Kaum ein Unternehmen hat für jedes Bild auf seiner Website eine Lizenzdokumentation. Das ist quasi eine Einladung an den Urheber oder einen Dritten, der die Nutzungsrechte erworben hat. Er kann auf Nutzungsgebühren in relevanten Größenordnungen klagen. Der Streitwert solcher Klagen orientiert sich an den üblichen Lizenzgebühren für ein Jahr. Man kann pro Bild durchaus von einer vierstelligen Eurosumme ausgehen - je nach Bild auch schon einmal mehr.
Ein realer Fall
Dass dies keine bloße Panikmache ist, belegt folgender Fall aus dem Jahr 2003: Eine Unternehmensberatung hatte einer kleinen, feinen Agentur den Auftrag erteilt, ihre Website einzurichten. Das Consulting-Unternehmen gab Struktur und Inhalte vor, Layouts und Visualisierungen gestaltete der Lieferant.
Fünf Jahre später erhielt der Auftraggeber eine Rechnung über rund 1400 Euro - gestellt von einem großen, seit Jahren börsennotierten Unternehmen. Das hatte auf der Website der Unternehmensberatung ein Bild entdeckt, für das es die Rechte besaß, und deshalb Lizenzgebühren erhoben. Die Forderung lautete auf Nachweis der Bildlizenz oder Zahlung der Rechnung. Eine Bildlizenz hatte die Unternehmensberatung aber nicht, und die Agentur, die den Auftrag seinerzeit erhalten hatte, war unterdessen vom Markt verschwunden.
Keineswegs die Ausnahme
Der geschilderte Fall ist Normalität. Vermutlich gibt es heute mehr Unternehmen, die auf ihrer Website Bilder ohne Lizenz verwenden, als solche, die jedem Bild den Erwerb der Lizenz zuordnen und das auch nachweisen können. Das liegt unter anderem daran, dass viele Unternehmen eine Agentur damit beauftragen, ihren Web-Auftritt zu erstellen.
Stellen Sie sich vor: Sie haben eine Agentur einen Web-Auftritt entwickeln lassen, der eine ganze Reihe von Fotos enthält. Eines Tages flattert Ihnen eine Nachforderung von 45.000 Euro für 30 Bilder ins Haus. Wie sich herausstellt, ist die Forderung rechtmäßig. Nun werden Sie versuchen, die geforderte Summe von der Agentur zurückzuholen.
Es ist aber keineswegs sicher, dass die Agentur für den Schaden einzustehen hat. Und falls doch: Was, wenn sie nicht mehr existiert oder zahlungsunfähig ist? In diesem Fall bleiben Sie auf dem Schaden sitzen, allenfalls können Sie mit dem Lizenzgeber einen Vergleich verhandeln. So oder so kosten Management und Lösung dieses Problems viel Zeit und Geld. Um eine Zahlung kommen Sie übrigens auch dann nicht herum, wenn Sie Ihren Web-Auftritt sofort abschalten!
Der juristische Hintergrund
Hinsichtlich der Nutzung fremden Bildmaterials unterscheidet der Gesetzgeber zwischen Urheber-, Nutzungs- und Verwertungsrechten. Das Urheberrecht liegt immer beim Urheber, in diesem Fall beim Fotografen (mehr zum neuen Urheberrecht unter "Auf einen Blick:"). Die Nutzungs- und Verwertungsrechte kann er allerdings verkaufen.
Ein Unternehmen, das einen Web-Auftritt betreibt, übernimmt die Verantwortung für die dort veröffentlichten Inhalte. Das gilt auch für den Fall, dass es den Web-Auftritt "outsourct". Was bedeutet das konkret für den Fall einer Lizenzforderung für ein verwendetes Bild?
Szenario 1: Mea culpa
Bisweilen werden die fehlenden Lizenzen durch eigene Analyse offenbar. Das Unternehmen stellt also selbst fest, dass es für genutzte Bilder Lizenzen benötigt, sie aber nicht erworben hat. Im einfacheren Fall ist der Urheber bekannt.
Empfehlungen:
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Auf jeden Fall sollten die Bilder sofort entfernt werden, das schafft eine bessere Verhandlungsposition gegenüber dem etwaigen Lizenzgeber.
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Der Website-Betreiber kann die Lizenz für die Bilder nachträglich erwerben. Er sollte aber besser nicht verschweigen, dass er die Bilder zuvor ohne Lizenz genutzt hat. Denn es ist sehr wahrscheinlich, dass der Lizenzgeber es ohnehin herausfindet. Und in diesem Fall wird er nachträglich saftige Ansprüche stellen.
