Berater auf Zeit

18.04.2006 von Ingrid  Weidner
Unternehmensberatungen wollen die besten Bewerber für sich gewinnen. Deshalb locken Roland Berger und die Boston Consulting Group Bachelor-Absolventen mit befristeten Einstiegsprogrammen.

Wer zwischen dem Bachelor- und Master-Abschluss nur eine kurze universitäre Auszeit nehmen möchte, für den bietet sich das neun- bis zwölfmonatige "Consulting Analyst Program" von Roland Berger an. "Die Absolventen sollen unser Unternehmen kennen lernen, Projekt- und Arbeitserfahrung sammeln", erklärt Sven Breipohl, Personalverantwortlicher bei Roland Berger Strategy Consultants. Anschließend sollen die jungen Akademiker zurück an die Hochschule und den Master-Abschluss erwerben. "Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass eine dreijährige universitäre Ausbildung für den Job des Strategieberaters nicht ausreicht", sagt Breipohl.

Roland Berger sucht 150 neue Berater

Trotzdem begrüßt der Roland-Berger-Mann die zweistufige Ausbildung, da sich die Universitäten auf diesem Weg modernisieren und stärker gegenüber der Praxis öffnen würden, indem sie neue Lehrmethoden wie Strategiespiele und Gruppenfallstudien in ihre Curricula integrierten. In diesem Jahr sucht Roland Berger rund 150 neue Berater für den deutschsprachigen Raum. Breipohl schätzt, dass etwa 20 Einsteiger bereits einen Bachelor- oder Masterabschluss mitbringen. Die Recruiting-Methoden ändern sich mit den neuen Studienabschlüssen kaum. "Wir suchen Bewerber aller Fachrichtungen und rekrutieren bevorzugt von rund 30 Hochschulen, deren Ausbildung unseren Anforderungen entspricht; dabei spielen Hochschul-Rankings durchaus eine Rolle für uns, ebenso Kontakte zu Professoren. Fachhochschulabsolventen haben wir bislang grundsätzlich nicht eingestellt."

Philipp Gattner unterschrieb mit 23 Jahren seinen Arbeitsvertrag als Consulting Analyst bei Roland Berger. Nach Abitur und Zivildienst entschied er sich für ein Betriebswirtschaftsstudium in St. Gallen. "Ich bin wegen des guten Rufs der Hochschule nach St. Gallen gegangen, der moderaten Studiengebühren und der guten Betreuung", erläutert Gattner seine Wahl.

Praxiserfahrung statt Reise nach Lateinamerika

In der Schweiz lief für ihn alles nach Plan. Nach sechs Semestern hatte er seinen Bachelor-Abschluss in der Tasche, ein Studiensemester hatte er außerdem an der Singapore Management University in Asien absolviert. Seinen Berufseinstieg wollte der 23-Jährige noch um einige Zeit verschieben, um für neun Monate nach Lateinamerika zu gehen. Doch bevor der Bachelor-Absolvent seine Koffer packte, bewarb er sich noch bei verschiedenen Beratungen. "Ehrlich gesagt habe ich mich für das Einsteigerprogramm hauptsächlich deshalb beworben, um an einem Accessment-Center teilzunehmen." Einen Job wollte er nicht.

Doch nach dem Auswahlverfahren boten ihm die Berater von Roland Berger eine Stelle an, und der Student änderte kurzerhand seine Reisepläne, sagte ein Vorstellungsgespräch bei der Konkurrenz ab und begann im Oktober im Hamburger Büro von Roland Berger. "Ich sammle viel Praxiserfahrung und bekomme einen guten Einblick in die Beratung."

