BenQ Mobile: Aderlass als Rettungsanker

19.10.2006
Für die rund 1.900 betroffenen Mitarbeiter naht politische Hilfe aus den Bundesländern. Das Unternehmen soll derweil komplett umgekrempelt werden.

Der insolvente Handy-Hersteller BenQ Mobile streicht rund 1.900 seiner 3.000 Stellen und will mit einem radikalen Unternehmensumbau sein Überleben sichern. Die harten Einschnitte seien erforderlich, um das Mobilfunkgeschäft über den 1. Januar 2007 hinaus zu erhalten, sagte der vorläufige Insolvenzverwalter Martin Prager am Donnerstag in München. "Es war ein schwerer Prozess, den wir durchgestanden haben, und wir haben uns die Entscheidung, Mitarbeiter in diesem Umfang abzubauen, nicht leicht gemacht." Mit der Neuausrichtung hoffe man nun aber, die übrigen rund 1.150 Arbeitsplätze halten zu können. Die Arbeitsminister Bayerns und Nordrhein-Westfalens sagten den betroffenen Beschäftigten unterdessen staatliche Unterstützung zu.

Künftig wolle sich das Unternehmen auf die Entwicklung und das Design von Mobiltelefonen für Auftraggeber mit eigener Marke konzentrieren. "BenQ Mobile ist von einem Weltunternehmen zu einem europäischen Unternehmen geworden, von einem Markenartikler zu einem Auftragsentwickler", sagte Prager. Die komplette Wertschöpfung des Unternehmens müsse neu strukturiert werden. Betroffen von den Einschnitten seien vor allem Beschäftigte in der Verwaltung, in Marketing und Vertrieb sowie in der Fertigung, wo die Mitarbeiterzahl jeweils um rund drei Viertel reduziert werde. Für die Suche nach einem Investor für BenQ Mobile zeigte sich Prager prinzipiell zuversichtlich. "Meine Einschätzung ist, dass die Gespräche in die richtige Richtung laufen."

Die ehemalige Siemens-Handysparte, die seit vergangenem Jahr die deutsche Tochter des taiwanesischen BenQ-Konzerns ist, hatte vor rund drei Wochen Insolvenz angemeldet, nachdem die Konzernmutter ihr den Geldhahn zugedreht hatte. Spekulationen über eine mögliche "Ausplünderung" der deutschen Tochter von Seiten der taiwanesischen Mutter trat Prager entgegen. Weder die Patentsituation noch das sonstige Verhalten der BenQ Corp. deute bisher darauf hin.

In der Zentrale von BenQ Mobile in München werden künftig rund 800 Mitarbeiter nicht mehr gebraucht, im nordrhein-westfälischen Kamp-Lintfort verlieren rund 1.000 Beschäftigte ihre Jobs. Ihnen wird zwar wegen des laufenden Insolvenzverfahrens nicht gekündigt, es gibt aber keine Arbeit mehr für sie. Die betroffenen Mitarbeiter, die laut Prager bereits jetzt nicht mehr beschäftigt werden können, sollen in Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen gehen. Später sei der Übergang in eine Transfergesellschaft geplant, die weit mehr als 100 Millionen Euro benötige. Über das Insolvenzgeld sei sicher gestellt, dass die Betroffenen weiter ihr Geld erhielten.

Die IG Metall sieht angesichts des massiven Stellenabbaus bei BenQ Mobile jetzt den früheren Besitzer Siemens noch stärker in der Pflicht. "Ein Weltunternehmen wie Siemens darf sich nicht aus jeglicher Verantwortung für die Menschen stehlen können", sagte Bayerns IG-Metall-Chef Werner Neugebauer. Laut Forderung der Gewerkschaft müssen alle Beschäftigten, die ihren Job bei BenQ Mobile verlieren, für ein Jahr in einer Qualifizierungs- und Vermittlungseinheit aufgefangen werden. Das Geld dafür solle Siemens stellen. Nordrhein-Westfalens IG-Metall-Chef Detlef Wetzel forderte vom Siemens-Vorstand ein 200-Millionen-Euro-Nothilfeprogramm, was der Elektrokonzern umgehend zurückwies. "Wir sind bislang die einzigen, die einen substanziellen Beitrag als Hilfe für die betroffenen BenQ-Mitarbeiter geleistet zu haben, ohne dazu rechtlich verpflichtet zu sein", erklärte das Unternehmen mit Blick auf den von Siemens bereit gestellten Hilfsfonds über 35 Millionen Euro.

Bayerns Arbeitsministerin Christa Stewens (CSU) und der Arbeitsminister von Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann (CDU), kündigten an, den betroffenen Beschäftigten solle "mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln" geholfen werden. Durch eine gezielte Weiterqualifikation und Beratungsangebote sollten den Beschäftigten neue Perspektiven und Chancen eröffnet werden. "Bayern und NRW werden, wenn nötig, die Hälfte der hierfür anfallenden Kosten übernehmen", hieß es. (dpa/ajf)