Gontard & Metallbank AG archiviert auf Mietbasis

Belege verwalten lassen

14.09.2001
Informationen aus Kundenunterlagen nutzen, ohne sich um deren Verwaltung kümmern zu müssen - dieses Vorhaben setzt das Frankfurter Bankhaus Gontard & Metallbank mit Applications-Service-Providing um. von Matthias Schlierkamp*

Wer im Bankgeschäft seine Klienten schnell, kompetent und zuverlässig beraten will, muss dazu alle Unterlagen des Kunden sofort griffbereit haben. Die Frankfurter Gontard & Metallbank Aktiengesellschaft entschloss sich deshalb Mitte letzten Jahres, auf ein elektronisches Archivsystem für die Verwaltung der Kundenunterlagen in der Abteilung Privatkunden umzusatteln. Bislang waren dort lediglich ein klassisches Papierarchiv sowie Microfiche im Einsatz. Das täglich wachsende Papiervolumen und die langen Recherchezeiten machten die herkömmliche, papiergebundene Dokumenten-Verwaltung ineffizient.

Da sich das 1999 aus der Metallbank und dem Bankhaus Heinrich Gontard entstandene Unternehmen zukünftig ausschließlich auf sein Kerngeschäft konzentrieren will, sind bereits mehrere Bereiche der Bank-IT an die T-Systems GmbH in Frankfurt ausgelagert. Auch für das neue Archiv suchte man nach einer ganzheitlichen Lösung auf Outsourcing-Basis. Kernanforderung war die Möglichkeit zum dezentralen Zugriff auf alle Kontounterlagen von den drei Standorten Frankfurt-City, Heddernheim und Zeppelinheim aus. Darüber hinaus sollte die Lösung neben Dokumenten auch digitale Informationen verarbeiten und darstellen können. Weitere zentrale Anforderungen an das neue Archivsystem waren Revisionssicherheit, Verfügbarkeit und eine hohe Performance.

Mit diesem Anliegen trat die Gontard & Metallbank zunächst an die PMC Datenerfassung GmbH mit Hauptsitz in Heusenstamm bei Franfurt heran. Das Dienstleistungsunternehmen beschäftigt sich mit dem Scannen, Indizieren sowie Archivieren von Belegen aus dem Bankenumfeld und

Best of breed

arbeitet bereits seit langem mit dem Geldinstitut zusammen. PMC kontaktierte daraufhin die Tria E-Doc GmbH, um einen Partner für die Konzeption und Realisierung der Archivlösung an seiner Seite zu haben. Der IT-Dienstleister aus Weilerswist bei Köln ist seit langem auf die Umsetzung komplexer Dokumenten-Management-Systeme (DMS) spezialisiert und hatte schon einige Projekte mit PMC umgesetzt. Tria E-Doc baut dabei seit jeher auf das Component-Ware-Modell: Soft- und Hardwarekomponenten verschiedenster Hersteller werden hierbei so zusammengestellt, dass sie in der Kombination eine umfassende Gesamtlösung ergeben.

Der Startschuss für das Projekt fiel im Mai 2000. Zusammen mit dem Datenerfassungsspezialisten PMC aus Heusenstamm bei Frankfurt und der Tria E-Doc GmbH aus Weilerswist bei Köln erarbeitete die Gontard & Metallbank ein detailliertes Pflichtenheft. "PMC sollte in diesem Projekt als Application Service Provider agieren und als externer Dienstleister die gesamte Archivierung der Belege aus dem Privatkundenbereich eigenständig abwickeln", informiert Siegfried Baumhakl, Innenleiter bei der Gontard & Metallbank. Tria E-Doc war im Rahmen der Generalunternehmerschaft für das Projektmanagement, die Installation der verschiedenen Hard- und Softwarekomponenten sowie für die Schulung und Betreuung der PMC-Mitarbeiter verantwortlich. Für die Realisierung des Projekts suchte Tria E-Doc Standardkomponenten verschiedener Hersteller aus und führte sie zunächst im eigenen Haus zusammen. Bevor die Lösung bei PMC in den Pilotbetrieb gehen konnte, musste sie bei dem

Dienstleister umfangreiche Testreihen erfolgreich bestehen.

Bereits wenige Tage nach der Abnahme begann die Installation der Komponenten in der Waltershausener Niederlassung von PMC. Das Herzstück der Lösung "ASP-Archiv" bilden die Middleware "Arcextender Enterprise Web Application Server" und der "Asone Document Server". Der Asone Document Server ist das Standard-Archivierungs-Backend der Asone Archivierungs-Systeme AG, das bis zu 255 Billionen Dokumente verwaltet und sich mit Hilfe eines intelligenten Application Programming Interface (API) in andere Anwendungen einbinden lässt. Der Arcextender dient als Standard-Middleware der Digisys Digitale Systeme GmbH.

