Berufsbild des CIM-Managers noch nicht klar

17.10.1986

Es bleibt nicht aus, daß ein Prozeß einen Promotor, einen Verantwortlichen braucht. Auch CIM (Computer Integrated Manufacturing) macht hier keine Ausnahme.

Aus kleinsten DV-Anfängen geboren, an den stetig komplexen gewordenen Organisationsaufgaben gewachsen und im Feuer der Fachabteilung gestählt, hat der DV-Chef heute schon gelegentlich den Mut, sich als CIM-Manager betiteln zu lassen oder dem diesbezüglichen Versäumnis dezent abzuhelfen.

Er sieht sich in dieser Rolle und ist überzeugt, den CIM-Gedanken wirklich zu verkörpern, gelegentlich sogar mit der milden Ruhe des erwachenden Unfehlbarkeitsanspruches in den Augen. Ex cathedra verkündet er Definitionen über CIM, beurteilt CAD-Pakete, vergleicht NC-Programmiersprachen, schließt - theoretisch - die Lücken in PPS-Systemen und schleudert seine Bannflüche gegen die Ewiggestrigen, die in ihrer Unverbesserlichkeit über die versprochenen Segnungen der High-Technology die Nase rümpfen.

Traumhafte Lösungen für billiges Geld

Der überzeugte CIM-Manager verfügt über ein beachtliches, Repertoire unbekannter Abkürzungen, die er dem schüchtern Nachfragenden herablassend als veritable Monster anglo-amerikanischer Sprachverhunzung darbietet, und er versteht es darüber hinaus, den sicher unvermeidlichen Fachjargon so einzusetzen, daß er - einer Nebelbombe vergleichbar - für die vollständige Orientierungslosigkeit des Gesprächspartners sorgt.

Der CIM-Manager bewegt sich souverän im Problemdschungel der Fachabteilungen, hat Prospekte zur Hand, die traumhafte Lösungen für billiges Geld offerieren und schockiert mit kürzesten Realisierungszusagen. Er versteht es gleichermaßen gut, Terminverzögerungen zu begründen, die ungenauen Vorgaben der anderen zu rügen - im nachhinein versteht sich -, die Unersättlichkeit der Fachabteilungen nach Auswertungen, Listen etc. anzuprangern und das faktische Auf-der-Stelle-Treten als planmäßiges Warmlaufen zu verkaufen.

Geduldig wie ein Missionar

Daß der CIM-Manager sich selbst gänzlich anders sieht, braucht nicht zu verwundern: Er hält sich für den Dienstleister schlechthin. Er hat ja schließlich von CIM nichts. Er will allen Anfeindungen zum Trotz nur helfen: uneigennützig, emotionslos, verständig, zur höheren Ehre des Unternehmens. Er möchte nur Informationen bereitstellen, sachkundig beraten, neue Technologien fördern und auf Wunsch jeden Interessierten in die Geheimniswelt der Bits und Chips einfuhren.

Er gönnt sich in der Verfolgung seines Ziels keine Rast, arbeitet wie besessen und erwartet von sich und seinen Mitarbeitern regelrechte Frondienste. Er weicht nie einem kritischen Gespräch aus und argumentiert geduldig und zäh wie ein Missionar. Er geht dem seichten Geschwätz alerter Hardwareverkäufer ebensowenig auf den Leim, wie er auf nicht ausgereifte Software hereinfällt. Er sucht Programmfehler auch zu Tageszeiten, in denen andere im wahrsten Sinne des Wortes nur träumen. Er ist der fleischgewordene Altruismus und zudem in der Lage, dies auch mittels Gehaltsstreifen zu beweisen.

Fürwahr ein merkwürdig gespaltenes Bild eines CIM-Managers. Es wäre nachgerade ein Frevel, hier nicht nach Gründen zu suchen. Je mehr man allerdings grübelt, desto sicherer gelangt man zu der Überzeugung, daß hier eine fast tragische Verkettung von Faktoren vorliegt, die alle dazu angetan sind, dem CIM-Manager zu schaden.

Nicht in die Karten schauen lassen

Da ist zunächst die uralte Wahrheit, daß man Neuerungen gegenüber skeptisch ist; und wer verkörpert Neuerungen schon so lupenrein wie etwa ein CIM-Manager.

Da gibt es die fast ebenso alte Erkenntnis, daß der Prophet im eigenen Land, sprich: Betrieb, nichts gilt. Daß dem so ist, beweisen all die Fälle, in denen einem smarten Verkäufer mehr Glauben geschenkt wurde als einem erfahrenen Bit-Profi.

Da stößt man auf die Tatsachen, daß viele Abteilungsleiter und auch Sachbearbeiter sich gegen mehr Transparenz und Durchgängigkeit einfach deswegen wehren, weil sie sich nicht in ihre Karten schauen lassen wollen - und genau das tut der Datenintegrator zwangsläufig.

Da wachsen Widerstände aus der Angst heraus, daß Fachwissen durch die elektronische Datenverarbeitung ihren "Fach"-Charakter verliert und durch EDV-Wissen ersetzt wird und dadurch die Unersetzlichkeit abbröckelt.

Da schleicht sich das ungute Gefühl ein, daß hinter der selbstlosen Hilfe des CIM-Managers handfeste persönliche Interessen lauern; daß jemand aus Überzeugung einer Idee folgt, findet heutzutage in einem Industriebetrieb schwerlich Glauben.

Da trifft die Uneigennützigkeit sowieso auf wenig Anerkennung, weil sie die tragikomische Eigenschaft besitzt, grundsätzlich zum falschen Zeitpunkt offeriert zu werden; auch der CIM-Manager ist vor diesem Effekt nicht gefeit.

Da häufen sich die Schwierigkeiten in den CIM-Projekten, wenn man sich endlich doch zur Zustimmung oder gar Mitwirkung hat breitschlagen lassen.

Da stört das Tagesgeschäft die konsequente Vorbereitung und Durchführung von CIM-Projekten, weswegen CIM als lästig und das Ergebnis als lächerlich empfunden wird.

Einer gegen alte

Ein CIM-Manager ist das, was die Umgangssprache etwas drastisch ein "armes Schwein" nennt. Daran ändert sich auch wenig, wenn man diese Männer (und Frauen?) aus Fachabteilungen rekrutiert, um bei den Kollegen wenigstens den Spezialisten präsentieren zu können. Es bleibt die Situation: einer gegen (fast) alle.

Man kann in dieser Situation nur anregen, CIM-Manager gezielt ausbilden zu lassen und dabei vor allem die Psychologie und die Rhetorik nicht zu vergessen. Daß in dieser Ausbildung die angehenden Informationsmanager gleich mitbehandelt werden sollten, bedarf wohl keiner weiteren Erklärungen.

Gelingt es mit vereinten Kräften der traditionellen Weiterbildungsinstitute, der Industrie, der Hochschulen, der Verbände und der CIM-Anbieter, hier ein Berufsbild zu schaffen, das mehr Akzeptanz entgegengebracht bekommt als die heutigen DV-Gewaltigen, so könnte in Sachen CIM ein bißchen mehr und das. Vorhandene schneller bewegt werden. Gelingt es nicht, bleibt CIM die Domäne von Einzelkämpfern.

Gerhard Sauerbrey ist Leiter Org.-Beratung der Weigang-MCS GmbH, Würzburg.