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Eventuell werden sich die beiden Parteien auf einen Schadensersatz für die bisherige Nutzung einigen - und der Website-Betreiber auf die weitere Nutzung des Bildes verzichten.
Szenario 2: Urheber unbekannt
Im seltensten Falle entdeckt das Unternehmen, dass es Bilder ohne Lizenz nutzt, aber auch nicht weiß, von wem es die Nutzungsrechte erwerben soll, weil es weder den Urheber noch einen anderen Lizenzgeber kennt.
Empfehlung:
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Da hilft nur eins: Die Bilder auf der Website sind durch andere zu ersetzen.
Szenario 3: Agentur nicht mehr am Markt
Nehmen wir nun an, das Unternehmen hat die fehlenden Lizenzen nicht selbst entdeckt, sondern es ist eine Lizenznachforderung des Rechteinhabers eingegangen. Wenn die Website von einer Agentur erstellt wurde, wird der Betreiber versuchen, diese in Regress zu nehmen - vorausgesetzt, es handelt sich um einen berechtigten Fall von Urheberrechts-Verletzung. Aber möglicherweise existiert die damals betraute Agentur nicht mehr. Versuche, aus einer Konkursmasse oder nach Liquidation noch Geld zu erhalten, seien hier ausgeklammert.
Empfehlung:
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Verlangen Sie vom Forderer erst einmal einen Nachweis für das Urheberrecht.
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Lassen Sie den Anspruch von einem Rechtsanwalt prüfen. Wie die Erfahrungen zeigen, sind viele Forderungen angeblicher Rechteinhaber haltlos.
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Falls die Ansprüche berechtigt sind: Verhandeln Sie mit dem Lizenzgeber einen Vergleich.
Szenario 4: Der Schwarze Peter
Auch hier ist die Lizenznachforderung bereits eingegangen. Aber die Agentur besteht noch. In diesem Fall kann die Forderung vollständig an die Agentur weitergegeben werden - allerdings nur, wenn die Agentur sich nicht von der Rechteprüfung befreit hat.
Empfehlungen:
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Achten Sie am besten schon beim Abschluss des Vertrags darauf, dass er keine Klausel enthält, die die Agentur von der Pflicht zur Prüfung der Urheberrechte für die verwendeten Bilder entbindet.
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Dokumentieren Sie alle Schritte, die sie nach der Zustellung der Forderung unternehmen.
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Beauftragen Sie außerdem die Agentur, die fraglichen Bilder von den Seiten zu entfernen, bis der Anspruch der Gegenseite nachgewiesen beziehungsweise widerlegt wurde.
Szenario 5: Der Biss auf Granit
Nehmen wir an, Sie versuchen, die seinerzeit mit der Web-Erstellung beauftragte Agentur zur Nachzahlung zu bewegen; diese aber verweigert die Zahlung. Können Sie in diesem Fall etwaige Forderungen abwehren? Welche Verantwortung müssen Sie übernehmen?
Empfehlungen:
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Schon im Vorfeld des Agenturvertrags sollte genau geklärt werden, was die Agentur zu leisten hat (Beschreibung der Leistungspflichten).
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Zumindest muss der Kunde darauf achten, dass die Agentur eines zusichert: dass sie sämtliche Nutzungsrechte für die Bilder besitzt, die sie auf der Website des Kunden verwenden wird.
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Daneben dürfte jedem Website-Betreiber klar sein, dass er für die Inhalte seiner Website haftet (Paragraf 8 TMG in Verbindung mit dem jeweils verletzten Gesetz, beispielsweise dem Urheberrechtsgesetz). Er muss also zahlen. Regress kann er allenfalls bei der Agentur anmelden. Die Ansprüche lassen sich also nicht "durchreichen".
Szenario 6: Außer Landes
Und was ist, wenn die Lizenzen fehlen, die Agentur jedoch irgendwo im Ausland sitzt? Können Sie dann die Forderung abwehren, falls die Agentur eine Zahlung verweigert? Aller Voraussicht nach nicht! Und sich bei der Agentur schadlos zu halten dürfte ebenfalls schwierig werden.
