Neue Ebay-Regeln sollen Nutzung steigern

Beifall und Boykottaufrufe - Ebay ändert Bewertungssystem

11.02.2008 von Handelsblatt 
Mit einem neuen Bewertungssystem will Ebay seine stagnierenden Geschäfte wieder in Schwung bringen. Erst einmal hat das Internet-Auktionshaus aber seine Verkäufer-Gemeinde gegen sich aufgebracht. Ob die jetzt bekannt gegebenen Details zu den geplanten Änderungen die Unzufriedenen beruhigen werden, erscheint fraglich.

BERLIN. Seit fast zwei Wochen werden die Pläne im Netz heftig diskutiert, jetzt endlich hat Ebay Deutschland Details zu seinem neuen Bewertungssystem und Preisgefüge verraten. Ab Juni können Verkäufer beim Online-Auktionshaus Ebay.de keine negativen oder neutralen Bewertungen für ihre Kunden mehr abgeben. Zugleich sinken die Einstellgebühren, während die Verkaufsprovisionen steigen. Die Konditionen für private und gewerbliche Kunden werden sich künftig unterscheiden. "Wir wollen unsere Nutzer stärker differenzieren", sagt Stefan Groß-Selbeck, Chef von Ebay Deutschland. Das Aktionshaus versprach zudem: Verkäufer, deren Position durch die Umbaupläne geschwächt werden, sollen in Zukunft auf anderen Wegen besser vor unzuverlässigen Kunden geschützt werden.

Der geplante Umbau des Bewertungssystems ist tiefgreifend und bewegt seit fast zwei Wochen die Gemüter der bei Ebay aktiven Anbieter. Ende Januar hatte das Unternehmen in den USA angekündigt: Käufer, die mit Anbietern nicht zufrieden sind und eine negative Bewertung abgeben, sollen vor der Rache der Verkäufer geschützt werden. Damit soll das Bewertungssystem aussagekräftiger und Ebay für Käufer attraktiver werden - indirekt würden davon auch die Verkäufer profitieren, argumentiert Ebay. Seitdem laufen Verkäufer gegen die Pläne Sturm. Einige Anbieter drohen sogar mit Boykott.

Auch in Deutschland können Verkäufer ab Juni ihre Kunden nur noch positiv oder gar nicht mehr bewerten, gab Ebay Deutschland am Montag auf einer Pressekonferenz in Berlin bekannt. "Ebay hat festgestellt, dass das Vergeben so genannter Rache-Bewertungen, also ungerechtfertiger negativer Bewertungen von Verkäufern auf eine vom Käufer abgegebene negative Bewertung, in letzter Zeit zugenommen hat", heißt es im Ebay-Pressematerial. "Diese Tatsache hält Käufer vermehrt davon ab, die Leistungen eines Verkäufers zutreffend zu bewerten."

Im Gegenzug sollen unzuverlässige Käufer schneller vom Handel bei Ebay ausgeschlossen werden, versprach das Unternehmen. Neu ist, dass negative und neutrale Bewertungen, die solche Kunden vorher vergeben haben, dann auch rückwirkend gelöscht werden. Kunden, die einige negative Bewertung abgeben wollen, können dies in Zukunft erst einige Tage nach Ablauf der Auktion tun. Ein Großteil des Ärgers sei auf Kommunikationspannen zwischen Käufern und Verkäufern zurückzuführen, so Ebay. Künftig sollen die Anbieter Zeit bekommen, solche Probleme zu losen.

Zudem berechnet Ebay künftig die Bewertungshistorie eines Akteurs, in der die Prozentzahl der positiven Urteile angegeben wird, auf Basis der vorangegangenen zwölf Monate, nicht mehr auf Basis aller jemals getätigten Geschäfte. Käufer und Verkäufer, die regelmäßig miteinander handeln, können sich einmal pro Woche eine Bewertung geben. Bislang ist dies nur bei der allerersten Transaktion möglich.

Auch das Preisgefüge bei Ebay Deutschland wird sich ab 20. Februar deutlich ändern. Artikel bei Ebay einzustellen, wird dann deutlich weniger kosten - die an den Endpreis gekoppelten Verkaufsprovisionen für abgeschlossene Aktionen dagegen steigen zum Teil deutlich. Für private Verkäufer, die zuletzt 49 Cent für den Beginn einer Auktion bezahlen müssten, entfällt die Einstellgebühr komplett - wenn die Auktion einen Startpreis von einem Euro hat. Gleichzeitig steigt die Verkaufsprovision. Unabhängig vom Verkaufspreis entfallen auch die Einstellgebühren bei Fahrzeugen. Auch für gewerbliche Anbieter werden die Einstellgebühren Prozent sinken. Dagegen will Ebay die Gebühren für abgeschlossene Geschäfte erheblich erhöhen.

Bereits im September hatte Ebay die Einstellgebühren für Privatleute von einem Euro auf 49 Cent gesenkt. Seitdem hat sich das Produktangebot bei Privatauktionen laut Ebay-Chef Stefan Groß-Selbeck verdoppelt. "Das hat dazu beitragen, dass wir wieder ein Rekord-Weihnachtsgeschäft vorgelegt haben." An besonders starken Tagen zählte das Unternehmen bis zu 1,8 Millionen verkaufte Artikel.

