Bill Gates zum Abschied

Bill Gates im Interview: Warum Microsoft innovativ ist

07.01.2008
Bill Gates hielt auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas zum letzten Mal seine traditionelle Eröffnungsrede. Am Rande der Veranstaltung gab er unserem Kollegen vom IDG News Service (IDGNS), Marc Ferranti, ein Interview, in dem es vor allem um Microsofts Innovationskraft ging. Lesen Sie die wichtigsten Auszüge.

IDGNS: In Ihrer rund 30-jährigen Karriere bei Microsoft gab es immer wieder Kritiker, die sagten: Bill Gates ist ein Business-Genie, aber kein echter Innovator. Können Sie uns einige Erfindungen nennen, auf die Sie wirklich stolz sind?

Gates: Es ist natürlich der Personal Computer, auf den wir besonders stolz sind. Das war damals eine verrückte Idee, rund um den Mikroprozessor eine Software-Industrie aufzubauen. Die gab es ja noch nicht. Computing war seinerzeit eher ein Big Business, und was wir 1975 gemacht haben, wofür ich sogar die Schule verließ, war zu sagen: Wir können eine Industrie aufbauen, die die Menschen wirklich weiterbringt. Wir konnten uns Partner suchen, die die Hardware dafür bauen. Und wir haben jedem ermöglicht, Software zu schreiben für die Arbeit, die wir zuvor geleistet hatten. Alles, was wir in diesen 30 Jahren gemacht haben, hing mit der Vision des Personal Computing zusammen. Und wir waren die Ersten mit dieser Vision. (…) Was die PC-Industrie und unsere Innovationen in ihrem Kern gebracht haben, ist eine ganze Menge. Ich glaube nicht, dass irgendetwas anderes in den letzten 30 Jahren solche Auswirkungen hatte.

IDGNS: Wir sind hier bei der Consumer-Messe CES, deshalb die Frage: Welche Innovationen sind von Microsoft in den nächsten Jahren auf diesem Gebiet zu erwarten?

Gates: Die Dollars, die in den USA für die Xbox und für unsere Games ausgegeben werden, übertreffen die Summe, die für Sonys Playstation und Nintendos Wii zusammen hingelegt werden. Das liegt allein an der Innovation in Xbox Live, ein Service, der Menschen verbindet, Spieler einander finden lässt, Videos online bringt etc. Dahinter steckt ein echter Durchbruch, was die Zukunft des Fernsehens angeht.

Inzwischen nutzen eine Millionen Menschen unseren Mediaroom, der TV über das Internet bietet. Unternehmen wie AT&T und 19 andere Telefonkonzerne weltweit verwetten ihre Zukunft darauf, dass dies die neue Videoplattform sein wird. Was das bedeutet? Wenn Sie etwa News sehen wollen und den Mediaroom besuchen, sehen Sie nur die Dinge, die Sie interessieren – und auch nur die Werbung, die ihren Bedürfnissen entspricht. Schauen Sie sich an, was wir mit Surface machen: Dinge direkt berühren und manipulieren – das wird eine Kerntechnologie.

Ich könnte so immer weiter machen. (…) Wir sind ein Unternehmen, das neue Wege geht – ein starker Business-Fokus, aber genug Consumer-Fokus, so dass wir vom größten Game-Phänomen der Welt zum größten Instant-Messaging-Ding jede Menge Erfolg haben. Und das verdanken wir der Innovationskraft, die wir besitzen. (Siehe auch: "Microsoft-Gründer Bill Gates verspricht zum Abschied nutzerorientierte Technik")

IDGNS: Mit zunehmender Konkurrenz aus anderen Ländern wird die Innovationsfähigkeit immer entscheidender für US-Firmen. Wie denken Sie über die Verbindung von Innovation und geistigem Eigentum?

Gates: Wir sind ein Unternehmen mit Sitz in den USA, aber jeder weiß, dass wir unsere talentierten Entwickler und Ingenieure auf der ganzen Welt verteilt haben. Wir haben eine unglaublich Forschungsmannschaft in China und eine ebenso starke in Indien. Und wir liefern unsere Produkte an Kunden auf der ganzen Welt aus. In all diesen Ländern versuchen wir, unser geistiges Eigentum zu schützen. In Sachen Copyright und Patenten sind diese Länder in sehr unterschiedlichen Stadien. Deshalb ist und bleibt das Thema kompliziert.