Nur zwei Tage verbrachte Gattner in der Münchner Zentrale mit einer allgemeinen Einführung, in der neben den Grundlagen der Beratung, Powerpoint und der Computerübergabe wenig Zeit für Theorie blieb. Die Bachelor-Absolventen beginnen schneller mit der Projektarbeit, denn ihre Kollegen mit Diplom durchlaufen eine zweiwöchige Einführung. Anschließend hieß es für ihn, die Krawatte anzulegen und in die Projektarbeit einzusteigen. Derzeit arbeitet er in Projekten des Public Managements mit. Im Berufsalltag fühlt er sich gut integriert. "Die Kollegen haben mir gegenüber keine Vorbehalte. Nur ein Kunde fragte mich gleich nach meinem Alter, aber das war eine ganz offene Atmosphäre. Akzeptanzprobleme habe ich keine."

Wie kommuniziere ich mit dem Kunden?

Im Oktober und November bearbeitete er mit Kollegen an einzelnen Modulen des Projekts, erstellte Präsentationen und Kalkulationen. Seit Dezember haben sich seine Aufgaben stark verändert. "Inzwischen habe ich mehr Verantwortung übernommen und betreue gemeinsam mit einem Kollegen das Projekt", erzählt der inzwischen 24-Jährige stolz.

Auch die interne Weiterbildung soll während des neunmonatigen Programms nicht zu kurz kommen. "Ein Strategieseminar und ein Kurs zur Kundenkommunikation gehören zu meiner Ausbildung; ich könnte zwar aus einem Weiterbildungskatalog noch weitere Kurse wählen, aber ich weiß nicht, ob ich das zeitlich einrichten kann", sagt Gattner.

Ein Mentor für das Master-Studium

Im Juni endet für ihn das Beraterleben. Zurück an die Hochschule für einen Master-Abschluss möchte er zwar auf jeden Fall, doch vorher soll es endlich nach Lateinamerika gehen. "Eine Bewerbung habe ich schon losgeschickt, Spanisch lerne ich auch schon intensiv." Diesmal möchte er sich von keinem Jobangebot von seiner Reise abhalten lassen. Doch der junge Berater plant schon für die Zeit danach: "Die Unternehmensberatung ist auf jeden Fall eine interessante Perspektive für mich."

Das Gehalt eines Bachelor-Absolventen bei Roland Berger ist gestaffelt. Zwar liegt es anfangs unter der Vergütung eines Diplomanden, doch nach sechs Monaten gibt es eine Erhöhung. Darüber hinaus ist eine Leistungsprämie Vertragsbestandteil. Das Beratungsunternehmen möchte mit den talentierten Jungberatern in Kontakt bleiben. Während ihres Master-Studiums steht den ehemaligen Mitarbeitern ein Mentor zur Seite, und nach einem erfolgreichen Studienabschluss ist ein Wiedereinstieg als Junior Consultant möglich.

Das Einstiegsprogramm für Bachelor-Absolventen der Boston Consulting Group erstreckt sich über zwei Jahre. "Wir wollen kein verlängertes Praktikum anbieten", betont Just Schürmann, für das Recruiting verantwortlicher Geschäftsführer, "sondern einen festen Einstieg für Hochschulabsolventen." Nur der auf zwei Jahre befristete Vertrag unterscheidet die Berufsanfänger mit Bachelor von denen mit einem Diplom. Von den ersten Bachelor-Einsteigern ist Schürmann begeistert. "Wir erhalten sehr gute Bewerbungen. Die meisten deutschen Kandidaten haben ihren Bachelor in England oder den USA erworben."

Zweijähriges Einstiegsprogramm bei Boston Consulting

Insgesamt wird das Recruitment komplizierter, davon ist Schürmann überzeugt. Denn bisher gab es klare Erfahrungswerte, welche Inhalte ein Diplomand mitbrachte, wenn er von einer bekannten Hochschule kam. Jetzt heißt es von neuem Lehrpläne studieren, mit Professoren und Studenten ausführliche Gespräche führen. "Manche Hochschulen bieten bei den Inhalten der Bachelor-Studiengänge auch Mogelpackungen. Wir sehen uns deshalb den Studienplan genau an", so Schürmann. Allerdings nutzten einige Hochschulen auch die Chance, ihr Angebot attraktiver und praxisnaher zu gestalten, ergänzt er.

