Google-Koordinator Max Senges

"Berlin ist die Hauptstadt des digitalen Deutschlands"

17.11.2011 von Lothar Lochmaier
Max Senges, Koordinator für externe Kooperationen bei Google, sagt, warum sein Arbeitgeber gerade in Berlin ein Forschungszentrum eröffnet und was dort untersucht werden soll.

CW: Wie kam Google auf die Idee, ein Institut für Internet und Gesellschaft zu etablieren?

Max Senges, Google: "Wir betrachten das neu gegründete Institut in Berlin nicht als Karrieresprungbrett oder Talentschmiede von Google."
Foto: Google

SENGES: Das Internet verändert die Gesellschaft. Umgekehrt setzt die Gesellschaft den Rahmen für das Internet. Was zwischen diesen beiden Polen passiert, ist bisher nur wenig erforscht. Google ist Teil des Internets, und insofern sind wir natürlich sehr interessiert daran, die vorhandenen Forschungslücken schließen zu helfen. Wir sind überzeugt, dass diese Erkenntnisse wichtig sind für Google und die Gesellschaft.

CW: Welches sind die konkreten Intentionen und Ziele, die sich mit der Neugründung verbinden?

SENGES: Google fördert seit vielen Jahren Forschungsprojekte und Universitäten. Doch hier wollen wir bewusst etwas Neues schaffen: ein Institut, dass unterschiedliche Disziplinen bündelt und das Thema Internet und Gesellschaft aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Das Institut vereint Forscher aus unterschiedlichen Häusern und Disziplinen: Verfassungs- und Medienrecht, Politikwissenschaft und Governance sowie Wirtschaftsinformatik. Diese Kombination ist etwas Neues und hat das Potenzial, die Zusammenhänge zwischen Internet und Gesellschaft grundlegend zu erforschen.

CW: Weshalb fiel die Wahl ausgerechnet auf den Standort Berlin?

SENGES: Deutschland hat eine lange erfolgreiche Tradition in der akademischen Forschung. Auch Google beschäftigt weltweit eine ganze Reihe deutscher Akademiker. Die Qualität der deutschen Wissenschaft wird bei uns außerordentlich geschätzt. Unsere akademischen Partner sind herausragend. Deutschland war hier also erste Wahl. Und warum Berlin? Berlin ist ja nicht nur die politische Hauptstadt. Berlin ist längst auch so etwas wie die Hauptstadt des "digitalen Deutschlands". Der beste Platz für ein Institut für Internet und Gesellschaft liegt also sicher an der Spree.

CW: Welche speziellen Eigenschaften, Fertigkeiten und Kenntnisse sollten Bewerber mitbringen, die in diesem Umfeld etwa als Postdocs oder Promovierende mitarbeiten möchten?

SENGES: Generell wird im Institut erwartet, dass sich die Kandidaten bereits im Studium oder in ihrer Forschung mit relevanten Themen auseinandergesetzt haben. Da wir interdisziplinär zusammengesetzt sind, gibt es keine Einschränkungen hinsichtlich der Disziplin. Damit eine fachliche Betreuung ermöglicht wird, liegt die Präferenz bei Personen aus den Fachgebieten der Direktoren. In welcher Form Promovierende oder Postdocs mitwirken können - ob etwa in einer Graduiertenschule oder einem Stipendiatenprogramm -, wird derzeit noch erarbeitet.

CW: Welche Karrierechancen bietet denn ein derartiges Sprungbrett in die Google-Welt?

SENGES: Das neue Institut ist in seiner wissenschaftlichen Arbeit und bei der Auswahl seines Personals unabhängig von Google. Wir betrachten das Institut daher auch nicht als "Talentschmiede" oder "Sprungbrett" für Google. Dennoch gehen wir davon aus, dass der akademische Nachwuchs am Institut hervorragende Arbeit abliefern wird. Und wer danach einen Job bei Google möchte, muss sich bewerben wie jeder andere auch.

CW: Wie geht Google mit den gewonnenen Forschungsergebnissen um?

SENGES: Das Institut widmet sich Schlüsselfragen der digitalen Welt. Wie entsteht Innovation im Netz? Wie organisiert man dort seine Identität? Google wird die Ergebnisse sicher zur Verbesserung seiner Dienste und Produkte einsetzen. Diese stehen aber - im Sinne des Open-Science-Ansatzes des Instituts - nicht nur uns, sondern jedem Interessierten zur Verfügung. Es gibt hier keine Exklusivität, alle Ergebnisse sind transparent. Das Institut wird eine offene Plattform sein, das passt zu Google.

