Bei Outsourcing-Preisen ist noch Spielraum

16.10.2002 von Michael Fritsch
Die Hoffnung auf geringere Ausgaben ist für viele Unternehmen Ansporn, ihre IT auszulagern. Nicht immer sinken die Kosten wie erwartet. Wer jedoch gut vorbereitet in die Preisverhandlungen einsteigt, kann überdurchschnittliche Einsparungen erzielen.

Das Gros der befragten Firmen spart durch Outsourcing zehn bis 30 Prozent seiner IT-Kosten.

Quelle: Booz Allen Hamilton

Bisherige Erfahrungen mit dem Outsourcing zeigen, dass sich bei vielen Kunden im Lauf eines Outsourcing-Abkommens Unzufriedenheit einstellt, weil die erwarteten Einsparungen oft nicht erzielt werden. Während die Kosten im Durchschnitt um etwa 15 Prozent gesenkt werden konnten, sich in jedem fünften Fall sogar Einsparungen von mehr als 30 Prozent einstellen, führt andererseits das Outsourcing in knapp zehn Prozent der Projekte sogar zu einer finanziellen Verschlechterung. Insgesamt ist die Hälfte der Kunden mit den Leistungen ihres Service-Providers unzufrieden, und über 90 Prozent würden ihr Outsourcing-Verhältnis heute anders gestalten als zum Zeitpunkt der Entscheidung (Quelle: The Conference Board on Outsourcing, 2000).

Was soll ausgelagert werden?

Dabei hat sich gezeigt, dass für den langfristigen Erfolg von Auslagerungsprojekten zwei Faktoren wesentlich sind: Erstens ist die richtige Auswahl von Art und Umfang der Leistungen entscheidend, die für das Outsourcing vorgesehen sind. Wenn dem externen Partner nahezu die gesamte im Hause vorhandene IT-Kompetenz übergeben wird, ist der Misserfolg programmiert. In den seltensten Fällen kann der Outsourcing-Partner garantieren, dass er die strategischen Anforderungen der Geschäftsbereiche umsetzen kann. Er benötigt einen kompetenten Ansprechpartner auf der Kundenseite. Dort sollte ein funktionierendes Demand-Management die langfristige IT-Strategie definieren, Prioritäten für neue Anforderungen setzen und diese so spezifizieren, dass sie auch umsetzbar sind.

Für den Outsourcing-Interessenten kann dies durchaus bedeuten, dass ein Großteil seiner Entwicklungskompetenz im Hause verbleibt. Neben der Verantwortung für die grundsätzliche IT-Strategie obliegen dieser Demand-Organisation auch die Aufgaben, die Gesamtarchitektur zu bestimmen, Business-Anforderungen in entsprechende Lastenhefte abzubilden, das Erstellen von Fach- und IT-Konzepten federführend zu begleiten sowie die Projekte zu betreuen und die Qualitätssicherung zu gewährleisten. Auch sollte der interne Mitarbeiterstamm in der Lage sein, die von externen Dienstleistern abgeschlossenen Arbeiten zu testen und in die Produktion zu überführen.

Marktgröße und Trend TK-Unternehmen fokussieren sich zunehmend auf kundennahe sowie produkt- und servicerelevante Prozesse. Viele der bisher selbst erbrachten Leistungen stehen damit zur Disposition, allen voran Call-Center und IT-Operations, aber zunehmend auch Billing und sogar in einigen Fällen der gesamte Netzbetrieb - das ist das Ergebnis einer Umfrage von Booz Allen Hamilton unter 40 europäischen TK-Unternehmen. Die Unternehmen beabsichtigen, die Design- und Spezifikationskompetenz im Hause zu behalten und den operativen Betrieb vieler Leistungen geeigneten Outsourcern zu übertragen. Das dadurch über die nächsten Jahre erschließbare Marktpotenzial für das Outsourcing von Call-Centern und den IT-Betrieb liegt allein in Europa im TK-Markt bei zirka neun Milliarden Euro.