Empfehlungen:
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Wenn es sich um eine europäische Agentur handelt, gilt das Teledienstgesetz zumindest gegenüber den Verbrauchern. Die Durchsetzung von Ansprüchen ist allerdings schwierig. Inwieweit ein Website-Betreiber damit Erfolg hat, hängt einmal mehr von den jeweiligen Verträgen ab.
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Auf jeden Fall sollte sich der Kunde bewusst sein, dass die Durchsetzung von Ansprüchen im Ausland stets mit hohen Kosten verbunden sein wird.
Was Sie sonst noch wissen sollten
Bevor Sie sich überhaupt auf eine Forderung einlassen oder von selbst tätig werden, müssen Sie wissen, welche Aspekte hier zum Tragen kommen und welche Herausforderungen eventuell auf Sie lauern. Dazu ein paar Stichpunkte:
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Zeitlicher Ablauf: Wann haben Sie das Bild erstmals genutzt? Seit wann besitzt die fordernde Partei die Rechte? Fand das Bild vielleicht schon Verwendung auf Ihrer Website, bevor der Forderer die Rechte vom Urheber erworben hat?
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Konkurrierende Dokumente: Möglicherweise haben Sie einen Rechtenachweis, aber der Kläger hat auch einen, und nur einer davon kann der richtige sein. Bei einem Rechtsstreit wird es nun darauf ankommen, was der gerichtlich bestellte Gutachter als "richtig" befindet.
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Nachbearbeitung/Verfremdung: Wenn das Bild von Ihnen oder Ihrer Agentur bearbeitet wurde, können Sie eventuell Anspruch auf eine eigene Urheberschaft anmelden.
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Gerichtsstand: Wo wird der Rechtsstreit ausgetragen? Müssen Sie oder zumindest die von Ihnen beauftragte Kanzlei präsent sein - gegebenenfalls im Ausland? Welche Aufwände kommen auf Sie zu? Der Aufwand für Streitigkeiten im Ausland liegt in der Regel um ein Vielfaches höher als für eine Verhandlung in Deutschland.
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Die Preise: Nachforderungen können mehrere tausend Euro betragen, aber nicht willkürlich festgelegt werden. Es gibt dazu Vergleichspreise, die sich recherchieren lassen. Sie gehen aus verschiedenen Urteilen hervor, beispielsweise aus dem Urteil des Landesgerichts München I vom 17. Mai 2006, Aktenzeich 21 O 12175/04.
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Versicherungen: Keine Haftpflicht bezahlt, wenn gegen geltende Gesetze verstoßen wird. Die Rechtsschutzversicherung wird in einem solchen Fall höchstens die Kosten für eine Vorabberatung übernehmen. Auf jeden Fall sollte die Versicherung vor Inanspruchnahme von rechtlichen Leistungen gefragt werden. Die Deckungszusage kann das Unternehmen selbst einholen.
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Das Risiko: Ganz legal lassen sich heute Bilder aus verschiedenen Quellen und von unterschiedlicher Qualität beziehen. Die Preisspanne reicht von 80 Cent bis mehr als 500 Euro pro Bild. Niemand sollte sich darauf verlassen, dass man ihm nur schwer auf die Schliche kommt. Bilderkennung ist heute eine gelöste Aufgabe. Es handelt sich nur noch um eine Frage von Rechenkapazität und Übertragungsrate, ob ein bestimmtes Bild im Web zu finden ist.
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Die Gefahr für den Markt: Denkbar ist, dass Unternehmen nur zu dem Zweck gegründet werden, Bilder billig - und ohne erworbene Lizenzen - zu verkaufen - und später über ein anderes Unternehmen überhöhte Nachforderungen zu stellen. Bisher wurde noch jede Möglichkeit genutzt, schnell an das große Geld zu kommen. Bei derzeit mehr als 100 Millionen Websites existiert ein riesiger potenzieller Markt für dieses Geschäftsmodell.
Ein Fall für die Qualitätssicherung
Um sich vor solchen Praktiken zu schützen, sollten die Unternehmen rechtzeitig eine Eigenanalyse vornehmen. Dazu sind alle Bilder der Internet-Präsenzen aufzulisten sowie die jeweiligen Lizenzdokumente zuzuordnen und zu archivieren.
Eventuell sollte das Unternehmen Lizenzkopien von den Agenturen bestellen. Ob das nötig und sinnvoll ist, lässt sich nur im Einzelfall entscheiden . Fakt ist jedoch, dass die Rechtsprechung im Zweifelsfall Dokumente einfordern wird. Und die müssen einfach vorhanden sein. (qua)