Benchmarking: Sich an den Besten messen

11.08.2004 von Joachim Hackmann
Die Aussagekraft von Benchmarking-Ergebnissen schwankt je nach Detaillierungsgrad der Vergleichsdaten. Je genauer die Erhebung durch einen Dienstleister ist, desto teurer wird sie. Im CIO-Circle organisierte Anwender greifen deshalb zur Selbsthilfe und vergleichen sich untereinander.

Benchmarking ist Wettbewerb mit den Besten. Weil IT-Umgebungen sich aber fortwährend ändern, sollte auch das Benchmarking regelmäßig erfolgen. Die Non-Profit-Organisation American Productivity Quality Center (APQC) formulierte eine entsprechende Empfehlung folgendermaßen: "Benchmarking ist der kontinuierliche Prozess, außergewöhnlich gut implementierte Verfahren und Abläufe von weltweit ansässigen Unternehmen zu erkennen, zu verstehen und anzunehmen, um die Leistungsfähigkeit der eigenen Organisation zu verbessern."

Argumentationshilfe gegen Outsourcing

Diese Definition gefiel Torsten Niemietz, CIO der Nordzucker AG in Braunschweig, so gut, dass er sie in das IT-Strategiepapier seines Unternehmens übernahm. "Wir nutzen das Benchmarking zur eigenen Standortbestimmung. Wir wollen sehen, wie effizient unsere IT arbeitet", erläutert der IT-Manager seine Beweggründe. Offensichtlich recht effizient: Eine erste Einschätzung ergab, dass Nordzucker mit einem IT-Budget in Höhe von nur einem Prozent des Gesamtumsatzes eine schlanke IT-Organisation unterhält.

Zunehmend werden die Benchmarking-Dienstleister auch im Rahmen von Outsourcing-Projekten zu Rate gezogen. Auftraggeber sind oft die Controller oder Finanzvorstände, die der Leistungsfähigkeit ihrer IT misstrauen und die internen Preise mit externen Offerten vergleichen wollen. Allerdings werden auch IT-Abteilungen als Auftraggeber mit einer gegenläufigen Motivation vorstellig. Sie erhoffen sich Argumentationshilfe für den Verbleib des Betriebs im Hause. "Wenn die Unternehmensführung Outsourcing-Überlegungen anstellt, dann müssen die internen IT-Dienstleister schon sehr gut begründen, warum bestimmte Dienste weiterhin intern erbracht werden sollen", schildert Wolfgang Benkel von der Meta Group.

Schlanke IT durch homogene Landschaft

Das gelingt selten, denn die wenigsten IT-Abteilungen unterhalten laut Benkel wettbewerbsfähige Strukturen und Prozesse. Im vergangenen Jahr bearbeitete Benkel mehrere Fälle, in denen die IT-Abteilung aus den geschilderten Gründen ihren Desktop-Betrieb durchleuchtete. Nur eine Installation arbeitete effizienter als externe Dienstleister. "Bei einem derartigen Commodity-Service kann meiner Meinung nach ein optimal aufgestellter interner Dienstleister immer kostengünstiger produzieren als ein externer Provider. Der Outsourcer muss aufgrund seiner Nebenkosten und Margen mindestens 20 Prozent besser sein als eine interne IT-Abteilung", meint der Meta-Group-Experte.

Nicht um das Outsourcing-Gespenst zu vertreiben, sondern um eine schlanke und effiziente Umgebung betreiben zu können, setzt der TÜV Nord seit 1999 auf eine konsequente Homogenisierung seiner IT-Installation. Im Rahmen von wiederkehrenden Vergleichen mit anderen Unternehmen hat sich gezeigt: "Im Kostenvergleich schneiden wir günstiger ab als ein Outsourcer", freut sich Gunnar Thaden, IT-Leiter der TÜV Nord Gruppe in Hamburg und Hannover. Das Ergebnis wird gestützt durch ein mit Gartner betriebenes Benchmark-Projekt. Mit diesem unterzog Thaden die Entscheidung, eine ausschließlich auf Microsoft- und SAP-Produkten basierende Landschaft zu gestalten, einer Nachkalkulation. Die Gartner-Software TCO Analyse 5.1 bestätigte den Erfolg des Projekts. Die direkten Kosten der TÜV-Nord-Umgebung lägen um rund 15 Prozent unterhalb einer vergleichbaren Systemwelt. Im Vergleich der indirekten Kosten unterbot der IT-Bereich den mittleren Vergleichswert sogar um rund 40 Prozent. Dies, so das Ergebnis der Gartner-Studie, sei vornehmlich der geringen Komplexität zu verdanken.

