Codes of Conduct in deutschen Firmen

Benimm-Regeln für Mitarbeiter

23.06.2010 von Renate Oettinger
Ethik-Richtlinien finden in den Unternehmen immer stärkere Verbreitung. Sie können auch Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auslösen, sagt Dr. Christian Salzbrunn.

In amerikanischen Unternehmen sind Ethik-Richtlinien, auch "Codes of Conduct" genannt, bereits weit verbreitet. Auch deutsche Unternehmen machen zunehmend von solchen Richtlinien Gebrauch, in denen vonseiten des Arbeitgebers den Mitarbeitern verbindliche Verhaltensregelungen für den Arbeitsalltag (wie z.B. der Umgang mit den Kollegen oder die Annahme von Geschenken Dritter) vorgegeben werden. Solche Richtlinien sehen zudem oftmals die Verpflichtung der Mitarbeiter vor, Verstöße ihrer Kollegen gegen solche Verhaltensregelungen beim Arbeitgeber - meist anonymisiert - zu melden. Letzteres wird als "Whistleblowing" bezeichnet.

Quelle: Fotolia, Marem
Foto: Fotolia, Marem

Die Einführung solcher Ethik-Regelungen können in deutschen Unternehmen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auslösen. Dies folgt aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz), wonach der Betriebsrat bei allen Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen hat. In Bezug auf Ethik-Richtlinien, die eine Vielzahl von unterschiedlichen Regelungen enthalten können, stellte sich für das BAG nun die Rechtsfrage, ob eine Ethik-Richtlinie als Gesamtwerk bereits deswegen mitbestimmungspflichtig ist, nur weil es zum Teil mitbestimmungspflichtige Regelungen enthält oder ob eine Auftrennung in mitbestimmungsfreie und mitbestimmungspflichtige Teile möglich ist.

In dem entsprechenden Beschluss des BAG vom 22.07.2008 ging es um eine Ethik-Richtlinie, welche die Tochtergesellschaft eines amerikanischen Handelsunternehmens auch in den deutschen Betrieben einführen wollte. Denn die amerikanische Muttergesellschaft war aufgrund von börsenrechtlichen Vorschriften verpflichtet, ihre Ethik-Richtlinien konzernweit zu verwenden. Diese Ethik-Richtlinie enthielt unter anderem detaillierte Regelungen zu ungebührlichen Vorgesetztenverhältnissen, zur Gleichbehandlung, zur Vermeidung sexueller Belästigungen unter den Mitarbeitern und zu einem Recht des Arbeitgebers zur Überwachung von Computerdaten (sofern der Verdacht auf Verstöße gegen die Ethik-Richtlinie besteht).

Pflicht zum "Whistleblowing"

Des Weiteren enthielt die Ethik-Richtlinie eine "Whistleblowing-Klausel", wonach alle Mitarbeiter diesen Verhaltenskodex des Unternehmens genau befolgen sollten und etwaige Verstöße sofort melden müssten. Für den Fall der Nichtbeachtung dieser Regelungen wurden den Mitarbeitern Disziplinarverfahren bis hin zu Kündigungen angedroht.

Der Konzernbetriebsrat vertrat die Auffassung, dass die Einführung und die Anwendung der gesamten Ethik-Richtlinie seiner Mitbestimmung unterlägen. Dies ergebe sich daraus, dass schon allein die dort enthaltene Regelung zum Whistleblowing bereits mitbestimmungspflichtig sei. Das Hessische LAG schloss sich dieser Auffassung an und stellte in seinem Beschluss fest, dass allein die im Gesamtwerk enthaltene Meldepflicht in einer Art "Klammerwirkung" zu einer Mitbestimmungspflichtigkeit der gesamten Ethik-Richtlinie führe.

In der Revision stellte sich das BAG demgegenüber jedoch auf den gegenteiligen Standpunkt, wonach solche Ethik-Richtlinien sowohl mitbestimmungspflichtige Teile als auch mitbestimmungsfreie Teile enthalten könnten. Ein Mitbestimmungsrecht an einzelnen Teilregelungen der Ethik-Richtlinie begründe nicht gleich notwendig ein Mitbestimmungsrecht am Gesamtwerk. Insoweit bestehe nämlich kein Mitbestimmungsrecht bei solchen Vorgaben, die lediglich die geschuldete Arbeitsleistung konkretisieren, sondern nur bei solchen Regelungen, die die Gestaltung des Zusammenwirkens der Arbeitnehmer im Betrieb untereinander betreffen.

Dazwischen sei auch im Rahmen eines vom Arbeitgeber gewollten einheitlichen Regelungswerkes zu unterscheiden. Darüber hinaus stellte das BAG klar, dass Angelegenheiten, die gesetzlich bereits abschließend und zwingend geregelt sind, von vornherein der Mitbestimmung entzogen sind. Außerdem wies das Gericht auch noch darauf hin, dass die Verpflichtung ausländischer und börsennotierter Unternehmen zu einer konzernweiten Einführung von Ethik-Richtlinien die bestehenden Mitbestimmungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz nicht ausschließen können (BAG, Beschluss vom 22.08.2008, Az.: 1 ABR 40/07).

Weisungen sollten aufgeteilt werden

Auch wenn also nun feststeht, dass sich die Mitbestimmung des Betriebsrats nicht gleich auf eine gesamte Ethik-Richtlinie bezieht, sondern stets nur auf einzelne darin enthaltene Regelungen, bietet es sich an, eine solche Richtlinie in mitbestimmungsfreie Weisungen und mitbestimmungspflichtige Regelungen deutlich aufzuteilen. Dies hat den Vorteil, dass in Verfahren vor den Einigungsstellen eben nur noch über die mitbestimmungspflichtigen Teile gestritten werden kann, jedoch nicht mehr über die mitbestimmungsfreien Regelungen, wodurch diese sofort umgesetzt werden können. (oe)

Kontakt:

Dr. Christian Salzbrunn ist Rechtsanwalt in Düsseldorf.
Tel.: 0211 1752089-0, E-Mail: info@ra-salzbrunn.de, Internet: www.ra-salzbrunn.de