Grob geschätzt sind bei einem Outsourcing-Volumen in dreistelliger Millionenhöhe rund 50 bis 100 Mitarbeiter mit entsprechenden Kompetenzen beim Kunden erforderlich, um die genannten Aufgaben wahrzunehmen. In einer solchen Konstellation gibt es eine klare Schnittstelle und eindeutige Rollenverteilung, die dem Outsourcing-Partner auch als Orientierung und Anhaltspunkt dient. Diese notwendige Aufgabenteilung wird im Übrigen auch und gerade bei der Ausgründung von internen IT-Abteilungen oft missachtet, in-dem man praktisch alle vorhandene Kompetenz in den Dienstleister einbringt. In der Folge lässt sich das Vertragsverhältnis nicht mehr steuern.

Der zweite Faktor für den Erfolg von Outsourcing-Projekten ist die Wahl des geeigneten Anbieters. Der Dienstleister sollte dabei mehr können, als nur die bisher internen Leistungen kostengünstiger zu erbringen. Art und Bedingungen der Zusammenarbeit müssen so ausgestaltet sein, dass er seine gesamte Erfahrung in die Beziehung einfließen lässt, um Effizienzpotenziale zu erschließen. Nur wenn der Outsourcing-Anbieter sich zur permanenten Verbesserung seiner Leistungsfähigkeit und damit der seines Kunden verpflichtet (und dies auch vertraglich zusichert), kann eine für beide Seiten vorteilhafte Partnerschaft entstehen. So sollten die Erfahrungen des Dienstleisters durchaus in die Formulierung der IT-Strategie und in die langfristige Architekturplanung des Kunden einfließen.

Wie viel kann der Kunde sparen?

Unter der Annahme, dass etwa fünf Prozent der Outsourcing-Kosten für die nach wie vor erforderlichen internen IT-Ressourcen anfallen und weitere drei bis fünf Prozent der Kosten für die Übertragung der bisherigen Haus-IT veranschlagt werden (Einmalkosten über mehrere Jahre umgelegt), muss der Outsourcing-Provider die gleiche Leistung für zirka 75 Prozent des ursprünglichen IT-Budgets erbringen, wenn der Kunde ein Einsparpotenzial von 15 Prozent erzielen möchte. Den erforderlichen Produktivitätsvorteil muss der Dienstleister durch Skaleneffekte oder Kostenvorteile etwa aufgrund sinkender Personalkosten und einer professionelleren Abwicklung erzielen. Eine Marge für den Service-Provider ist in dieser Rechnung noch nicht enthalten, das heißt, erst bei Einsparungen von mehr als 25 Prozent gegenüber der anfänglichen Kostenbasis erzielt der Anbieter Gewinn. In der Regel liegt die Marge im einstelligen Prozentbereich.

Bei den Preisverhandlungen sollte der Kunde auch die in der aktuellen IT schlummernden Produktivitätsreserven in die Diskussion einbeziehen. Je nach Ausgangssituation, also Verfassung der vorhandenen IT-Umgebung, lassen sich erfahrungsgemäß zehn bis 20 Prozent vom aktuellen Budget einsparen. Erläutert an einem fiktiven Beispiel hieße das Folgendes: Bei einem ursprünglichen IT-Jahresetat von 100 Millionen Euro und einem identifizierten Optimierungspotenzial von zehn Prozent verhandelt der Kunde mit dem möglichen Outsourcer über ein Volumen von 90 Millionen Euro per annum. Von dieser Summe wiederum sind die genannten Posten für die auch nach dem Betriebsübergang erforderlichen internen IT-Kosten (fünf Prozent) sowie die Transaktionskosten (rund fünf Prozent) abzuziehen. Orientiert sich der Kunde bei seinen Einsparwünschen am Durchschnittswert, reduziert sich die Summe um weitere 15 Prozent. Der Anwender hat demnach das Ziel, den IT-Betrieb

vom Dienstleister für künftig 67,5 Millionen Euro pro Jahr zu beziehen.

Diese Rechnung funktioniert sicher nicht zum Start des Projekts, denn das identifizierte Optimierungspotenzial will erst einmal umgesetzt werden, doch verpflichtet ein solches Vorgehen den Lieferanten zu einer kontinuierlichen Verbesserung seiner Leistung und zum Erreichen der Zielmarke zu einem vereinbarten Zeitpunkt. Würde der Kunde auf die anfängliche Analyse der eigenen IT-Umgebung verzichten und ohne Vorstellungen über das mögliche Optimierungspotenzial in die Verhandlungen eintreten, würde der Service-Provider die möglichen Einsparreserven bei sich verbuchen und nicht weitergeben.

