Corporate Finance

Beteiligungsfinanzierung bei IT-Firmen

03.01.2012 von Renate Oettinger
Dr. Bernhard Schmid erklärt, warum in der Vorbereitung einer Finanzierung der Schlüssel zum Erfolg liegt.
Mal eben schnell Geld verdienen? Fast immer ein Trugschluß.
Foto: Rene Schubert - Fotolia.com

Selten liegen Mythos und Wahrheit so weit auseinander, wie beim Ablauf von Beteiligungsfinanzierung. Die Stories von Kaufverträgen, die in der Airport-Lounge auf einer Serviette über einige 100 Millionen Dollar unterzeichnet wurden, gehören in das Reich der Legenden - oder zumindest der Vergangenheit an.

Denn nicht selten herrscht die Meinung vor, dass der Corporate-Finance-Berater nur eben drei Telefonate führen müsse, um einen Investor von der bahnbrechenden Idee zu überzeugen. Genauso wenig wie ein Haus im Vorbeigehen erworben wird, genauso wenig ist ein Quick Deal wahrscheinlich. Beteiligungs-Finanzierung dauert - typischerweise drei bis sechs Monate konzentrierte Arbeit aller Beteiligten: Unternehmer, Berater und Kapitalgeber. Unabhängig davon, ob es sich um VC-Kapital, Mezzanine oder Förderinstrumente handelt. Es soll beidseitig wohl überlegt sein, wenn man sich auf ca. drei bis sieben Jahre bindet.

Gute Vorbereitung ist die halbe Miete

Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren ist, den Prozess vom Ende her zu denken. Umgekehrt heißt das: Die größten Fehler werden begangen, indem "auf die Schnelle" ein "erster Wurf" gemacht wird, um das prinzipielle Interesse auszuloten. Das Fatale daran: Statements, die einmal gemacht wurden, werden als verbindlich angesehen. Ein späteres Revidieren bei gleich bleibenden äußeren Bedingungen wird als schlechtes Management ausgelegt, was die Chancen der Beteiligung sinken lässt. Und man sollte nicht vergessen, dass die Branche der Kapitalgeber manchmal sehr klein sein kann.

Unternehmensanalyse - den Finger in die Wunde legen

Sinn der Unternehmensanalyse ist es, dem Unternehmer/Management den Spiegel vorzuhalten. Corporate-Finance-Unternehmen verwenden hierzu Fragebögen, wie sie in ähnlicher Form von Wirtschaftsprüfern im Rahmen der Due Diligence Verwendung finden:

Ein guter Berater zeichnet sich dadurch aus, dass er bewusst "den Finger in die Wunde legt". Themen können damit frühzeitig erläutert beziehungsweise sogar noch korrigiert werden, bevor man an Investoren herantritt.

Business-Planung und Investment-Case-Unterlagen - ehrlich währt am längsten

Das Ergebnis des Firmen-Assessments fließt in die Investment-Case-Unterlagen ein. Nach dem Motto "Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler" werden dabei die wesentlichen Aspekte aus Sicht des Investors beleuchtet. Daher gilt es, sich bereits vor der Erstellung der Investment-Case-Unterlagen bereits Gedanken zu machen, welche Cluster an Finanziers in Frage kommen - Banken (Stichwort Fördermittel), Private Equity / Venture Capital, Alternative Finanzierungsformen wie Mezzanine oder Management-Buy-outs / Buy-Ins.

Wichtig ist dabei zum Beispiel, dass Produkte und Dienstleistung nicht anhand ihrer technologischen Funktionalitäten, sondern anhand des Nutzens erläutert werden. Nutzen heißt in diesem Falle: Mehrwert für den Kunden und Umsatzpotenzial, das aufgrund von Skaleneffekten und Eintrittsbarrieren überproportionale Erlösströme indiziert.

Die Darstellung sollte proaktiv und nach vorne gerichtet sein. Ein erfahrener Berater unterstützt dabei, typische Fallstricke zu vermeiden. Ein "Klassiker" unter den Kardinalfehlern ist es, etwa zu schreiben, es gebe aufgrund der Einzigartigkeit ihres Angebots keine Konkurrenz. Aus Sicht der Finanziers bedeutet dies meist schlicht: Keine Konkurrenz = kein Markt, denn sonst gäbe es zumindest partielle oder tertiäre, substitutive Konkurrenz.

Hinsichtlich des Business-Plans gilt "Plausibilität ist Trumpf", es muss also eine "Top-down / Bottom-up"-Verprobung möglich sein, wie diese in einem weiteren Beitrag dieser Serie beschrieben wird.

Investorenansprache

Die Investorenansprache sollte stets indirekt erfolgen, unabhängig davon, wie erfahren der Unternehmer in Sachen Finanzierung selbst ist. Dies hat verschiedene Gründe:

Erstens ist es Aufgabe des Unternehmenslenkers, sich auf das Geschäft zu konzentrieren, damit aus der Business-Planung Realität wird. Zweitens ist das Vorhaben zu wichtig, um es mit "gesundem Halbwissen" anzugehen. Drittens lässt sich durch einen Mittler die Anonymität so lange wie gewünscht wahren, um nicht der Konkurrenz eine Steilvorlage für etwaige Gerüchte zu liefern. Viertens ist durch den Einsatz eines Beraters ein "Good-Guy / Bad-Guy"-Rollenspiel möglich. In der mehrmonatigen Verhandlungsphase bleiben divergierende Ansichten nicht aus. Ein guter Berater übt eine Pufferfunktion aus, damit das Verhältnis zwischen Unternehmer und Finanzier nicht beschädigt wird.

