Suchmaschinen

Bing versus Google

22.09.2009 von Arne Flick
Mit dem Start seiner neuen Suchmaschine "Bing" ist es Microsoft erstmals gelungen, Boden gegenüber Google gutzumachen.
Passend zum Suchbegriff bietet Bing weiterführende Resultate aus Kategorien wie Bilder, Maps, Shopping oder Wetter.

Microsoft Bing kommt derzeit auf 6,5 Prozent der Zugriffe in Deutschland. In den USA lag die Suchmaschine mit 8,9 Prozent im Juli auf dem dritten Platz. Durch die kürzlich vereinbarte Kooperation mit Yahoo dürfte Bing weiter wachsen. Insgesamt ein überaus respektables Ergebnis. In einzelnen Bereichen hat der neue Konkurrent sogar die Nase vor Google.

Es lohnt sich also, genauer hinzusehen. Dazu ist allerdings anzumerken, dass Microsoft sich trotz internationaler Einführung der Marke Bing im ersten Schritt auf den amerikanischen Heimatmarkt konzentriert. Die deutschen Nutzer erwartet hinter dem neuen Design eine Suche, die dem Vorgänger MSN sehr ähnlich ist. Man könnte sagen, Bing ist das geliftete MSN. Um das tatsächliche Potenzial und den Umfang der Innovationen bewerten zu können, ist deshalb ein Blick auf die in den USA zugängliche Vollversion notwendig. Zu deren Besuch werden Anwender in Deutschland durch Hinweis und Link eingeladen.

Bing Operatoren
Wettervorhersage
Die Bing-Suche nach "weather Berlin" stellt die Wetterdaten für die deutsche Hauptstadt zusammen.
Fliegen leicht gemacht
Die Eingabe einer Flugnummer wie hier "4U23" führt schnell zu allen Infos zum gewählten Flug: Fluggesellschaft, Abflug und Ankunft, Start und Ziel sowie Abflugsterminal.
Einwohnerzahlen
Der Operator "population Hamburg" fördert halbwegs aktuelle Einwohnerzahlen größerer Städte zu Tage.
Kombinierte Operatoren-Suche
Die Suchanfrage "Henning Kagermann filetype:pdf" liefert eine Aufstellung aller von Bing indexierten PDF-Dateien zum ehemaligen SAP-Chef.
Suchen nach Zahlen und Formeln
Genau wie Google funktioniert auch Bing als Taschenrechner.

Punktgewinn am Frontend - durchdachte Usability

Das Layout von Bing ist freundlich und aufgeräumt, jeden Tag begrüßt ein neues Hintergrundbild die Besucher. Die Startseite orientiert sich mit einem zentralen Eingabefeld am gewohnten Suchmaschinendesign. Hier zeigen sich auch schon erste Unterschiede zwischen der deutschen und der amerikanischen Vollversion, die etwas mehr Mut zur Eigenständigkeit beweist.

Spätestens nach dem Start in die Web-Suche ist ein Wechsel zur Vollversion notwendig, um den Leistungsstand der neuen Microsoft-Maschine beurteilen zu können. Liefert die deutsche Variante ausschließlich schlichte Texttreffer, präsentiert sich die Komplettausführung mit einer Reihe interessanter Neuerungen. So beherrscht auch Bing die Blended Search, bei der neben Texten auch Bilder, Maps oder Resultate der Shopping-Suche eingeblendet werden.

Neben Artikeln gehören auch Videos zu den Resultaten der Bing-Nachrichtensuche.

Dieses Konzept setzt sich in anderen Kategorien wie der News-Suche fort. Bei häufigen Suchbegriffen wie "Obama" zeigt sich Bing multimedial auf der Höhe der Zeit und liefert neben Ergebnissen von News-Seiten, die fast durchgängig mit einem Bild illustriert werden, auch eine Auswahl aktueller Videos.

