Die besten Stilblüten

Bewerben will gelernt sein

14.01.2009 von Gerhard Winkler
Ein Unternehmen steht und fällt mit seinen Mitarbeitern. Wer neues Personal sucht, bestreitet oft einen Auswahlmarathon. Da bleibt kein Auge trocken.

Bekanntlich ist jedes Unternehmen so besonders, wie jeder Mitarbeiter einzigartig ist. Doch wie soll man als Bewerber diesen faszinierenden Umstand in Worte fassen? - Schlag nach bei Kafka! Die Wirtschaft liebt ihn! (Anmerkung der Redaktion: Alle kursiven Textpassagen sind Originalzitate aus Bewerbungen.)

"Eine besondere Karriere beginnt in einem besonderen Unternehmen - und Franz Kafka wusste schon zu sagen: 'Wege entstehen dadurch, dass man sie geht'.”

Glatteis entsteht dadurch, dass man sich darauf begibt. Folgern Sie jetzt nicht, Anschreiben entstünden dadurch, dass man sie schreibt. Gerade als Erstbewerber weiß man von der Pflicht, die manchmal kümmerliche Wurst der eigenen Neigung in den höheren Senf des Berufsberaters zu stippen:

"Ich habe mich umfassend über den Beruf des Industriekaufmannes informiert. Er entspricht meinen Neigungen und Fähigkeiten und befriedigt das vorhandene Interesse an Industrie und Wirtschaft."

So schön es ist, sich selbst zu befriedigen, es ist für Jobsuchende allemal weit ergiebiger, die Fantasie eines Arbeitgebers zu erregen:

"Als Studentin der Wirtschaftspsychologie kann ich die Personalarbeit Ihres Unternehmens mit psychologischem Know-how bereichern! Kennen Sie beispielsweise die vielfältigen Möglichkeiten, um das Lernpotenzial Ihrer Mitarbeiter zu fördern?"

Alte Praktikanten in Human Resources wissen: Die wirtschaftspsychologische Wirklichkeit ist stets das beste Beispiel für die Möglichkeit der Personalarbeit. Seine Unverwüstlichkeit zeigte in diesem Jahr wieder das alte Anreiz-Antwort-Modell: Attention! Interest! Desire in Action! Ein wenig Leidenschaft des Herzens erwarten Personaler ja schon. Der strebsame Absolvent gibt sich deshalb als ein in der Wolle seines Fachs gefärbtes Temperament:

"Im Hinblick auf ein späteres Volontariat bei Ihnen bewerbe ich mich somit aus voller Leidenschaft, da ich sehr gerne zum Erfolg eines der erfolgreichsten Verlage beitragen möchte.”

Die pure Lebenserfahrung

Leidenschaft ist jene Kraft, die Arbeit sucht und Leiden schafft. Für Bewerber ein heikles Thema, denn Personaler sind leidgeprüfte Menschen. Begeistern Sie bereits als Praktikant durch Ihre Erlebnisfähigkeit und lassen Sie Ihre Begeisterung hautnah miterleben:

"Ein achtwöchiges Praktikum bei Ihnen sehe ich als hervorragende Möglichkeit, meine Begeisterung für Tender Manufacturing mit dem Erleben einer Beratertätigkeit zu verbinden."

Bewerber von heute sind älter, als sie auf dem Bewerbungsfoto aussehen. Kein Wunder - sie haben viel erlebt und viel errungen:

"Meine bereits errungenen Erfahrungen und Kompetenzen sprechen für ein attraktives Äußeres, mein Engagement und meine Zielstrebigkeit für den inneren Kern. Somit vereine ich ebenfalls die Eigenschaften eines Trojanischen Pferdes in mir und bin mir sicher, zukünftig zum weiteren Erfolg des Unternehmens beitragen zu können."

Tatsächlich errangen die Griechen dank angewandter Hippologie entscheidende Wettbewerbsvorteile. Der postantike Jobsucher ersetzt dagegen die alte Hibbeligkeit durch intelligentes Kommunikationsverhalten sowie durch zeitgemäße Soft Skills:

"Meine fachübergreifenden Kompetenzen sind ausgeprägte Kunden- und Serviceorientierung mit intelligentem Kommunikationsverhalten und hoher Motivation."

"Auch bei Einzelabgaben, wie sie in Deutschland verlangt werden, zeige ich Enthusiasmus und Kreativität.”

"In Teamsitzungen informiere ich mich über den Projektfortschritt und befasse mich zugleich mit dem, was die Teammitglieder bewegt."

"Ich präferiere eine selbständige Organisation meiner Aufgaben und gehe dabei analytisch, konzeptionell, engagiert und motiviert heran."

