Mike Widmer, Standortleiter des Frankfurter Büros des Softwerkers BSI Business Systems Integration AG, sucht nach Softwareentwicklern: Die Anzahl der eingehenden Bewerbungen ist aber nicht Widmers grösste Sorge, eher schon die Qualität der Unterlagen: "Bei zwei von fünf Bewerbungen, die ich bekomme, lässt die Qualität der Dokumente im Hinblick auf Basics wie Rechtschreibung und Vollständigkeit der Unterlagen zu wünschen übrig. Auch wenn dies bei uns nicht der ausschlaggebende Punkt einer Bewerbung ist, so vergibt man doch die Chance einen ersten guten Eindruck zu hinterlassen", fasst Mike Widmer seine Erfahrungen zusammen.
Einwandfreie Bewerbungsunterlagen sind die Eintrittskarte
Auch der beste Bewerber verblasst, bei liederlich angefertigten Bewerbungsunterlagen, findet Widmer.
"Gerade das Anschreiben ist eine wunderbare Plattform, um dem Unternehmen zu zeigen, dass man sich mit der Firma auseinander gesetzt hat und dass man der oder die Richtige für den Job ist. Auch eventuelle beim Lesen auftauchende Fragen können schon vorweg beantwortet werden. Spannend finde ich ausserdem Hobbies oder spezielle ausserberufliche Tätigkeiten, da ich dadurch den Bewerber als Menschen besser kennen lerne", so Widmer. Dabei müsse die Bewerbung gar nicht seitenlang sein: Maximal eine Seite Anschreiben plus höchstens zwei Seiten Lebenslauf sowie die relevanten Zeugnisse genügen vollkommen.
Fünf-Punkteplan zum Traumjob
Häufig sind sich angehende Informatiker noch nicht im Klaren, was sie nach dem Studium erwartet. "Folglich wissen viele auch nicht, was sie wirklich wollen und welcher Job der richtige für sie ist", so Mike Widmers Kollege Jens Thuesen, Verwaltungsratspräsident bei BSI. Der ‚alte IT-Hase‘ hat dutzende Bewerbungsgespräche mit Junginformatikern geführt. Thuesen nennt fünf Punkte, mit denen angehende Softwareentwickler ihren Traumjob finden. "Nur wenn Sie sich zunächst klar werden, was Sie wollen und welcher Arbeitgeber am besten zu ihnen passt, werden Sie auf Dauer glücklich werden", so Jens Thuesen
1. Was will ich wirklich machen?
Softwareentwicklung ist nicht gleich Softwareentwicklung. Die Arbeit an Softwarearchitekturen oder in der Produktentwicklung unterscheidet sich sehr von der Mitarbeit in Kundenprojekten. Eine Integrationsspezialistin hat vollkommen andere Aufgaben als ein Softwarearchitekt oder eine Mitarbeiterin eines Beratungsbüros. "Besonders genau müssen Sie hinschauen, wenn Sie sich bei Firmen bewerben, wo Software Development nicht zum Kerngeschäft gehört", sagt Thuesen.
Wichtige Fragen, die sich hier stellen, sind:
Was liegt mir? Was kann ich gut?
Welche Branche reizt mich?
Mag ich Kundenkontakt?
Reise ich gerne?
Möchte ich lieber in einem grossen Konzern arbeiten, wo die Positionen stark durchstrukturiert sind, oder mag ich eher das Startup-Flair eines kleinen Betriebes?
Setze ich gerne Aufgaben um oder koordiniere ich lieber?
Kann ich gut beraten?
Werde ich wirklich Software entwickeln mit modernen Methoden und Tools oder ist die Arbeit eher ein Support-Job von alten Applikationen?
Kann ich von künftigen Kollegen etwas lernen? Wollen sie mich weiterbringen?
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2. Was genau ist meine Aufgabe?
In vielen, gerade grossen Unternehmen ist es Usus, dass Bewerbungsgespräche zunächst nur mit der Personalabteilung geführt werden. Erst beim zweiten, manchmal gar dritten Gespräch bekommt man denjenigen zu Gesicht, mit dem man später zusammen arbeitet. "Das halte ich für falsch. Nur unmittelbare Kollegen können dem jungen Jobkandidaten erklären, was er genau tun wird, wie sein Arbeitsalltag aussehen wird. Das hat auch etwas mit Wertschätzung zu tun", meint Jens Thuesen.