Dass Benchmarker wie beim TÜV Nord und bei Nordzucker keinen Anlass zu Kritik sehen, ist keineswegs üblich. "Wir haben zur Markteinführung unseres Service vor rund zwei Jahren damit gerechnet, bei Unternehmen auf ein Verbesserungspotenzial von allenfalls drei bis vier Prozent zu stoßen", schildert Ralph Treitz, CEO von VM Solutions aus Heidelberg, einem auf das Benchmarking von SAP-Umgebungen spezialisierten Anbieter. "Tatsächlich liegt es erheblich höher. Oft sind die Installationen zwar sehr gut aufgesetzt, doch reißen wenige unsaubere Implementierungen große Löcher ins Budget." Das können beispielsweise falsche Filterregeln für die Sammlung von Daten sein, wodurch das SAP-System erhebliche Mengen an Belegen erzeugt. Oder man trifft auf sich funktional überschneidende Systeme, die sich konsolidieren ließen.

In der Regel wollen die Anwender genau solche Hinweise auf Schwachstellen erhalten, denn Benchmarking ist teuer. Die Investitionen sollen sich dadurch bezahlt machen, dass die auf das Projekt folgenden Empfehlungen umgesetzt werden, so dass die Betriebskosten sinken und die Qualität steigt.

Während VM Solutions auf eine automatische Analyse der IT-Umgebung setzt, erfassen Anbieter wie Gartner, Compass und Meta Group die IT-Installationen häufig mittels Fragebögen. Vor allem die Datensammlung kostet auch auf Anwenderseite Geld und Zeit, weil viele erforderliche Angaben nicht eindeutig dokumentiert sind und mühsam rekonstruiert werden müssen. "Die Erhebung von sechs Benchmarking-Zahlen hat mich zwei bis vier Manntage gekostet", beschreibt Nordzucker-CIO Niemietz den Aufwand. Zum Teil betreffen die Angaben lediglich die Stromkosten. In vielen Konzernen werden sie nicht auf die Kostenstellen umgelegt, doch für eine aussagekräftige Einordnung des IT-Budgets müssen die Energiekosten in die Aufwandsberechnung einfließen.

Angriff auf die Benchmarker

Hinzu kommt, dass sich die Provider ihre Dienste gut entlohnen lassen. Für Niemietz und rund 30 weitere Kollegen aus der mittlerweile über 300 Mitglieder umfassenden Anwendervereinigung CIO-Circle Anlass genug, zur Selbsthilfe zu schreiten. Sie haben die Arbeitsgruppe "IT-Benchmarking" ins Leben gerufen und dort mittlerweile die Profile von knapp 40 Anwenderunternehmen hinterlegt. "Allein die Kenngröße ,Umsatz‘ hat für enormen Klärungsbedarf gesorgt. Ist der Umsatz in Deutschland oder in Deutschland, Österreich und der Schweiz gemeint? Sollen wir den Netto- oder den Brutto-Umsatz zugrunde legen?", zählt Niemietz auf.

Zurzeit werden noch Daten gesammelt. Ziel ist es, eine Datenbank mit rund 150 Unternehmen und deren Vergleichswerten aufzubauen. Erst damit ließen sich aussagekräftige Zahlen präsentieren, die auch die Eigenheiten der verschiedenen Branchen widerspiegelten. "Wir sind schon jetzt beeindruckt davon, was sich alles praktisch zum Nulltarif bewerten lässt", sagt Niemietz. In einem nächsten Schritt plant die Anwendervereinigung eine Best-Practices-Reihe, in der Teilnehmer ihre Verbesserungsprojekte vorstellen.