Am linken Rand hat Bing eine Art Unternavigation eingerichtet, die den Usern je nach Suchkategorie und Suchbegriff zusätzliche Optionen anbietet. So erhält der Suchende bei der Recherche zum Begriff "Paris" weiterführende Informationen aus den Kategorien Wetter, Bilder und Maps angeboten. Darunter offeriert Bing ähnliche und weiterführende Suchbegriffe. Eine Suchhistorie liefert zusätzliche Orientierung beim virtuellen Streifzug.

Wenig übersichtlich präsentiert sich die Videosuche beim Marktführer Google.

Deutlich von Google unterscheidet sich die Videosuche. Aus Anwendersicht kann Bing dabei punkten. Wie bei der Bildersuche werden die Resultate mit mehreren Motiven pro Zeile übersichtlich präsentiert. Als besonderen Usability-Clou bietet Bing für jedes Video eine rund fünf Sekunden dauernde Vorschau, die per Mouseover gestartet wird.

Auch hier findet der Anwender am linken Rand weitergehende Suchoptionen, mit denen sich die angezeigten Resultate schnell und effektiv nach Auflösung, Bildformat, Clip-Länge sowie Quelle filtern lassen. Diese Funktionen stellt auch Google bereit, versteckt sie aber hinter einem unauffälligen Optionen-Button.

Ebenso konsequent ist die Bildersuche gestaltet. Anstelle der bei Google üblichen Darstellung der Resultate auf einzelnen Suchseiten mit jeweils 20 Motiven kann man sich bei Bing durch annähernd tausend Treffer auf einer Suchseite scrollen. Die Optionen am linken Rand ermöglichen es dabei, die Resultate nach Bildgröße, Bildausschnitt, Format sowie nach Farb- und Schwarzweiß-Aufnahmen zu filtern. Auch diese Optionen sind bei Google zu finden, werden jedoch nur auf Wunsch des Nutzers eingeblendet.

Fazit Usability:

Mit dem Elan eines Newcomers schafft Bing in Design und Benutzerführung die Balance zwischen Bewährtem und durchdachten Innovationen im Detail. Insgesamt bietet Bing dem Nutzer dabei mehr Einstellungsmöglichkeiten und Informationen als Google an. Dieses Mehr wird nicht allen gefallen. Sicher wird es Fürsprecher für das puristische Google-Design geben. Und: Beide Suchmaschinen können Usability und Darstellung weiter verbessern.

Suchmaschinenoptimierung

Rund 1000 Treffer zeigt die Bildersuche von Bing auf einen Blick an.

Aus SEO-Sicht (Search Engine Optimization) wurden bereits einige Beobachtungen zur Arbeitsweise des Bing-Algorithmus gemacht. So gibt es Anzeichen dafür, dass Bing das Domain-Alter und den Domain-Namen stärker bewertet als Google. Beispielsweise registriert und belohnt Bing, wenn Keywords im Domain-Namen berücksichtigt wurden. Bei Suchbegriffen zu aktuellen Themen finden etablierte Medienseiten schnell ihren Weg in die Resultate. Insgesamt scheint Bing die Seiten von Institutionen und Autoritäten bei seiner Suche stärker zu berücksichtigen als Google. Dies gilt auch für News-Seiten, die Bing etwas stärker gewichtet als Blogs. Generell aktualisiert Bing sehr häufig, der Page Rank steigt nach Veränderungen binnen weniger Tage steil nach oben.

Klar ist, dass für Google optimierte Seiten auch unter Bing gute Chancen haben. Denn viele Basics - wie etwa Seitenaufbau, Aufbereitung der Inhalte im Hinblick auf relevante Keywords, interne Verlinkung und Backlinks - werden von beiden Suchmaschinen berücksichtigt.

Für die Bildersuche bei Google müssen sich die Nutzer von Seite zu Seite klicken.

