Beim Thema ISO 9000 scheiden sich die Geister Die Qualitaet von Seminaren laesst sich nicht eindeutig bestimmen

10.03.1995

DUESSELDORF (hk) - Zertifizierung ja oder nein - Schulungsanbieter sind mehr denn je verunsichert. Die gut besuchten Veranstaltungen zum Thema Qualitaets-Management auf der Bildungsmesse "Didacta" trugen aber eher zur Verunsicherung denn zur Klaerung bei.

Entwaffnend ehrlich zeigte sich Wolfgang Brinkwerth auf einer Podiumsdiskussion anlaesslich der Didacta. Auf die Frage, ob ihn die ISO-9000-Zertifizierung bei einem Schulungsanbieter interessiere, antwortete der Bildungschef des Chemieriesen BASF, dass er vor allem die Preise in Relation zur angebotenen Qualitaet betrachte. Und damit auch jeder versteht, was gemeint ist, ergaenzte er: "Ich bin nicht bereit einen Mehrpreis zu bezahlen, dafuer dass ein Schulungsinstitut zertifiziert ist." Im uebrigen, so seine Erfahrung, haben sich die Mitarbeiter von zertifizierten Unternehmens nicht veraendert.

Lothar Hofmann, Praesident der Open Training Association (OTA), eines Vereins, in dem vor allem DV-Hersteller vertreten sind, meinte denn auch, dass es fuer kleine Anbieter keinen Sinn mache, fuer viel Geld ein ISO-Siegel anzustreben. "Was soll denn bei einem Unternehmen mit weniger als zehn Beschaeftigten zu zertifizieren sein?" fragte er in die Runde. Wenn so ein Betrieb seine Prozesse nicht im Griff habe, seien die Ueberlebenschancen sowieso gering. Dem widersprach Horst Fuhr, Geschaeftsfuehrer der Deutschen Gesellschaft fuer Qualitaet in Frankfurt am Main. "Wenn der Markt ISO 9000 verlangt, muss sich jeder, selbst der Kleinste, um den Erwerb dieses Siegels bemuehen." So ueberlege das Arbeitsamt Aschaffenburg, nur noch an solche Seminarinstitute Massnahmen zu vergeben, die den ISO-Stempel vorweisen koennen.

Nicht sehr gluecklich ueber die ganze ISO-Diskussion zeigte sich auch SNI-Weiterbildungschef Udo Dierk. Als er sagte: "Wir haben gerade die ganze Zertifizierung abgeschlossen", konnte man spueren, wie froh er war, diesen Vorgang hinter sich gebracht zu haben. Er bezeichnete das Ganze als Qualitaetsverwaltung. Was ihn, aber auch viele andere an diesem Thema stoert, ist, dass es letztlich nur um eine Dokumentation von Prozessen geht. "Ob die Prozesse ueberhaupt sinnvoll sind, fragt keiner," kritisiert Dierk.

Norm ISO 9000 kann nur der Anfang sein

ISO 9000 koenne hoechstens der Anfang in Richtung Qualitaets- Management sein. Er akzeptiere dafuer nur eine Definition: "Qualitaet ist das, was den Kunden zufriedenstellt und was er bezahlt."

Der Paderborner Bildungs-Manager zaehlte einige Massnahmen auf, die sein Unternehmen bereits umgesetzt habe. Die SNI-Trainingszentren werten zum Beispiel aus, ob und wie oft Teilnehmer wiederkommen, ermitteln die Quoten der stornierten Kursbuchungen, fragen bei den Teilnehmern und deren Vorgesetzten, welche Erwartungen sie an die Schulung haetten und ob sie etwas gebracht habe.

Standards, die ueber das uebliche Mass hinausgehen, bescheinigt auch das sogenannte Hamburger Guetesiegel, das der "Verein Weiterbildung Hamburg e. V." vergibt. Der Katalog enthaelt 40 Kriterien, die sich die ueber 140 Mitglieder zu erfuellen bereit erklaert haben.

Claus Kemmet von der Landesvereinigung der Unternehmensverbaende in Hamburg und Mitinitiator der Weiterbildungsinitiative bezeichnete ISO lediglich als "vertrauensbildende Massnahme". Er verglich sie mit dem Fuehrerschein: "Wenn jemand die Fahrpruefung bestanden hat, erhaelt er den Fuehrerschein, das sagt aber nichts darueber aus, wie er faehrt."

Wichtige Aspekte des Trainings wie Methodik und Didaktik wuerden in dieser Norm ueberhaupt nicht beruecksichtigt. Das Hamburger Modell orientiere sich dagegen auch an solchen Kriterien. Kemmet stellte ausserdem die Kompetenz der Zertifizierer in Frage. Urspruenglich war die Norm nur fuer den Produktionsbereich gedacht, nun finde sie Anwendung im Dienstleistungsgewerbe.

"Von wo", fragt der Hamburger Verbandschef, "haben die Zertifizierer ihre Kompetenz, einen Seminaranbieter zu bewerten?" Und damit auch alle Klarheiten beseitigt wurden, stellte OTA- Praesident Hofmann die Grundsatzfrage, wie Weiterbildung zu messen sei, an der Produktivitaet, am Lernerfolg oder an den Unternehmensergebnissen. Alles in allem ein Tag mit mehr Fragezeichen als Antworten.