Wirklich objektiv?

Den Stein der Weisen haben die Anwender vom CIO-Circle damit allerdings auch nicht gefunden. Während die Vermessungsprojekte der externen Dienstleister teuer und aufwändig sind, verleitet das freiwillige, kostenfreie und nur auf Selbstinitiative beruhende Benchmarking-Verfahren des CIO-Circle dazu, es mit der Objektivität nicht ganz so genau zu nehmen. Die Erhebungen von Gartner, Meta Group und Co. enthalten Validierungsfragen, um die Richtigkeit der Angaben der Anwender zu überprüfen. Dieses Kontrollinstrument fehlt dem freiwilligen Verfahren. Zudem verpflichtet das teure externe Engagement dazu, Hinweise auf Verbesserungspotenziale auch ernst zu nehmen.

Benchmarking-Verfahren

IT-Budget-Benchmarking: Die Marktforschungsabteilungen von Unternehmen wie Gartner, Forrester und Meta Group veröffentlichen regelmäßig ihre IT-Budget-Reports. Darin ist aufgelistet, wie hoch die IT-Aufwendungen gemessen am Umsatz in den einzelnen Branchen sind. Zum Teil weisen sie auch Daten wie Kosten pro PC und Jahr oder Kosten pro SAP-Arbeitsplatz und Jahr sowie IT-Investitionen aus, jeweils bezogen auf die Jahreseinnahmen.
IT-Kosten-Benchmarking: Das reine Kosten-Benchmarking hat seinen Ursprung in der Großrechnerwelt, als die Installationen strukturell noch gut vergleichbar waren. Damals wurden gesamte Kostenblöcke wie Hardware, Softwarelizenzen oder Personalkosten miteinander verglichen. Für die Anwender war das insbesondere deshalb interessant, weil IBM keine Preislisten veröffentlichte, so dass die Käufer bei den Preisverhandlungen kaum Orientierungspunkte hatten. Hier haben auch bekannte Benchmarker wie Compass und Real Decision (heute Gartner) ihre Wurzeln.
IT-Service-Benchmarking: Im Zuge des Outsourcing-Trends benötigen die Anwenderunternehmen Vergleichsdaten für IT-Services. Ziel ist es, die Kosten für die intern erbrachten Dienste mit den Servicepreisen externer Anbieter zu vergleichen. Die Zuordnung ist schwierig: Zunächst müssen Warenkörbe samt Qualitätsanforderung definiert, dann Hardware-, Software- und Personalkosten den einzelnen Diensten zugeordnet werden. IT-Service-Benchmarking betreiben heute alle Anbieter. Dazu zählen neben den üblichen Verdächtigen wie Gartner, Meta Group und Compass auch Anbieter wie Maturity (von Ex-Gartner-Mitarbeitern gegründet).

An einem Problem haben sich bis dato aber alle Anbieter die Zähne ausgebissen: Es gibt bislang kein erprobtes Verfahren, um den Wertbeitrag der IT für das Kerngeschäft zu ermitteln. Gartner hat dazu zwar den Ansatz "Total Value of Opportunity" (TVO) formuliert, die praktische Umsetzung verläuft allerdings holprig. "IT-Investitionen sind kritische Erfolgsfaktoren, werden aber immer nur unter Kostenaspekten betrachtet", bemängelt Thaden vom TÜV Nord, der Gartners TVO-Modell derzeit erprobt. "Welchen Wertschöpfungsbeitrag die IT liefert, ist nicht eindeutig darstellbar." Bislang ist der IT-Bereich im TÜV Nord noch auf Basis der Gartner-Methode in der Erhebungsphase. Die Experten sind aber bereits zu der Erkenntnis gelangt, dass die zu betrachtenden Prozesse in kleine Einheiten zerlegt werden müssen, um brauchbare Ergebnisse zu erzielen. Auch hier gilt die Empfehlung, Benchmarking als langfristigen Prozess zu begreifen. "Wir benötigen sicher noch ein Jahr, um eine Antwort auf die Frage nach dem Wertbeitrag zu finden", vermutet Thaden.