Im Bereich der On-Site-Optimierung zeigt Bing eine erhöhte Affinität zu Web-Seiten mit viel Content. Umfangreiche und intern gut verlinkte Web-Seiten mit langen Texten können entsprechend mit einer guten Bewertung rechnen. Dabei sollte man auch auf inhaltlich passende Überschriften und Inhaltsangaben achten. Offenbar wird On-Site von Bing etwas stärker in der Bewertung berücksichtigt, als es bei den Mitbewerbern der Fall ist. Neue Web-Seiten auf bestehenden, vertrauenswürdigen Domains ranken oft wesentlich schneller und besser als bei Google.

Wie auch bei Google kann die Optimierung der Seite nicht den Aufbau von Backlinks ersetzen. Für Spitzenplätze bei Bing sind also externe Links, die auf die eigene Seite verweisen, eine wichtige Währung.

(Lesen Sie auch: Was bei der Suchmaschinenoptimierung derzeit angesagt ist.)

Schnelligkeit und Performance

Für die deutsche Version setzt Microsoft weitgehend die alte Technik ein, so dass man für einen Leistungstest auf das englischsprachige Internet ausweichen muss. Was Schnelligkeit und Performance betrifft, liefert Bing in der Vollversion gute Ergebnisse. Im direkten Vergleich mit Google zeigen sich vor allem bei Suchbegriffen aus dem kommerziellen Umfeld - wie der Suche nach gängigen Produkten - viele Übereinstimmungen. Wie gut die gelieferten Ergebnisse in der Summe sind, wird das Votum der User in den kommenden Monaten zeigen. Umso bedauerlicher ist es daher, dass sich die eingeschränkte deutsche Version im Alltagstest noch nicht beweisen kann.

Vermarktung

In Deutschland hat sich durch den Start der eingeschränkten Bing-Version an Googles Dominanz nichts verändert. Bei der Vermarktung sind daher vorerst keine größeren Verschiebungen zu erwarten. Wer für seine Kunden die größtmögliche Masse an Internet-Nutzern erreichen will, kommt an Google nicht vorbei. Bing besetzt vorerst nur eine Nische.

Bei der als Blended oder Universal Search bezeichneten Suche zeigt Google neben Texten auch Bilder, Videos oder Maps an.

Mit Blick auf den amerikanischen Markt kann es vor allem durch die Kooperation von Bing und Yahoo zu einer neuen Situation kommen. Hier hat Bing eine realistische Chance, sich als starker Player neben Google zu etablieren.

Mehr Konkurrenz ist durchaus wünschenswert, denn das Suchmaschinen-Marketing wird wichtiger. Immer mehr Unternehmen geben dafür Geld aus. In ihrem Interesse ist es, dass sie nicht von einem einzigen Anbieter abhängig sind. Wann und in welchem Maße Bing auch in Deutschland als Marketing-Plattform an Bedeutung gewinnen wird, bleibt abzuwarten. Möglicherweise gelingt es der Microsoft-Maschine zunächst, sich in einzelnen Kategorien wie etwa der Videosuche als schlagkräftiger Konkurrent festzusetzen. Kurzfristig ist jedoch nicht mit einer signifikanten Verschiebung von Budgets für das Search Engine Marketing (SEM) zu rechnen.

Fazit und Ausblick

Die neue Konkurrenz im Suchmaschinenmarkt ist eine wohltuende Belebung. User können mit mehr Innovationen und damit auch besseren Leistungen rechnen. Werbetreibende erhalten in einem dynamischen Markt die Chance, ihre Strategien zu differenzieren und eine stärkere Verhandlungsposition aufzubauen.

Microsoft ist mit Bing zweifellos ein Achtungserfolg gelungen. Ein weltweiter Marktanteil von 30 Prozent ist in zwei bis drei Jahren für Bing denkbar. Das wäre ein riesiger Fortschritt und würde nicht zuletzt darauf beruhen, dass Microsoft gründlich gearbeitet hat. Helfen dürfte auch, dass der Hersteller seine Suchmaschine in Office-Anwendungen und andere Produkte integrieren wird. (ue)