BK-Investitionen lassen sich nur in Glücksfällen rechnen

18.04.1986

Bevor ein DV-Organisator mit Investitionsvorhaben für Bürokommunikation an die Geschäftsleitung herantritt, sollte auf Empfehlung von Michael Rostaher, Leiter der betrieblichen Organisation bei Merkur Wechselseitige Versicherungsanstalt, ein den gesamten Unternehmensbereich umfassendes, organisatorisches Konzept vorliegen. Da sich jedoch Investitionen für neue Technologien im Büro nach Ansicht von Ernö Potzta, Geschäftsführer der BCB, nur in einzelnen Glücksfällen nach der herkömmlichen Methode rechnen lassen, ist damit der Konflikt bereits vorprogrammiert. Immer mehr muß deshalb, so Paul Blaschke, Leiter der zentralen Organisation bei Nestlé-Maggi, die Betonung auf die qualitativen Aspekte (Eigenwert von Information und Kommunikation) gelegt werden. Sein Rezept ist ein Informatik-Langplan mit einem Horizont von fünf Jahren in die Zukunft, der jährlich rollierend überarbeitet wird und das wesentliche Kommunikationsmittel zur Unternehmensleitung und weiteren Ebenen darstellt. Durch diese permanent in beide Richtungen fließenden Informationen entstünde ein allgemeiner Konsens, der positive Voraussetzungen für Investitionsvorhaben schaffe.

Ernö Potzta

Geschäftsführer der Bertelsmann Computer Beratungsdienst (BCB) GmbH, Hamburg

In der Regel muß jeder ordentliche Kaufmann ein Investitionsvorhaben gegenüber den firmeninternen Entscheidungsträgern begründen; am besten gleich mit einem Nachweis der Wirtschaftlichkeit.

Damit ist der Konflikt schon vorprogrammiert, wenn man sich ein Bürokommunikationssystem leisten will, denn nach herkömmlichen Methoden lassen sich Investitionen für neue Technologien im Büro nur in einzelnen Glücksfällen rechnen.

Bürokommunikation spart eben keine Personalkosten! Arbeitsplatzbezogene Nebenkosten bilden zwar ein Potential für die Wirtschaftlichkeitsrechnungen, der tatsächliche Nutzen tritt aber an anderen, schwer rechenbaren Stellen auf. Dafür müssen die Begriffe wie zum Beispiel Wettbewerbsfähigkeit, Zukunftssicherheit oder integrierte Vorgangsbearbeitung und Entscheidungsunterstützung definiert werden, damit man dem

erzielbaren Nutzen entsprechend argumentieren kann.

Dennoch bleibt heute für die Geschäftsleitung nichts anderes übrig, als eine unternehmerische Entscheidung zu fällen und dafür zu sorgen, daß die beabsichtigten positiven Auswirkungen auf das Gesamtunternehmen auch tatsächlich eintreten.

So etwas ist allerdings sehr mühsam. Aufklärung, Schulung, Training, Unterstützung gehören genauso dazu wie entsprechende organisatorische Maßnahmen im gesamten Geschäftsablauf, damit die neuen Technologien auch genutzt und optimal ausgeschöpft werden. Aufgrund unserer Erfahrung mit Pilotprojekten kann ich unsere Vorgehensweise schildern, die einfach und zweckdienlich praktizierbar ist:

Wir führen bei jedem Vorhaben eine arbeitsplatzbezogene Tätigkeitsanalyse durch, wobei die Vorgehensweise an verschiedene Zielgruppen (Manager, Fachkräfte, Sekretariats- und Assistenzkräfte) angepaßt ist. Die Untersuchungsdaten werden zum Teil maschinell ausgewertet, zusätzliche Ergebnisse liefert unsere kombinierte Interview- und Datenerfassungsmethode .