Die Kombination der beiden Produkte hatte Tria E-Doc bereits zuvor als Basistechnologie für leistungsfähige Archivsysteme eingesetzt. Als Vorteile erwiesen sich dabei die Integrationsfähigkeit und der Leistungsumfang, zu dem beispielsweise eine weitreichende Benutzerverwaltung oder ein schnelles Disaster Recovery gehören. Zudem lässt sich die Software leicht administrieren und bietet eine gute Performance sowohl in der Archivierung als auch im Retrieval. Als Frontend kommt ein Standard-Web-Browser zum Einsatz. Der Arcextender Enterprise Web Application Server ermöglicht Zugriff auf den Asone Document Server mittels Internet-Technologie.

Hardwareseitig baute man ein Cluster-System mit Aktiv-/Passiv-Clustering auf zwei Compaq-Server-Racks auf, um für Sicherheit beim Ausfall eines Servers zu sorgen. Für die revisionssichere Langzeitarchivierung der Bankbelege steht eine Write-Once-Read-Multiple-(WORM) Jukebox von Plasmon mit 100 Slots à fünf Gigabyte Speicherplatz bereit. Sie wird von der Storage-Server-Software "Smartstor Jukeman" von OTG Smart Storage angesteuert und verwaltet.

"Auch wir hatten inzwischen eine Reihe von Vorbereitungen getroffen: Über 250 000 Belege aus Kontounterlagen von 20000 Kunden wurden für den Testlauf vorbereitet, damit PMC diese scannen, erfassen und archivieren konnte", so Baumhakl. In

Vierzig Belegarten

der Privatkundenabteilung der Gontard & Metallbank fallen insgesamt rund vierzig verschiedene Belegarten wie beispielsweise allgemeine Kontounterlagen, Zahlungsverkehrsbelege, Vollmachten sowie Orderbelege und Wertpapierabrechnungen an. Diese verwaltet das neue System in sieben Archivtypen. Während der Pilotphase arbeiteten zunächst 50 ausgewählte Mitarbeiter mit dem System. Zukünftig sollen weitere 150 Arbeitsplätze von der Abwicklungsabteilung bis hin zum Vorstand für den Zugriff auf das Archiv freigeschaltet werden. Derzeit bereiten die Mitarbeiter des Geldinstituts täglich rund 5000 neue Dokumente zunächst so auf, dass PMC die Belege erfassen und archivieren kann. Das Dienstleistungsunternehmen verfügt über einen eigenen Kurierdienst, der die Belege bei allen drei Geschäftsstellen abholt und in verplombten Behältern nach Waltershausen transportiert. Dort werden die Informationen digitalisiert und indexiert und stehen den Mitarbeitern des

Geldinstituts noch am gleichen Tag im Archiv zur Verfügung. Für die Reduzierung der Indizierkosten sorgt ein Datenbankabgleich mit einem Extrakt der Datenbank der Gontard und Metallbank. Bei der Indexierung wird nach der manuellen Erfassung einer bestimmten Kontonummer automatisch der Name und Vorname des Kontoinhabers ergänzt.

Indizierkosten senken

Darüber hinaus übermittelt die Gontard & Metallbank auch Druckdaten beispielsweise von Wertpapierabrechnungen und Überziehungslisten an PMC. Nach einer anschließenden Datenarchivierung per Computer Output to Laser Disk (Cold) kann der Benutzer den List-Output direkt im Archivsystem abrufen. Sämtliche Cold-Prozesse werden hierbei über den Aecold Systemdienst von Arcextender abgewickelt.

Nach der Erfassung der Belege schreibt PMC alle Informationen zunächst in den Cache des Compaq-Server-Systems und speichert jeweils einen identischen Datensatz auf ein WORM-Medium. "Alle lebenden Kontounterlagen müssen permanent sekundenschnell verfügbar sein - deshalb bleiben sie zunächst für drei Monate im Cache. Erst nach dieser Frist werden die Daten vom Server gelöscht und dann bei einer Suche automatisch von der WORM-Jukebox zur Verfügung gestellt", berichtet der Innenleiter. "Andere Belege, die eher selten im Zugriff sind, verweilen nur rund 14 Tage auf der Server-Festplatte."

Um gespeicherte Dokumente im ASP-Archiv zu suchen, wählt sich der Mitarbeiter zunächst über seinen Web-Browser bei einer bestimmten Internet-Adresse ein. Dabei nutzt er eine Datendirektverbindungs-Leitung (DDV) zwischen PMC und der Gontard & Metallbank, für die er sich zunächst mit Login und Passwort beim Arcextender autorisieren muss. Die nicht öffentliche Punkt-zu-Punkt-Leitung bindet alle drei Standorte der Bank an das ASP-Archiv bei PMC an.

Zum Schutz vor unberechtigten Zugriffen dient ein Firewall-System. Darüber hinaus verschlüsselt man die sensiblen Daten zusätzlich nach dem 128-Bit-SSL-Standard, um möglichst hohe Datensicherheit zu gewährleisten. Erst nach der Authentifizierung kann der User dann, seinen vorher festgelegten Zugriffsrechten gemäß, archivierte Belege ansehen und ausdrucken. Dabei werden die Daten mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von 2 Megabit pro Sekunde auf den Bildschirm des Users transportiert. Dokumente im Cache erscheinen innerhalb von drei Sekunden auf dem Monitor. Beim Zugriff auf WORM-Medien beträgt die Retrieval-Zeit rund 30 Sekunden.