Bewerber, denen der potenzielle Arbeitgeber nicht bereits im ersten Gespräch sagen kann, was genau er später machen wird, sollten stutzig werden. "Finden Sie sich nicht mit schön klingenden Jobbeschreibungen ab", so Thuesen.
Wichtig sei es ausserdem, sich zu fragen:
Will ich diesen Job auch noch in ein, zwei Jahren machen?
Welche konkreten Entwicklungsmöglichkeiten habe ich in dem Unternehmen?
Muss ich, um voranzukommen, zwangsläufig in der Hierarchie aufsteigen?
Oder kann ich mich auch innerhalb der eigentlichen Softwareentwicklung weiterentwickeln?
Werden gute Entwickler mindestens so gut geschätzt (auch finanziell) wie gute Projektmanager?
"Gerade die letzten drei Fragen höre ich häufig: Viele angehende Informatiker wollen sich zwar weiterentwickeln, scheuen aber die administrativen Aufgaben, die häufig mit einem Hierarchieaufstieg verbunden sind. Hier gilt es, auch Karrierepfade abseits von klassischen Hierarchiestufen anzubieten, beispielsweise, indem man Mitarbeitern die Möglichkeit gibt, von Kundenprojekten in die Produktentwicklung oder den Verkauf zu wechseln oder als IT-Architekten zu arbeiten", bemerkt Thuesen
3. Was ist meine Arbeit wert?
"Ich bin gegen die Bezahlung nach Kriterien wie Betriebszugehörigkeit und Hierarchiestufe. Viel wichtiger ist sich zu fragen: Was ist die jeweilige Arbeit für das Unternehmen wert? Hier wird klar, dass, unabhängig von irgendwelchen Einstiegsgehältern, zum Beispiel ein Java-Experte in einem Softwareunternehmen wie BSI mehr verdienen muss als ein Projektleiter mit vergleichsweise viel Erfahrung", erklärt Thuesen.
Überhaupt rät Thuesen angehenden Informatikern, sich nicht von Gehältern blenden und leiten zu lassen. Wichtiger:
Fühle ich mich für die von mir geleistete Arbeit gerecht bezahlt?
Mag ich meine Aufgabe?
Was sind meine Perspektiven?
Wird meine Arbeit im Unternehmen geschätzt?
Welche weiteren monetären und nicht-monetären Kompensationen gibt es?
Ist zum Beispiel eine Beteiligung am Unternehmen mittelfristig möglich und realistisch?
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4. Was will ich in ein, zwei Jahren?
Nicht-monetäre Kompensationen können aber auch flexible Arbeits- und Arbeitszeitmodelle sein. "Flexibilität, die ich von meinen Mitarbeitern verlange - Softwareentwicklung ist kein Nine-to-Five-Business -muss ich auch zurückgeben. Wenn ein Projektleiter dienstags um 16 Uhr mit seinem Kind zum Schwimmen gehen möchte, sollte er dies tun. Nur glückliche Mitarbeiter sind auf Dauer auch gute Mitarbeiter", fasst Jens Thuesen zusammen.
5. Stichwort Kultur: Passe ich zum Unternehmen und das Unternehmen zu mir?
Der ‚Culture Fit‘ wird für immer mehr Unternehmen zu einem wichtigen Einstellungskriterium. Auch die potentiellen Mitarbeiter sollten sich Gedanken über ihre kulturelle Passung machen. So wird eine angehende Softwareingenieurin, die Karriere im heute als ‚klassisch‘ angesehenen Sinne machen möchte, die beispielsweise in fünf Jahren Abteilungsleiterin sein will, sicher nicht glücklich in einer Firma, die Wert auf flache Hierarchien legt. In ein solches Unternehmen passt eher der angehende Softwareentwickler, der Spass an wechselnden Projekten und Aufgaben oder auch an modernen, netzwerkartigen Formen der Zusammenarbeit hat, wie es etwa bei Scrum der Fall ist.
"Was vielleicht banal klingt, ist entscheidend dafür, dass man sich beim künftigen Arbeitgeber wohl fühlt. Eine Kultur wird man als Einzelner nicht ändern. Daher ist es wichtig, mit der Kultur des Unternehmens überein zu stimmen. Und vielleicht am Wichtigsten: Eine Kultur sollte gelebt werden. Ein Unternehmen zum Beispiel, das flache Hierarchien propagiert, sich aber in Hierarchiestufen wie Projekt-, Gruppen-, Abteilungs- und womöglich Bereichsleiter gliedert, dürfte man dies nur schwer abnehmen", fasst Thuesen zusammen.