Gedankenschnell und eiskalt

2008 war für viele das Jahr der verlorenen Marktillusionen. Den Jobmarkt prägte dagegen die Abgeklärtheit seiner Akteure:

"Erfahrung habe ich in der Führung und Motivation von Mitarbeitern durch Vorleben."

Überhaupt wissen Profis: Was zählt, ist Erfahrung.

"Die Erfahrung in den USA hat meine Persönlichkeit und Denkweise beeinflusst und durch immer wieder neue Herausforderungen, z.B. in der Organisation und Koordination der Tagesabläufe der Kinder gefördert."

Was bleibt, ist oft mehr Erinnerung. Immerhin brachte eine selbstbewusste Bewerberin ihre Führungserfahrung präzise auf drei Punkte:

20.05.00 - 05.2007: Co-Geschäftsführerin, Familie, Verantwortung: 1 Mann, 1 Kind, 1 Hund

Geschäftsaufgaben sind immer traurig. Eigentlich bietet der eigene Werdegang keinen Grund zu Wehleidigkeit und falls doch, so fasse man sich kurz:

"Grundwehdienst"

Immerhin gab es auch einen guten Grund, sich groß herauszustellen:

"Ein international erfolgreiches Großereignis galt jährlich meiner alleinigen Organisation."

Das Prinzip Learning by faster Doing war das ungeschriebene Motto dieses zu rasant abgelaufenen Bewerberjahrs:

"Kenntnisse & Fähigkeiten: schnelle Auffassungsgabe, Schreibgeschwinidigkeit (10 Finger-System)"

International überaus erfolglos

Bewerber notieren immer wieder gern ihre (ausbaufähigen) Kenntnisse in Deutsch als Muttersprache. Unterlagen vom Bewerberdeutsch zu reinigen war auch 2008 eine dankbare Vollzeitbeschäftigung. Englisch fließend in Wort und Schrift bedeutet übrigens nicht: so flüssig wie eine DB-Ansage im Zug nach Leipzig.

"Meine guten Englischkenntnisse ermöglichen es Ihnen überdies, problemlos internationale Kontakte zu pflegen."

Insgesamt bedeutete Bewerben auch 2008, sein Ziel präzise einzukreisen:

"Mein Ziel ist es, längerfristig die anfallenden Tätigkeiten in Ihren Unternehmen zu erledigen."

Oder es zumindest nicht aus den Augen zu verlieren:

"März 2006 - November 2008: Ausbildungssuche; Aufarbeitung und Erweiterung der Fertigkeiten in Englisch und Mathematik im Selbststudium, Steigerung körperlicher Konstitution"

Hat es 2008 nicht klappen wollen? Dann zeigen Sie 2009 die Bereitschaft, etwas früher aufzustehen als Ihre Mitbewerber:

"Über einen Termin für ein persönliches orientierendes Vostellungsgespräch würde ich mich, auch zu einem frühen Zeitpunkt, außerordentlich freuen."

Bewerben war im zurückliegenden Jahr vielleicht für Sie ein Weg, bei dem Sie an sich selbst nicht vorbeigekommen sind. Nehmen Sie in diesem Fall künftig eine Abkürzung!

"Gut: Die Ursache eines Problems und die Lösung eines Konflikts erst einmal bei sich selbst suchen

Schlecht: Personen und Sachen im Rahmen von Feedback und Kritik trennen"

Zehn Tipps für Erstbewerber

  1. Auch du bist ein Leistungsanbieter: Lege darum ein fundiertes Angebot vor.

  2. Glaub nicht, Bewerben ist bloß Formsache: Der gute Bewerber arbeitet dem Personaler zu.

  3. Sag klar an, wer du bist und mach klar, wohin du willst: Richte dich auf dein Ausbildungsziel aus.

  4. Rede weder dich noch andere schlecht: Breite deine Schwächen und Fehler nicht aus.

  5. Steh zu dir, Deinem Lebensweg, deiner Schule, deinen Leuten: Zeige, dass du loyal denkst und handelst.

  6. Wirb aktiv um Vertrauen: Mach klar, dass du durchhältst, beiträgst, erfolgreich lernst und zum Ziel kommst.

  7. Leg Zahlen, Fakten, Namen vor: Die Macher und Könner reden immer Klartext.

  8. Versteh, was in der Ausbildung auf dich zukommt: Versteh auch, worauf es dem Jobanbieter ankommt.

  9. Such dir Fürsprecher, Förderer, Helfer und Agenten: Erfolg im Berufsleben kommt nicht von allein.

  10. Mach mehr aus dir: Bewirb dich dort, wo man junge Talente erkennt und fördert.

Auf seiner Website Jova-Nova bietet der Personalberater und Bewerbungshelfer Gerhard Winkler noch mehr Informationen und Tipps. (sh)