Als Ergebnis können wir nicht nur das Investitionsvorhaben hinreichend begründen (oder eben davon abraten, sondern auch entsprechende Vorschläge für die Akzeptanzstrategie, Organisation, Schulung und so weiter unterbreiten. Entsprechende Herstellerbewertung (mindestens zwei) und Empfehlung gehören ebenfalls dazu.

Dabei ist diese Methode gegenüber den Investitionskosten doch sehr preiswert. Wir rechnen je betroffenen Arbeitsplatz mit durchschnittlich einem Manntag Aufwand.

Diese Methode zur Ermittlung des Bürokommunikationsbedarfs haben wir von unserem externen Beratungspartner übernommen und gemeinsam weiterverfeinert. Bei der Vorbereitung und Durchführung von Investitionsvorhaben arbeiten die Berater in Projektteams zusammen mit dem Anwender sowie mit den zuständigen Abteilungen für Organisation und eventuell Unternehmensplanung .

Paul Blaschke

Leiter der zentralen Organisation, Nestlé-Maggi, Frankfurt

Bevor ich unser Vorgehen umreiße, einige grundsätzliche Bemerkungen:

Um die Untemehmensleitung für so wesentliche Vorhaben wie Bürokommunikation und -automation, die sowohl organisatorisch als auch betriebswirtschaftlich einen herausragenden Stellenwert haben, zu gewinnen, ist von den für die Entwicklung Verantwortlichen eine entsprechende informatorische Aufbereitung zu betreiben. Das heißt, mit genügendem Vorlauf muß die Thematik ebenengerecht sowohl im allgemeinen als auch im spezifischen Zuschnitt für das Unternehmen vermittelt werden, bevor einzelne Projekte zur Entscheidung gestellt beziehungsweise finanzelle Mittel beantragt werden.

Unter Fachleuten ist erkannt, daß sich die Realisierung der Büroautomation immer weniger rechnet", im Gegensatz zu den meisten Projekten der Daten- oder Textverarbeitung in der Vergangenheit. Immer mehr muß deshalb die Betonung auf die qualitativen Aspekte - also den Eigenwert von Information und Kommunikation - gelegt werden (erhöhte Transparenz und Lenkbarkeit). Deshalb ist im Vorfeld dem möglichen Dualismus zwischen "Technologie und Ökonomie" (technisch machbar und betriebswirtschaftlich vertretbar) genauso Rechnung zu tragen wie der Vermittlung einer strategischen Vorstellung für die Nutzanwendung im Unternehmen. Integrations- und Prioritätsaspekte müssen erkennbar gemacht werden.

Nun konkreter: Für die zur deutschen Nestlé-Gruppe gehörenden Gesellschaften (zum Beispiel Nestlé, Maggi, Sarotti, Allgäuer Alpenmilch) gibt es eine zentrale Entwicklungsinstanz im betriebswirtschaftlichen Geschäftsbereich, dort bestehend aus den Ressorts Organisation und Datenverarbeitung. Hier liegt die zentrale und übergreifende Zuständigkeit für die integrierte Informatikentwicklung (Daten, Text, Bild und Sprache).

Das wesentliche Kommunikationsmittel zur Unternehmensleitung und weiteren Ebenen (zum Beispiel Benutzerbereiche) ist ein sogenannter Informatiklangplan. Dieser wird jährlich rollierend überarbeitet und hat einen Horizont von fünf Jahren in die Zukunft. Er behandelt Ziele, Strategien und Grundsätze (also die Entwicklungspolitik) und konkretisiert auch wesentliche Vorhaben und Projekte im Planungszeitraum. Außerdem schreibt der Plan die Ressourcen der Informatikentwicklung aus der Vergangenheit in die Zukunft fort: Personal, Hardware, Software, Netze, Kosten.