IDGNS: Sie werden hier auf der CES über neue Partnerschaften für Microsofts MSN, Xbox Live und die Mediaroom-IPTV-Services verhandeln, um mehr Inhalte für ihre Unterhaltungselektronik bieten zu können. Was muss auf der technischen und der Business-Seite passieren, damit diese Deals klappen?

Gates: XBox Live zieht nahezu alle Leute an, die Content liefern können, weil der Dienst weit genug verbreitet ist. Hier haben wir die nötige Masse. Unsere Ankündigung mit NBC bezüglich der Olympischen Spiele betrifft Innovationen in Silverlight: Sie können damit interaktiven Content nutzen, viele Videoströme – eine perfekte Angelegenheit also für die Spiele, wo es sehr viele unterschiedliche Sportarten gibt und verschiedene Leute, die sich damit jeweils beschäftigen.

IDGNS: Wie wird sich Microsofts Business-Modell ändern, wenn die Entertainment-Strategie Früchte trägt? Können Sie Ziele nennen für künftige Werbeumsätze?

Gates: Wir haben eine gute Umsatzentwicklung im Anzeigenbereich. Das ist aber ein Gebiet, auf dem Google klarer Marktführer ist. Hier müssen wir sehr innovativ sein. Eine groß angelegte Partnerschaft mit Viacom hilft uns dabei. Wir werden weitere Partner weltweit finden.

Bill Gates auf der CES.
Foto: IDGNS

Wir partizipieren an einer Vielzahl von Business-Modellen. Wir haben Consumer-Software wie Games, die wir einfach verkaufen, wir haben aber auch Dinge, die wir gegen eine monatliche Gebühr anbieten – eine Server-gesteuertes Service-Modell. Wir geben ebenso Software kostenlos ab. Die Werbung kommt als große, starke Komponente hinzu, wird aber die anderen Dinge nicht verdrängen. Wir müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen, um stark zu sein.

IDGNS: In Ihrer Stiftung, die Sie gemeinsam mit Ihrer Frau betreiben, konzentrieren Sie sich auf fundamentale Gesundheitsthemen in den Entwicklungsländern. Auf dem technischen Sektor gibt es aber auch Möglichkeiten, wie der OLPC zeigt. Es gibt aber Kritik. Manche Menschen sagen: Was nützt ein 200-Dollar-Laptop einem Kind, das gar nicht erst fünf Jahre alt wird. Was können Technologiekonzerne wie Microsoft überhaupt tun, um Entwicklungsländer voranzubringen?

Gates: Firmen tragen auf zweierlei Weise bei: Durch finanzielle Unterstützung und durch die Bereitstellung ihrer Produkte, die sie armen Menschen zur Verfügung stellen. Microsoft hat sich beispielsweise dafür entschieden, PCs an Bibliotheken zu liefern – robuste Maschinen mit Internet.Zugang. Wir arbeiten mit den Regierungen zusammen, sorgen für die Ausbildung der Anwender und rücken alles so zurecht, dass die Menschen profitieren können. Vergleichbare Projekte in den USA waren unglaublich erfolgreich.

Es ist richtig, meine Stiftung kümmert sich in erster Linie um Gesundheitsfragen, Microsoft dagegen macht Software. Es ist gute Software, und es ist das, wovon die Firma etwas versteht. Mit seinen Aktivitäten rund um den Globus kann Microsoft hier helfen – den Erziehern und den wissbegierigen Kindern.

Ich nutze den Erfolg, den Microsoft hatte und nehme mehrere zehn Milliarden Dollar, um einige Grundlagen zu schaffen, damit Durchbrüche bei der Krankheitsbekämpfung erzielt werden können. Das können wir übrigens auch nur deshalb schaffen, weil wir Software nutzen. Wir verwenden mobile Telefone, um Daten zu erheben – und setzen darauf Software ein. Ich wünschte, jedes Unternehmen täte so viel wie Microsoft, um seine Erfahrungen und sein Know-how für Entwicklungsländer einzubringen. Die Auswirkungen, der Erfolg – das alles ist fantastisch. Und es hilft uns übrigens auch dabei, gutes Personal zu finden. Unsere Leute fühlen sich wohl, weil unsere Produkte auf der Idee beruhen, die Menschen zu stärken. Wir reden nicht nur drüber, wir machen es – und zwar in über 100 Ländern. (hv)