An Bewerber mit Bachelor oder Diplom legt Boston Consulting die gleichen Maßstäbe an: "Ein hervorragendes Examen, Auslands- und Praxiserfahrung und eine engagierte Persönlichkeit", so Schürmann. In diesem Jahr sucht das Beratungsunternehmen rund 170 neue Mitarbeiter. Schürmann geht davon aus, dass darunter auch bis zu 20 Absolventen mit einem Bachelor-Abschluss sind.

Michael Drexelius begann im Oktober 2005 als einer der ersten Bachelor-Absolventen mit dem neuen Einstiegsprogramm, für April und Oktober 2006 stehen insgesamt 20 weitere Plätze zur Verfügung. Drexelius absolvierte nach dem Abitur zunächst eine Banklehre, bevor er an der Hochschule für Bankwirtschaft in Frankfurt am Main das berufsintegrierte Studium "Bachelor of Business Administration" aufnahm.

Arbeit und Studium im Wechsel

Vier Semester lang wechselten sich Arbeitsalltag und Studium ab. "An drei Tagen in der Woche arbeitete ich für das Bankhaus Metzler in der Handelsabteilung und im Portfolio-Management, an den anderen drei Tagen ging ich in die Universität", erinnert sich Drexelius an seine Sechs-Tage-Woche. "Wir hatten auch am Samstag Seminare und Veranstaltungen."

Doch die Hochschule für Bankwirtschaft sieht in ihrem Studienplan auch ein Auslandssemester vor. Kein Wunder also, dass es den fleißigen Studenten von Frankfurt nach Australien zog. Bereut hat er seine Entscheidung keineswegs, denn die Bond University in Queensland bot neben besserem Wetter auch ein attraktives Studienangebot und die Vorzüge eines ganz normales Studentenlebens.

Von Queensland nach Frankfurt

Nach dem Studienabschluss in Queensland wieder zurück in Frankfurt am Main, arbeitete Drexelius noch ein Jahr als Junior-Portfolio-Manager für die Privatbank Metzler. Doch nach insgesamt fünf Jahren Berufserfahrung in unterschiedlichen Banken wollte Drexelius einen neuen Karriereweg einschlagen: "Bereits in Australien war ich durch Studienfächer mit strategischen Themen in Berührung gekommen, und daran wollte ich anknüpfen."

Schließlich bewarb sich er sich bei Boston Consulting. Das zweijähriges Programm passte gut zur Berufsplanung des heute 27-Jährigen, denn anschließend möchte Drexelius statt des Master-Abschlusses einen MBA (Master oft Business Administration) absolvieren. Doch das ist noch Zukunftsmusik.

Nach zwei Wochen Schulungen begann Drexelius in der Beratung, bis April wird er noch im Banking-Umfeld arbeiten. "Für den Einstieg bin ich damit sehr zufrieden, denn die operativen Prozesse sind mir durch meine Vorbildung bekannt. Später möchte ich auch andere Branchen kennen lernen", erläutert er. Neben der Projektarbeit legt Boston Consulting viel Wert auf die Ausbildung; nach sechs Monaten wird Drexelius seine bisherigen Erfahrungen nochmals in einem Training vertiefen und Feedback für seine bisherige Arbeit erhalten.

Keine Zeit zum Durchatmen

Doch richtig viel Zeit zum Durchatmen bleibt ihm nicht. Denn schon sorgen Bewerbungsfristen für MBA-Programme für den nötigen Druck. "Ich möchte gerne nochmal ins Ausland gehen und dort meinen MBA machen." Neben einem Studium in den USA lockt Drexelius auch Spanien: "Dort könnte ich meine Sprachkenntnisse erweitern."