IT-Management

Benchmarks helfen bei der SOA-Planung

13.08.2008 von Bernd Seidel
Viele Unternehmen haben Schwierigkeiten, eine Service-orientierte Architektur (SOA) umzusetzen. Ein Benchmark kann helfen, den Ist-Zustand transparent zu machen und Handlungsoptionen zu finden. Wie das geht, erläutern der unabhängige Analyst Wolfgang Martin und Kai Nowak vom Beratungshaus Maturity Consulting.

CW: Wo stehen die Unternehmen bei der Implementierung einer SOA und wo liegen die Herausforderungen?

"Der Hype um das Thema SOA hat sich abgekühlt", beobachtet der Analyst Wolfgang Martin.

Martin: Zunächst einmal haben wir im Rahmen unseres jährlichen SOA-Checks festgestellt, dass sich der Hype um das Thema abgekühlt hat. SOA ist in den Unternehmen angekommen. Auf Seiten der IT wurden Hausaufgaben erledigt und man hat verstanden, dass SOA kein IT-Thema ist und, dass man eine SOA nicht von der Stange kaufen kann. Für mehr als die Hälfte der 58 befragten Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hat Serviceorientierung "sehr große" oder mindestens "große" Bedeutung. Zusätzliche 34 Prozent sehen eine mittlere Wichtigkeit. Zweidrittel der Unternehmen beschäftigen sich bereits seit zwei Jahren damit. Interessant ist, dass bereits fast jeder dritte Befragte SOA als Unternehmensarchitektur versteht, ein Zeichen dafür, dass sich SOA immer mehr über die reine IT hinaus ausbreitet. Ferner sind eine Reihe von neuen Berufsbildern entstanden: Service Engineer, Service Manager, Service Administrator und Service Composer sind die meist genannten. Soweit die guten Nachrichten.

CW: Und die schlechten?

Martin: Bei vier von zehn Projekten bleibt die Zielerreichung unter 50 Prozent, während nur rund 25 Prozent der Projekte ihre geplanten Vorgaben zu 80 Prozent und mehr erreichen (siehe auch: Warum SOA-Projekte schief gehen).

CW: Woran liegt das?

Martin: Die Vielfalt an Aufgaben und Möglichkeiten bei der Umsetzung von SOA macht Projekte so komplex. SOA betrifft die Organisation, die Strategie, Geschäftsprozesse und die technische Umsetzung. Serviceorientierung wirkt auf allen Ebenen. Deshalb müssen in vielen Bereichen und auf den unterschiedlichsten Ebenen Arbeiten erledigt werden. Die Unternehmen haben es bisher aber nicht verstanden, dass sie mit Hilfe von SOA-Governance genau dieses Zusammenspiel und die Rollenverteilung zwischen IT und den Businessbereichen regeln können und müssen. Konkret: Aufgaben wie sie Prozessdesigner und IT-Architekten wahrnehmen, finden keinen Gegenpart in den Fachbereichen. Gerade einmal 20 Prozent der Befragten wollen sich darum kümmern, nur knapp die Hälfte hat überhaupt Service-Level-Agreements (SLAs) definiert, um die Leistungsvereinbarungen zwischen IT und Fachbereich zu messen und zu fixieren. Wie soll man feststellen können, wann und wie mit SOA die Ziele erreicht werden, wenn keine vereinbart sind? Hier gibt es großen Nachholbedarf (siehe auch: Wie sich SOA-Projekte rechnen).

Nowak: Es ist eine komplexe Aufgabenstellung, eine gewachsene monolithische, engmaschig verzahnte Anwendungslandschaft in eine flexible und lose gekoppelte umzubauen. Das macht man nicht über Nacht. Hinzu kommt, dass Unternehmen weiterhin ihr Tagesgeschäft haben. Der Umbau der SOA passiert also quasi bei voller Fahrt. Man hat keine zwei Jahre Zeit, die Welt anzuhalten oder parallel alles neu zu machen; dazu fehlt das Geld.

CW: Was empfehlen Sie Unternehmen?

Nowak: Trotz der hohen Verbreitung und Akzeptanz, gehen viele Firmen SOA immer noch viel zu technisch an. Das muss aufhören. Es geht vielmehr darum, die Verantwortlichkeiten und Rollen im Sinne einer Governance und eines Service Lifecycle Managements neu zu verteilen, also das Zusammenspiel zwischen IT und Fachbereichen auf neue Füße zu stellen (siehe auch: Die zwölf SOA-Todsünden).

CW: Was konkret verstehen Sie unter Rollen?

Nowak: Eine SOA lässt sich klar in Services und Prozesse teilen. Hier gibt es beispielsweise auf Seiten der Fachbereiche immer noch zu wenige Prozessverantwortliche, die einen Gesamtüberblick über vollständige Abläufe (End-to-end) haben Der SOA Check von Wolfgang Martin Team hat gezeigt, dass nur fünf Prozent der Unternehmen Prozessmanager aus den Fachbereichen installiert haben. Das ist zu wenig. Prozessbrüche sind heute dagegen gang und gäbe. In den IT-Abteilungen sind die Verantwortlichkeiten schon klarer geregelt. Das mag daran liegen, dass dort in den vergangenen Jahren Themen wie ITIL und Serviceausrichtung verstärkt angegangen wurden.