Arbeit 2.0: Es lebe die Kreativität
Wie wollen wir in Zukunft arbeiten?
neue Antworten auf diese Frage suchten 28 Absolventen aus aller Welt in Berlin. Sechs Wochen lang dauerte der Workshop "Palomar 5". Foto: Palomar 5/ Carolin Seeliger
Sie haben Palomar 5 organisiert:
Philippa Pauen, Dominik Wind, Jonathan Imme, Hans Raffauf, Simon Wind, Mathias Holzmann (von links nach rechts)
600 Menschen aus aller Welt haben sich beworben....
....28 Absolventen, die unter anderem an Eliteuniversitäten in Harvard, Oxford oder Princeton studierten, wurden schließlich nach Berlin eingeladen. Foto: Carolin Seeliger
Denken ohne Grenzen
Sechs Wochen lebten die Kreativen in einer alten Berliner Malzfabrik und entwarfen Konzepte für ein neues Arbeiten. Foto: Norbert Ittermann
Nur der Schlafplatz war begrenzt.
Jeder Teilnehmer musste sich in einer drei Quadratmeter großen Koje aus Spanbretter betten. Foto: Norbert Ittermann
Ansonsten boten die einstigen Fabrikräume...
viel Platz für die Suche nach Ideen. Foto: Norbert Ittermann
Teamarbeit ohne Grenzen...
...ist für die jungen Generation ganz wichtig. Im Workshop praktizierte sie sie auch täglich.Foto: Norbert Ittermann
Rückzugsorte...
...fanden sich natürlich trotzdem. Foto: Carolin Seeliger
Achtung Auftritt..
..hieß es beim Abschlussgipfel, als alle Teams ihre Ideen präsentierten. Darunter ein mobiles Holodeck für mehr Entspannung im Arbeitsalltag (The Egg). Foto: Carolin Seeliger
300 Gäste aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Kultur.
..hörten sich die Ideen der jungen Wilden an, die anders arbeiten wollen. Ohne Hierarchien, ohne feste Arbeitszeiten und nicht in Konzernen. Foto: Carolin Seeliger

CW: Wie könnte das Umfeld in der IT- und Internet-Startup-Metropole Berlin konkret profitieren?

SENGES: Berlin lockt zunehmend Unternehmer an, die das Internet mitgestalten. Startups wie Soundcloud, Wooga und Jovoto sind jetzt schon erfolgreich. Die Attraktivität der Berliner Szene sorgt inzwischen sogar dafür, dass Startups aus anderen Ländern wie etwa Research Gate aus Boston hierher ziehen. Diese Bündelung an Aktivität wird Fragen aufwerfen, die das Institut behandeln und als wertvolle Forschungsergebnisse in die Gesellschaft einbringen kann. Ein weiterer Punkt: In Bezug auf Internet-Gründungen wird die Stadt zunehmend zu einer Konkurrenz für London. Es fehlt aber noch der letzte Kick. Die Tatsache, dass nicht nur die Startups, sondern auch die Forschung in diesem Bereich in Berlin konzentriert wird, kann dafür sorgen, dass der Standort noch wichtiger wird.

CW: Welche längerfristige Vision mit Blick auf die Personalpolitik verfolgt Google in der unternehmensweiten Forschungs- und Produktstrategie?

SENGES: Google betreibt stets eine Vielzahl von Projekten parallel. Dafür suchen wir immer kluge Köpfe, die in unsere kollaborative Unternehmenskultur passen. Allgemein bevorzugen wir Kandidaten, die sich nicht nur an Schulen und Universitäten, sondern auch außerhalb, im "wahren Leben" sozusagen, bewährt haben. Eine exzellente akademische Ausbildung sollte also stets einhergehen mit ungewöhnlichen Erfolgen auf anderen Gebieten wie zum Beispiel Sport oder Musik, als Unternehmer oder als Schriftsteller. Kandidaten sollten Leidenschaft für ihre Sache zeigen, die über den Arbeitsplatz hinausgeht. Sie sollten in der Lage sein, Probleme mit Fingerspitzengefühl und Kreativität anzugehen, sie sollten bereit sein, ihre Ärmel hochzukrempeln und Pläne in die Tat umzusetzen.

Den kompletten Beitrag "Berlin - auf dem Weg zur Startup-Metropole" finden Sie hier

Internet-Institut in Berlin

In Berlin ist das von Googles damaligem CEO Eric Schmidt im Frühjahr angekündigte Institut für Internet und Gesellschaft im Oktober offiziell ins Leben gerufen worden. Als Gesellschafter vertreten sind die Humboldt-Universität, die Universität der Künste, das Wissenschaftszentrum Berlin sowie das Hamburger Hans-Bredow-Institut. Das Budget für die ersten drei Jahre beträgt 4,5 Millionen Euro.