Durch diese zwischen Management und Entwicklern permanent in beide Richtungen fließenden Informationen entsteht ein allgemeiner Konsens, der dann bei der Entscheidung über konkrete, Projekte und der Mittel hierfür positive Voraussetzungen schafft. Im übrigen werden große Projekte durch die Stadien Konzeption mit Vorkalkulation, Realisierung und Nachkalkulation geführt, nach den Regeln der Projektorganisation unter Beteiligung der Benutzer. Beraterleistung wird für Strategien und spezielles Know-how eingesetzt, die Entwicklung und Realisierung wird überwiegend mit eigenen Kräften durchgeführt, um unabhängig flexibel und stabil zu bleiben.

Zum Thema Nebenstellenanlage: Am Standort unserer Hauptverwaltung in Frankfurt (Nestlé-Haus) wurde mit Einzug 1970 eine analoge PBX-Anlage gekauft und installiert (150 Amtsleitungen, 1200 Nebenstellen). Unsere Planungen beinhalten seit Jahren, diese Anlage durch eine digitale ISDN-fähige Bürokommunikationsanlage zu ersetzen, sobald die Marktangebote reif sind und die Deutsche Bundespost beginnt, das Fernnetz ISDN-fähig auszubauen.

Da diese Bedingungen in greifbarer Nähe sind, ist für 1987 ein entsprechendes Projekt vorgesehen, einschließlich der erforderlichen Budgetmittel.

In einer ersten Stufe wird die neue PBX die Sprachkommunikation ablösen sowie die Vermittlung von Telex, Teletex und Telefax übernehmen. In weiteren Stufen wird sie auch Träger des Inhouse-Netzes für Daten- und Textkommunikation sein. Eigentliche LANs kommen ergänzend dann und dort in Frage, wo anwendungsbezogen die ISDN-Geschwindigkeit mit 64 KBit pro Sekunde nicht ausreicht.

Für die überschaubare Zukunft (fünf Jahre) sehen wir die Rangfolge PBX, DV-Netz, LAN.

Michael Rostaher

Leiter der betrieblichen Organisation, Merkur Wechselseitige Versicherungsanstalt, Graz

Der Begriff Bürokommunikation hat auch in der Versicherungswirtschaft seinen Niederschlag gefunden. Im allgemeinen wird darunter "das Büro der Zukunft" verstanden mit einer vollständigen Integration der Informationsverarbeitung (Daten, Texte, Sprache) und der Kommunikationswege (LAN, Btx, ISDN etc.)

In den Vorstandsetagen hat man für alle Investitionen, die sich auf die Einführung der modernen Bürokommunikationstechnologien beziehen, ein offenes Ohr. Dabei geht man von folgenden Grundbedingungen aus:

Die Investitionen in die Informationstechnologie müssen - schnell wirksam werden,

- den Unternehmensentscheidungen angepaßt werden beziehungsweise sie unterstützen,

- Arbeitskräfte einsparen beziehungsweise bei gleichem Personal mehr Arbeitsleistung ermöglichen,

- generell mehr und vor allem besseres Geschäft unter Kostenminimierung bewirken.

All dies kann aber nur dann erreicht werden, wenn sich an der Konzeption der Bürokommunikation alle Betroffenen beteiligen: Spezialisten aus dem Informatikbereich wie auch Mitarbeiter aus allen Fachbereichen.

Es sind umfangreiche Tätigkeiten aufbau- und ablauforganisatorischer Natur durchzuführen (wird leider immer wieder vernachlässigt), um das organisatorische Fundament für die neuen Bürosysteme zu erhalten.

In jedem Unternehmen gibt es eine Reihe von gewachsenen Aufbaustrukturen und Arbeitsabläufen, die man nicht aufgrund einer rasanten technologischen Entwicklung durchbrechen kann, ohne dabei auf große Akzeptanzprobleme zu stoßen.

Die Technologie kann man sinnvoll schrittweise einführen. Um aber den Integrationsproblemen zu entgehen, soll vor der Verwirklichung der ersten Schritte ein den gesamten Unternehmensbereich umfassendes organisatorisches Konzept vorliegen.