CW: Sie empfehlen Unternehmen einen SOA-Benchmark, um den Reifegrad bestimmen zu können. Was genau verstehen Sie darunter?

Nowak: Um festzustellen wo man als Unternehmen steht, gibt es zwei Anhaltspunkte. Erstens: wo möchte ich hin und wie sieht ein Weg aus, den die Klassenbesten beschritten haben? Auf neudeutsch geht es dabei um "Best Practice". Zweitens: Wo stehe ich auf diesem Weg, also wie ist der Reifegrad meines Unternehmens? Ist beispielsweise meine Organisation für SOA aufgestellt, habe ich eine Roadmap, existiert ein Service-Management, habe ich mir Gedanken zur Migration und zur Governance gemacht? Wenn diese beiden Eckpfeiler - Ziel und aktueller Status - klar sind, weiß ich als Unternehmen sehr genau wo die Schwachstellen sind (siehe auch: SOA Maturity in der Praxis).

CW: Das ist leichter gesagt als getan. Die Zieldefinition mag ja noch machbar sein, aber das Problem vieler Unternehmen ist doch, Kennzahlen über den Ist-Zustand zu berücksichtigen, die sie eigentlich gar nicht haben. Die Wenigsten verfügen über Prozesskennzahlen und vor dem Erheben solcher Werte schrecken viele zurück.

Nowak: Entscheidend ist, den Unternehmen genau diese Arbeit nicht aufzuhalsen. Wenn die Zahlen im Tagesgeschäft nicht erhoben werden, setzen sich die wenigsten hin und analysieren die Daten nur für einen Benchmark - das ist richtig. Fragen nach dem Reifegrad der IT in Zusammenarbeit mit dem Business etwa können die wenigsten beantworten - daher ist ein Interview-Konzept sinnvoll. In unseren Projekten erörtern wir solche Fragen in Vier-Augen-Gesprächen und Workshops; dabei erheben wir auch die Daten. Das ist sehr individuell und erlaubt es auch, zwischen den Zeilen zu hören. Gerade an Punkten wie der Kommunikation zwischen Unternehmensbereichen, die für SOA immens wichtig sind, kann man aus einem Interview viel mehr erfahren, als mit einem vorgefertigten Fragebogen. Bei der Methode wird schnell das Kreuz weiter rechts oder weiter links gemacht.

CW: Aber ganz ohne Aufwand wird es nicht gehen.

Nowak: Natürlich nicht. Die Erfahrungen haben allerdings gezeigt, dass die Interview-Techniken rund 60 Prozent des Aufwands gegenüber herkömmlichen Methoden einsparen.

CW: Um die Leistungsfähigkeit und den Reifegrad einer SOA nachzuweisen, wäre es unerlässlich, die Performance der Fachprozesse zu messen, denn schließlich soll SOA dort ankommen.

Martin: Das ist sicher richtig, aber schwierig. Ein guter Anhaltspunkt für die effiziente Gestaltung von Geschäftsabläufen bietet eine Analyse der Prozessmodellierung. Verwenden Unternehmen zur Beschreibung von Prozessen Verfahren wie Swimlanes, lässt sich sehr schnell feststellen, ob sauber modelliert wurde oder nicht. Denn anhand der einzelnen Swimlanes lassen sich sehr schnell Übergaben, Medien- und Prozessbrüche darstellen. Das sagt etwas über die theoretische Qualität von Prozessen aus, wie diese aber dann in der Praxis ausgeführt werden, ist nicht Aufgabe eines Benchmarks. Untersucht wird von uns, wie weit Unternehmen in den Punkten Organisation, Service-Management, Migration, Service-Standardisierung und Governance fortgeschritten sind.

CW: Wie sieht das konkret aus?

Nowak: Auf einem fünfstufigen Reifegradmodell wird der Fortschritt abgetragen. Anhand von Fragenkatalogen werden die Werte bestimmt und der jeweilige Reifegrad festgelegt. Diese Ergebnisse lassen sich mit anderen Unternehmen aus der gleichen Branche oder auch anderen Branchen vergleichen. So wird deutlich, wie weit die Roadmap entwickelt ist und wo Handlungsbedarf besteht.

CW: Wie kann eine Best-Practice-Roadmap überhaupt funktionieren? Unternehmen sind doch sehr verschieden.

Martin: Man beginnt mit unterschiedlichen Voraussetzungen. Die Frage ist beispielsweise, ob eine Organisation Standardsoftware nutzt, die Netze konsolidiert hat, Managed Services einsetzt und eine Prozessorganisation aufgebaut hat. Aufgrund des Ist-Zustand haben Unternehmen unterschiedliche Startpunkte auf der Roadmap. Und das bestimmt den Aufwand für den weiteren Weg. Die Roadmap ist allgemein gültig, wie schnell jedoch die einzelnen Phasen durchlaufen werden können, hängt vom Ist-Zustand ab. (wh)

Mehr zum Thema SOA und Business-Process-Management finden Sie im CW-Experten-Blog SOA meets BPM.