerät vom August-Patch immer noch keine Spur.

DTEK50
Wischgesten und Popup-Widgets
Zu den kleinen Änderungen an der Android-Oberfläche gehören Wischgesten, mit denen man auf drei favorisierte Apps zugreifen kann. Eine weitere Modifikation sind spezielle Popup-Widgets für bestimmte Apps, erkennbar an den drei Punkten unter dem Icon.
Produktivitätskarte
Der Nutzer des DTEK50 kann durch Wischen von der rechten Displayseite auf eine Produktivitätskarte zugreifen, die Auskunft über aktuelle Termine oder Nachrichten gibt.
Komforttaste
Der Anwender kann der am rechten Rand des Geräts angebrachten Komforttaste verschiedene Funktionen zuweisen.
DTEK 1
Mit Hilfe der Privacy-App DTEK können Anwender den Sicherheitsstatus des Geräts abrufen und prüfen, welche Anwendungen Zugriff auf die persönlichen Daten oder Gerätefunktionen wie das Mikrofon oder die Kamera haben.
DTEK 2
Nachdem das DTEK50 mit einem Pin geschützt wurde, wurde der Gerätesicherheitsstatus als optimal bewertet.

Daneben gibt es ähnlich wie bereits beim PRIV noch zahlreiche exklusive Zusatz-Anwendungen und -Dienste, mit denen sich die Kanadier von der breiten Masse an Android-Herstellern differenzieren wollen. Dazu zählt etwa der von Blackberry 10 bekannte Blackberry Hub, in dem Nachrichten aus verschiedenen Quellen wie E-Mail, SMS, Kalender und Social Media zusammengeführt werden. Anders als bei Blackberry 10 ist diese universelle Inbox jedoch als App ausgeführt und nicht tief im System integriert und konkurriert damit im schlimmsten Fall mit den entsprechenden Google-Diensten.

Mit von der Partie ist auch die von Blackberry 10 bekannte intelligente Tastatur (Blackberry Intelligent Keyboard), die von den Eingaben des Nutzers lernt und mit Vorschlägen hilft, die Genauigkeit und Geschwindigkeit beim Tippen zu verbessern. Sicherlich gibt es in diesem Bereich bereits zahlreiche Alternativen - die Blackberry-Lösung gehört nach einer gewissen Anlernzeit aber bestimmt zu den schnellsten.

Auch Wischgesten funktionieren auf dem Android-Smartphone - wenn auch bei weitem nicht so elegant wie im Original. So kann der Nutzer eines DTEK50 beim Wischen von der rechten Displayseite auf eine Produktivitätskarte zugreifen, die Auskunft über aktuelle Termine oder Nachrichten gibt. Eine weitere Modifikation sind spezielle Popup-Widgets für bestimmte Apps, erkennbar an den drei Punkten unter dem Icon.

Um das - neben dem Blackberry PRIV - "weltweit sicherste Android-Smartphone" zu erschaffen, hat der kanadische Anbieter tief in seine Security-Trickkiste gegriffen. So wurde dem Qualcom-Chipsatz bei der Fertigung des Geräts bereits ein eigener Private Key injiziert und der öffentliche Schlüssel in der Blackberry-Infrastruktur abgelegt. Außerdem haben die Kanadier Android gehärtet und das System überprüft noch während des Starts, ob Manipulationen am Betriebssystem oder dem Bootloader vorgenommen wurden. Zusätzlich verschlüsselt das DTEK50 alle Informationen der Nutzer, einschließlich unternehmenskritischer und persönlicher Daten wie Bilder, Videos und Kontakte.

Wie bereits beim PRIV können Nutzer mit Hilfe der Privacy-App DTEK den Sicherheitsstatus des Geräts abrufen und prüfen, welche Anwendungen Zugriff auf die persönlichen Daten oder Gerätefunktionen wie das Mikrofon oder die Kamera haben. Im Anschluss können sie dann entscheiden, ob sie diese Apps löschen oder diesen dank Android 6.0 nicht gewünschte Rechte entziehen. Bei unserem Testgerät konnte man so etwa in Erfahrung bringen, dass Twitter in den letzten sieben Tagen 1658 Mal auf den Standort zugegriffen hat und sich die Facebook-Alternative Medium im Gegensatz zum Original äußerst diskret verhält.

Natürlich kann man Apps diese Rechte ab Android 6.0 auch in den Einstellungen entziehen. DTEK bietet als eine Art Privacy-Hub jedoch einen bequemen Überblick und einen direkten Zugriff.

Fazit: Zu früh oder zu spät?

Denkt man an die zunehmende Zahl von Unternehmen, die nach einer günstigen, aber sicheren Alternative zu iPhones und Samsung-Galaxy-Smartphones (Samsung Knox) suchen, dürfte Blackberry mit dem DTEK50 eine passende Nische im Business gefunden haben. Zwar spielt der Preis für die Hardware bei mobilen Deployments nur eine untergeordnete Rolle, die Möglichkeit, hier ohne größere Kompromisse 50 Prozent oder mehr zu sparen, werden viele CIOs jedoch gerne wahrnehmen. Blackberry als EMM-Anbieter sitzt hier direkt an der Quelle und kann beim einen oder anderen Deal seine Smartphones sicher gleich mitverkaufen.

Ob sich das Smartphone gut bei Privatkunden verkauft und damit für ausreichend Stückzahlen sorgt, bleibt dagegen abzuwarten. Zum einen scheinen die Konsumenten trotz stetiger Android-Sicherheitsvorfälle noch immer nicht ausreichend sensibilisiert, um Features wie Zero-Day-Patches, einen extra gesicherten Bootloader oder ein gehärtetes Android ausreichend zu goutieren. Hinzu kommt, dass dem DTEK50 - wenn man von den umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen einmal absieht - ein wirklicher Wow-Faktor fehlt: Wer nur ein günstiges Smartphone sucht, wird auch bei der Konkurrenz fündig.

In diesem Zusammenhang ist auch die neue Strategie von Blackberry zu erklären, mit der App-Suite "BlackBerry Hub+ für Android" die von Blackberry 10 stammenden und mit dem PRIV und dem DTEK50 auf Android portierten Softwarefunktionen nun auch für andere Smartphones verfügbar zu machen. Nicht nur mit der Stärkung anderer Geschäftsbereiche haben sich die Kanadier vom Verkauf eigener Hardware weitgehend unabhängig gemacht, es genügt, wenn Kunden die Software und Services kaufen.