Trotzdem solcher Zahlen im Privatkundengeschäft tritt das Internet-Unternehmen, das jahrelang mit imposanten Wachstumsraten auftrumpfen konnte, derzeit auf der Stelle. Jüngst ging sogar die Anzahl der Versteigerungen zurück. Unter Druck geriet Ebay durch andere Internethändler wie Amazon.com, die für Verkaufsangebote keinerlei Gebühren erheben. Mit den neuen Regeln und Preisen will Ebay seine Geschäfte wieder in Schwung bringen. Im Januar hatte die langjährige Ebay-Chefin Meg Whitman angekündigt, im März zurückzutreten. An der Spitze steht künftig John Donahoe, der seit 2005 das Auktionsgeschäft von Ebay führt.

Der neue Chef dürfte Mühe haben, die Wogen zu glätten, denn gegen das neue Bewertungssystem protestieren Verkäufer derzeit massiv. Sie fürchten, dass sich die Gewichte zu sehr in Richtung der Käufer verschieben. Anbieter seien unseriösen Auktionsgewinnern, die nicht bezahlen und nicht auf Emails reagieren, hilflos ausgeliefert. In den USA wollen Verkäufer die Auktionsplattform aus Protest zwischen dem 18. und dem 25. Februar boykottieren. Auch in Deutschland wollen sich einige Verkäufer dieser Aktion anschließen.

Im Online-Forum von Ebay machen sich Anbieter ihrem Ärger Luft: Ein Ebay-Nutzer namens "Max_Kurz" bezeichnet das System als "neue Schikane". "Daggi_Babba" meint schlicht: "Neues Bewertungssystem? Dann lieber zum Flohmarkt!" Der Anbieter "Collectors Hope" aus Bremen spricht von einem "weiteren herben Schlag in das Gesicht der Verkäufer. Anstatt die Position derjenigen, von denen man ja schließlich via Gebühren lebt, zu stärken und zu sichern, erfährt der im Durchschnitt zunehmend komplizierter und schwieriger werdende Käufer weitere Unterstützung und Ermutigung bei seinem fragwürdigen Geschäftsgebaren."

Tatsächlich stärken die Umbau-Pläne die Position der Käufer. Allerdings tragen diese bei Online-Auktionen auch die weitaus größeren Risiken: Sie überweisen anonymen Anbietern im Voraus Geld für Waren, deren Zustand sie im Vorfeld nicht sicher beurteilen können. Dies hat zahlreiche unseriöse und zum Teil betrügerische Anbieter zu Ebay gelockt. Immer wieder gibt es Berichte über "Powerseller", die zum Beispiel Computer erst mit großem Zeitverzug liefern, weil sie mit den Zahlungen späterer Käufer ihre Ware vorfinanzieren müssen. Regelmäßig werden auch Hehlerware und - vor allem bei Bekleidung - Produktfälschungen angeboten. Auch überzogene Versandkosten sind an der Tagesordnung.

Bislang hatten Aktionsgewinner, die mit einem Anbieter solche Erfahrungen machten, nur wenig Anreiz, im Bewertungsforum davon zu berichten und dem Verkäufer eine schlechte Note zu geben. Denn sie mussten mit einer "Rache-Bewertung" durch den Anbieter rechnen, was ihnen dauerhaft das eigene Bewertungsprofil verdarb. Das wiederum schreckte viele Käufer ab. Denn ein positives Bewertungsprofil ist nicht nur für Geschäfte bei Ebay von hohem wirtschaftlichem Wert. Forscher, die sich wissenschaftlich mit Online-Auktionen beschäftigen, stellen immer wieder fest: Eine möglichst hohe Quote von positiven Bewertungen hat für Ebay-Nutzer auch einen ideellen Wert. "Die Menschen haben eine emotionale Beziehung dazu", berichtet der Kölner Ökonom Axel Ockenfels, der Ebay beim Umbau des Bewertungssystems beraten hat.

Das neue Bewertungssystem schütze die Käufer besser, betont Ockenfels. Dadurch steige für sie der Anreiz, die Wahrheit über die Verkäufer zu sagen. Die Teilnahmebereitschaft am Bewertungssystem von Ebay beruhe zum Teil auf Gegenseitigkeit. "Wer jedoch einen Verkäufer negativ bewertet, musste bislang mit Nachteilen rechnen", betont Ockenfels. "Jetzt werden für die Käufer die Anreize erhöht, die Wahrheit zu sagen." Es werde nun darauf ankommen, dass die Ebay-Nutzer ein neues, kooperatives Gleichgewicht zwischen Käufer und Verkäufer finden.

Ein verlässliches und aussagekräftiges Bewertungssystem ist für das Funktionieren von anonymen Online-Auktionen von entscheidender Bedeutung, zeigen Studien von Wissenschaftlern wie Ockenfels. Ohne solch einen Reputationsmechanismus würde die Geschäftsaktivität schnell in sich zusammenbrechen - weil für die Käufer die Gefahr zu groß wäre, auf betrügerische Anbieter zu stoßen. Bereits im vergangenen Jahr hatte Ebay sein Bewertungssystem verfeinert. Käufer können dort inzwischen nicht nur ein Gesamturteil über einen Verkäufer abgeben, sondern eine Transaktion sehr detailliert bewerten - unter anderem die Artikelbeschreibung, die Lieferzeit und die Kommunikation mit dem Verkäufer.

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