Die Ansprache erfolgt in der Regel über einen sogenannten Investment Case Fact Sheet. Dieser stellt ein Substrat des umfangreichen Investment Case Fact Books / Präsentation dar und wird folglich als Letztes und nicht als Erstes erstellt. Im Sinne eines Executive Summaries werden die wichtigsten Aussagen zusammengefasst. Die Kunst besteht darin, so viel wie nötig mitzuteilen um Interesse zu wecken, ohne Rückschlüsse auf das spezifische Unternehmen zuzulassen.

Due Diligence - Prüfung auf Herz und Nieren

Due Diligence, also die Sonderprüfung, dient dem Kapitalgeber dazu, zu überprüfen, ob die getroffenen Aussagen stimmen und stimmig sind. Die Technical, Financial, Legel und ggf. Tax Due Diligence hat also zwei Aufgaben: die historischen beziehungsweise gegenwartsbezogenen Angaben auf Unregelmäßigkeiten in der Bilanz etc. zu prüfen und die Business-Planung zu validieren.

Auch hier gilt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, und am besten ist die Erklärung des veräußernden Unternehmens. Um zu vermeiden, dass wesentliche Verträge wie Pensionszusagen "vergessen" werden, lassen sich die Wirtschaftsprüfer eine Vollständigkeitserklärung vom Kapitalsuchenden mit entsprechenden Garantie-/Regressansprüchen unterschreiben. Dies ist zum einen legitim, um den Investor zu schützen, und zum anderen eine wichtige Absicherung des Wirtschaftsprüfers, der in nicht unerheblichem Maße für Prüfungsfehler haftet.

In puncto Planung gilt: Plausibilität ist Trumpf: Weder die Experten der Wirtschaftsprüfer noch die der Kapitalsuchenden können die spezifische Planung so gut verifizieren wie das Unternehmen, das es erstellt hat. Je besser die Planung "bottom-up" geplant ist, also von konkreten Angeboten und Kundenverträgen ausgeht, desto höher ist die Plausibilität. Der Cross-Check erfolgt über Marktdaten: Wenn ein Unternehmen abzüglich Basiseffekten plant, um 50 Prozent zu wachsen, der Markt nach Einschätzung von Research-Unternehmen aber nur um fünf Prozent zulegen soll, dann gibt dies zumindest Anlass zu detaillierten Nachfragen.

Kaufpreisermittlung und Vertragsverhandlungen

Bei der Kaufpreisermittlung gilt: It’s an art, not a (pure) science! Entsprechend wird zwischen Substanzwert, Ertrags- und Cashflow-orientierten Verfahren und Multiple-/Peer-Group-Verfahren unterschieden. Im Idealfall weichen die zukunftsorientierten Bewertungsverfahren beziehungsweise die unterschiedlichen Multiple-Verfahren nicht zu stark voneinander ab - wie beim Business-Plan gilt auch hier: Plausibilität ist der Königsweg - mehr dazu im vorletzten Beitrag der Serie.

Je nach Art des Finanziers liegen in der Regel unterschiedliche Interessenslagen zugrunde. Während Banken das Hauptaugenmerk auf die künftige Liquidität legen, geht es Finanzinvestoren noch stärker um Wachstum und Erträge. Strategische Investoren werden insbesondere auf den strategischen Mehrwert abstellen. Daher gilt es, die Verhandlungsführung auf die Art des Finanziers abzustellen - es gibt kein ‚one size fits all‘, wie diese auch in letzten Beitrag dieser Serie beschrieben wird.

Vertragsabschluss: Anfang, nicht Ende

Je nach Art des Investors folgen nach dem Vertragsabschluss verschiedene Phasen - bis hin zum möglichen Exit, was bei Unternehmern, die nach dem Verkauf noch einen Teil der Anteile behalten, oft einen wesentlichen Erlöshebel darstellen kann:

Daher gilt ein besonderes Augenmerk bei Firmenübernahmen beziehungsweise Einbindungen der sogenannten Post-Merger-Integration (PMI)-Phase: Denn 73 Prozent der im Rahmen einer Forschungsarbeit der Universität Münster Befragten sehen im "Mangelnden Umsetzungskonzept" das Hauptrisiko bei Unternehmensfusionen.

Auf Basis der Erfahrungen aus mehr als 20 Corporate-Finance-Transaktionen hat Global Value Management das sogenannte PBS-Modell entwickelt, um eine rasche und erfolgreiche Integration zu gewährleisten. Dabei steht P für People, B für Business und S für Strategy-Integration - und zwar genau in der Reihenfolge. Dies deckt sich mit Untersuchungen von Tower Watson, wonach M&A-Prozesse an der Managementeinbindung kranken: Nur 42 Prozent der befragten deutschen Manager gaben an, Teil eines Integrationsteams gewesen zu sein, 17 Prozent waren überhaupt nicht in die Integrationsmaßnahmen involviert. Das PBS-Modell umfasst folgende Bausteine:

Fazit

Das Geheimnis des Finanzierungserfolgs liegt in der guten Vorbereitung:Nur wenn Buisness-Planung, Investment-Case-Unterlagen, Selektion der potenziellen Finanziers und Verhandlungsführung optimal ausgestaltet sind, wird ein optimales Ergebnis für Unternehmer, Mitarbeiter, Kunden und Finanzier erzielt. (oe)

Kontakt:

Der Autor Dr. Bernhard Schmid war knapp 20 Jahren in der IT-Branche tätig und hat in seiner Zeit als Geschäftsführer, Vorstand und Berater über 20 Corporate Finance -Transaktionen im IT-Channel realisiert. Er ist Geschäftsführender Gesellschafter der Global Value Management GmbH (GVM). Tel.: 08141 8890-39, E-Mail: bernhard.schmid@global-value-management.de, Internet: www.global-value-management.de