Baumhakl ist insbesondere von der anwenderfreundlichen Recherche überzeugt. "Jeder Mitarbeiter, der schon mal mit einem Standard-Internet-Browser gearbeitet hat, kann auch Dokumente im ASP-Archiv recherchieren.

Tägliche Sicherung

Da das Archiv auf ASP-Basis umgesetzt ist, bestehen besondere Sicherheits- und Verfügbarkeits-Anforderungen. Zum einen wird ein RAID-System (Festplattensystem) der Stufe eins mit insgesamt 22 Festplatten à 18 Gigabyte auf dem Compaq-Mainserver-Rack eingesetzt. So können die Benutzer selbst dann noch mit dem ASP-Archiv arbeiten, wenn bis zu drei Festplatten defekt sind. Somit ist ein effizientes Disaster Recovery möglich.

Darüber hinaus wurde auf den beiden Servern ein umfassendes Failover-Cluster-System aufgebaut. Ein Glasfaser-Kabel verbindet die beiden Compaq-Rechner miteinander. Werden Informationen auf dem Mainserver gespeichert, schreibt er einen identischen Datensatz auf den Backup-Rechner. Dies bedeutet, dass alle Daten permanent gespiegelt und aktuell vorliegen. Eine Daten-Vollsicherung führt der ASP einmal täglich mit Hilfe von zwei Bandlaufwerken mit jeweils bis zu 700 Gigabyte Speicherkapazität durch. Darüber hinaus tragen die zusätzliche Speicherung auf optischen Medien (WORM) sowie eine unterbrechungsfreie Stromversorgung zur hohen Verfügbarkeit der Informationen bei.

Um vor Ausfällen durch höhere Gewalt gewappnet zu sein, erstellt PMC täglich so genannte "selbsttragende Archive" auf CD-ROM, die den aktuellen Tagesbestand umfassen. Diese Datenträger bekommen alle drei Geschäftsstellen der Gontard & Metallbank ausgehändigt. "Nach dem Einlegen einer CD-ROM am Arbeitsplatz öffnet sich automatisch ein speziell entwickelter Recherche-Client, der eine direkte Suche im Bestand des Datenträgers ermöglicht", sagt Baumhakl. Die Offline-Recherche in den selbsttragenden Archiven garantiert der Gontard & Metallbank eine hundertprozentige Verfügbarkeit aller archivierten Belege. "Selbst wenn bei PMC das gesamte System ausfällt, stehen uns alle relevanten Informationen immer noch auf CD-ROM zur Verfügung", erläutert Baumhakl.

Seit Mai 2001 ist das ASP-Archiv im Produktivbetrieb. Siegfried Baumhakl war schon bei der Einführung zuversichtlich: "Bereits in der Pilotinstallation hatte sich gezeigt, dass das neue System allen Anforderungen gerecht wird. Angefragte Dokumente stehen in wenigen Sekunden zur Verfügung. Aus diesem Grund konnten unsere Mitarbeiter bereits in der Testphase viel schneller reagieren - sehr zur Zufriedenheit unserer Kunden."

Die Umsetzung der Lösung nach dem ASP-Modell bietet dem Geldinstitut eine Reihe von Vorteilen. Zum einen muss sich die Bank nicht um qualifiziertes Personal für die Administration des Systems bemühen. Weiterhin sorgt die Component-Ware-Lösung für Investitionsschutz, weil das System problemlos erweiterbar ist. Zu jedem späteren Zeitpunkt lassen sich Komponenten austauschen oder neue hinzufügen.

Getreu dem Motto von Application Service Providing "Mieten statt Kaufen" zahlt die Bank für das leistungsfähige Archivsystem lediglich einen monatlichen Mietpreis. Dabei wird das Erfassen der Dokumente pro Stück berechnet. Eine fixe Monatspauschale deckt darüber hinaus die Kosten für die Recherche-Transaktionen der zugriffsberechtigten Mitarbeiter ab.

Hieraus ergeben sich konstante, kalkulierbare Investitionen, die sich nach Berechnungen der Bank bereits nach 18 Monaten amortisieren werden.

* Matthias Schlierkamp ist freier Journalist in Dortmund.

Portrait Die Gontard & Metallbank ist eine Privat- und Investmentbank mit Sitz in Frankfurt, die zu Beginn des Jahres 1999 durch die Verschmelzung der beiden Frankfurter Bankhäuser Heinrich Gontard & Co. AG (gegründet 1726) und Metallbank GmbH (gegründet 1906) entstand. Sie betreut Börsenkandidaten bei der Realisierung von Kapitalmaßnahmen sowie bei der Durchführung der Emission und der Aktienplatzierung. Die Aktiengesellschaft erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2000 einen Gewinn von rund 26,7 Millionen Euro nach Steuern und beschäftigt heute 220 Mitarbeiter an drei Standorten.