Digitalisierte Bibel-Fragmente

Berühmte Qumran-Schriftrollen gehen online

21.10.2010
Die Qumran-Schriftrollen werden digitalisiert und ins Internet gestellt. Bei den Originalen handelt es sich um die ältesten handschriftlichen Bibel-Texte.

Es ist ein gigantisches Puzzle für Sprach- und Religionsforscher sowie alle Hobby-Archäologen: Sie können bald die 30 000 Fragmente der berühmten Schriftrollen vom Toten Meer im Internet ansehen oder so zusammensetzen, dass sie vielleicht neue Interpretationen finden.

Die Kopien sollen besser sein als die 2000 Jahre alten Originale: Die israelische Altertumsbehörde und der Internetkonzern Google starten gemeinsam eines der ambitioniertesten Projekte in der Digitalisierung antiken Schriftguts. Sie wollen rund 30.000 Fragmente der berühmten Schriftrollen vom Toten Meer für das Internet aufbereiten. Einige Textstellen der nach ihrem Fundort benannten Qumran-Rollen werden dann erstmals wieder lesbar. "Es sind die ältesten handschriftlichen Bibel-Texte. Es ist unsere Pflicht, diese kostbaren Rollen für kommende Generationen zu bewahren", sagte Pnina Shor, Projektleiterin am Israel-Museum am Dienstag in Jerusalem.

Das klingt einfacher als es ist. Denn die auf Pergament, Papyrus oder gegerbtem Leder geschriebenen Manuskripte sind so empfindlich, dass sie in speziellen Vitrinen oder Dunkelkammern mit strenger Kontrolle von Licht, Temperatur und Luftfeuchtigkeit aufbewahrt werden müssen. "Die Rollen sind bislang nur einmal in vollem Umfang fotografiert worden. Das war in den 50-er Jahren. Jede Aufnahme richtet Schaden an, auch wenn der nicht sofort sichtbar ist", sagte Shor. Und so sei die Idee geboren worden, eine authentische Foto-Kopie zu machen, damit die Originale künftig nicht mehr herausgeholt werden müssen.

Ein jugendlicher Beduinen-Hirte hatte 1947 in einer Höhle nahe der Ruinen-Stätte Qumran am Toten Meer durch Zufall die ersten antiken Manuskripte in einem Tonkrug aufgestöbert. Die Schatzsuche ging weiter. Bis 1956 kamen aus insgesamt elf Höhlen 30.000 Fragmente von 900 Schriftrollen ans Licht. Die älteste stammt nach Angaben von Shor aus dem 3. Jahrhundert v.Chr., die jüngste vom Ende des 1. Jahrhunderts.

Ein Foto, elf Wellenlängen

Um mit einer einzigen Aufnahme so viel wie möglich herauszuholen, greift die Altertumsbehörde auf eine hochauflösende digitale Spezialkamera des US-Unternehmens MegaVision zurück. "Mit einem Foto nehmen wir jede Rolle in elf verschiedenen Wellenlängen auf, beispielsweise rot, grün und blau. Zum Schluss folgt Infrarot. Das zeigt uns, was das Auge nicht sehen kann. Es hilft uns beim Entziffern. Wir werden viele Dinge sehen, die wir nie zuvor sehen konnten. Die Rollen sind 2000 Jahre alt. An vielen Stellen sind sie sehr dunkel, an anderen ist die Tinte beschädigt worden", sagte Shor.

"Es ist unser Erbe. Also haben wir uns gefragt, warum teilen wir das nicht mit der ganzen Welt? Und an dieser Stelle kommt Google ins Spiel", sagte die Projektleiterin. Nicht nur die 30.000 Aufnahmen würden mit Hilfe des Internetriesen online gestellt, sondern auch Transkriptionen, Übersetzungen und alle Literaturhinweise.

Bislang war der wissenschaftliche Umgang mit den Fragmenten eingeschränkt. Künftig kann jeder kostenlos mit einem Mausklick durch die riesige Datenbank scrollen, die Aufnahmen von Fragmenten anklicken oder sie wie bei einem Puzzle neu ordnen. Übersetzungen in viele Sprachen machen alles noch leichter. Die ersten Fotos sollen bereits im Frühjahr im Internet stehen. Wie lange das gesamte Projekt dauert, konnte Shor nicht abschätzen. Als Kosten sind umgerechnet rund 2,5 Millionen Euro veranschlagt. (dpa/ajf)