Partnernetze knüpfen

Ein solches Vorgehen, bei dem die Zulieferer einem konstanten, vertraglich vereinbarten Verbesserungsdruck ausgesetzt sind, hat sich in den letzten Jahren insbesondere in der Automobilindustrie als wirkungsvoll erwiesen. Angesichts der von Kostendruck geprägten Situation in nahezu allen Industriezweigen ist davon auszugehen, dass auch das IT-Outsourcing zunehmend diesem „Lopez“-Effekt unterliegen wird. Wenn man sich beispielsweise vergegenwärtigt, dass die TK-Unternehmen in den letzten zwei Jahren weltweit etwa 500.000 Arbeitsplätze abgebaut haben - dazu brauchte die Automobilindustrie viele Jahre - ist leicht vorstellbar, wie hoch der Druck zur Produktivitätssteigerung allein in dieser Branche ist. Dementsprechend anspruchsvoll ist auch die Erwartungshaltung, mit der die Unternehmen zusammen mit den Lieferanten an der Optimierung der Wertschöpfungskette arbeiten.

Die Automobilindustrie lehrt aber auch, was es heißt, Partnerschaften über die gesamte Lieferkette aufzubauen und ein professionelles Zuliefer-Management zu etablieren. Nachdem praktisch die gesamte Wertschöpfungskette auf den Prüfstand gestellt wurde, erfolgte eine klare Definition der eigenen Kernkompetenzen und eine Erarbeitung der bestmöglichen Strategie für die Entwicklung und Herstellung des Produkts unter systematischer Einbeziehung der Lieferanten.

Erfolgsabhängige Verträge

Die Automobilindustrie hat mit diesem Vorgehen einen jährlichen Preisverfall von etwa 2,5 Prozent durch konstante Produktivitätsverbesserungen auffangen und so ihre Profitabilität weitgehend halten können. Es zeichnet sich ab, dass die Unternehmen solche Strategien auch im IT-Bereich und insbesondere bei Outsourcern anwenden. Selbst die direkte Kopplung an den Unternehmenserfolg und damit die Übernahme eines Geschäftsrisikos durch den Lieferanten sind denkbar und werden bereits diskutiert. Die IT-Dienstleister müssen sich auf entsprechende Forderungen einstellen. Ein partnerschaftlich geprägtes, konsequent an den Erfordernissen des Kunden ausgerichtetes Leistungsangebot ist für sie unabdingbar, um ein langfristig erfolgreiches Vertragsverhältnis unterhalten zu können. Dies geht nicht ohne ein umfassendes Verständnis der Branche und der spezifischen Anforderungen des jeweiligen Kunden.

Quelle: Booz Hamilton

Ein Beispiel aus der Praxis zeigt, was die professionelle Vorbereitung einer IT-Outsourcing-Verhandlung bringen kann. Wäre man von der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses existierenden Kostenbasis von zirka 200 Millionen Euro ausgegangen, wäre bestenfalls die Hälfte der erzielbaren Einsparungen erreicht worden - entsprechende Angebote von Lieferanten zur Übernahme der gesamten IT-Leistungen zu einem geringfügig unter der aktuellen Kostenbasis liegenden Preis lagen bereits vor. Durch die lieferantenneutrale Analyse des eigenen IT-Leistungsumfangs und die systematische Identifikation von vorhandenen Verbesserungspotenzialen konnte die realistisch erzielbare Produktivitätssteigerung in die Verhandlungen einbezogen werden, so dass die angestrebten Einsparungen nahezu verdoppelt wurden. Legt man den Mittelwert der Angebote zugrunde, macht das in diesem Fall etwa 150 Millionen Euro über die

Vertragslaufzeit aus. Die Bandbreite der abgegebenen Angebote demonstriert auch deutlich die Notwendigkeit, mehrere Anbieter in den Outsourcing-Prozess einzubeziehen, um den notwendigen Verhandlungsspielraum zu haben.